Süddeutsche Zeitung

Landtagswahl in Sachsen:Hoffnungsschimmer und Albtraum

Die AfD könnte in das erste Landesparlament einziehen, die NPD ihre Machtbasis und viel Geld verlieren. Am 31. August wird in Sachsen ein neuer Landtag gewählt - und die FDP fliegt wohl aus der letzten Regierung. Fünf Gründe, warum das die Bundespolitik beeinflusst.

Von Antonie Rietzschel

"Sonniges, sonniges Sachsen", singt Rainald Grebe in seiner Sachsen-Hymne. Es könnte auch das Motto des aktuellen Landtagswahlkampf sein: Uns geht es gut, so lautet vor allem die Botschaft der regierenden CDU. Sie wird nach den Wahlen am 31. August wohl weiter regieren. Nix los in Sachsen? Von wegen.

Die NPD könnte ihre einstige Machtbasis verlieren

Tierschutz und Drogen - das sind die Themen, mit denen die NPD in Sachsen Wahlkampf macht. Fast schon verzweifelt wirken Guerilla-Aktionen wie die Anti-Drogen-Tour. Dabei stürmt eine Gruppe junger Männer in ein Klassenzimmer, einen Plüschhirsch im Schlepptau. Der so genannte "Platzhirsch" ist gerade das Wahlkampfmaskottchen der Partei. Es werden Flyer verteilt und verdutzten Lehrern die Hände geschüttelt, dann ist der Spuk wieder vorbei (dazu ein Satirebeitrag von Extra3). Was das alles mit Drogen zu tun hat? Keine Ahnung. Die NPD, so scheint es, ist mittlerweile zu allem bereit, um wieder in den Sächsischen Landtag zu kommen. Doch aktuelle Umfragen sehen die Partei lediglich bei ein bis vier Prozent.

Durch ein Scheitern verlöre die NPD ihre Machtbasis Sachsen. Seit den neunziger Jahren haben die Rechtsextremen hier feste Strukturen aufgebaut. Selbst mit aggressiven Neonazi-Gruppen paktierte die Partei. Der größte Erfolg war der Einzug in den Landtag 2004, der ganz Deutschland einen Schreck versetzte. Nun deutet sich ein Machtverlust in der Region an. Schuld daran ist wohl auch der parteiinterne Streit.

Der Verlust der Landtagsmandate könnte der finanziell bereits angeschlagenen Partei weitere Geldprobleme bereiten. 1,4 Millionen Euro im Jahr bekommt die sächsische Fraktion an Steuergeldern, um beispielsweise die Gehälter der Angestellten zu zahlen, die meist ebenfalls aus dem rechten Spektrum kommen. Dazu kommen die Abgeordnetendiäten.

AfD zieht in das erste deutsche Landesparlament ein

Die Alternative für Deutschland ist ein Teil des Problems der NPD in Sachsen. Das haben die Rechtsextremen selbst erkannt: In einer Nachricht an die Wähler fordert NPD-Spitzenkandidat Holger Szymanski diese auf, nicht der AfD die Stimme zu geben. Vor allem bürgerliche Wähler könnten abwandern, sind Beobachter überzeugt. Bei der Europawahl bekam die AfD in Sachsen die meisten Stimmen. Aktuelle Umfragen sehen die sächsische AfD um Spitzenkandidatin Frauke Petry bei bis zu sieben Prozent. Damit würde die Partei das erste Mal in ein Landesparlament einziehen.

Das könnte die Kräfteverhältnisse im Parlament verändern. Die NPD ist für alle anderen Fraktionen eine Partei, mit der eine Zusammenarbeit unmöglich ist. Obwohl sich manche Aussagen von AfD und NPD bedenklich ähneln, könnten sich die Abgeordneten anderer Parteien von den Intellektuellen oder Unternehmern unter den AfD-Funktionären durchaus angesprochen fühlen. Ministerpräsident Stanislaw Tillich lehnt eine Zusammenarbeit nicht kategorisch ab: Er kenne weder Programm noch Personal der AfD, und wen man nicht kenne, mit dem könne man nicht zusammenarbeiten, sagt er. Das klingt, als sei späteres Kennenlernen nicht ausgeschlossen.

Die FDP verliert ihre letzte Regierungsbeteiligung

Vor knapp einem Jahr wurden die Liberalen aus dem Bundestag gewählt. Seitdem ist die Partei nicht mehr wirklich in Erscheinung getreten. Höchstens durch Diskussionen über lebensverlängernde Maßnahmen: Die traditionsreiche FDP dachte zwischendurch laut über eine Umbenennung nach.

Auch landespolitisch könnte die FDP nun endgültig scheitern. Allein in Sachsen ist sie noch an der Regierung beteiligt. Wenn die Landtagswahlen vorbei sind, könnte es sein, dass sie gar nicht mehr im Landtag sitzt. Derzeit schwankt die Partei in Umfragen zwischen drei bis vier Prozent. Ihre Wahlwerbung wirkt verzweifelt: "Sachsen ist nicht Berlin", steht auf den Plakaten. Ein Rundschreiben, in dem sich Spitzenkandidat Holger Zastrow an die Wähler wendet, klingt wie ein Hilferuf. Der sächsische Landesverband leide sehr unter dem Ansehensverlust der Bundespartei, heißt es da. Zastrow erinnert an die gute Zeiten mit der sächsischen FDP: Burgfest und Technologiekonferenz.

Doch der Druck auf die Tränendrüse wird wohl nichts helfen. Das Adjektiv tot sei eigentlich nicht steigerbar, schreibt SZ-Autor Heribert Prantl in einem Kommentar zur Zukunft der Partei. Und weiter: "Am 31. August könnte sich am Beispiel der FDP zeigen, dass jedenfalls der politische Tod steigerbar ist."

Schwarz-Grün als Modell

Eine absolute Mehrheit wird die CDU in Sachsen wohl nicht erreichen. Sie hat die Wahl, ob sie künftig mit der SPD oder den Grünen koalieren will. Die Sozialdemokraten mit ihrem Spitzenkandidaten Martin Dulig liegen derzeit bei 14 Prozent. In Berlin regiert eine große Koalition. Doch das muss nichts heißen: "Schwarz-Rot im Bund ist fraglos ein Erfolg. Aber was in Berlin funktioniert, klappt deshalb nicht zwingend in Sachsen genauso gut", sagte Ministerpräsident Stanislaw Tillich in einem Interview.

Schwarz-Grün scheint als Option wahrscheinlicher. Tillich war bei den Sondierungsgesprächen zwischen Union und Grünen in Berlin dabei. Am Anfang sei er skeptisch gewesen, sagt er. "Aber dann habe ich hautnah miterlebt, wie nah sich beide Parteien kamen. Nur eine Haaresbreite hat damals gefehlt! Ich gebe zu, das hat mir zu denken gegeben." Der Fraktionsvorsitzende der sächsischen CDU, Steffen Flath, ist schon lange Fan entsprechender Gedankenspiele.

Entscheiden sich die beiden Parteien nach der Landtagswahl tatsächlich für eine Koalition, wäre Sachsen nach Hessen das zweite schwarz-grün regierte Bundesland. Das könnte für die Bundestagswahlen 2017 wegweisend sein. Vielleicht bliebe es diesmal nicht nur bei Sondierungsgesprächen.

Rentenangleichung rückt in den Mittelpunkt

Nicht nur in Sachsen, sondern auch in Brandenburg, Thüringen und Brandenburg wird demnächst gewählt. Damit bekommt 25 Jahre nach dem Mauerfall ein Thema mit Ost-West-Gefälle Aufmerksamkeit. Angela Merkel hat die Rentenangleichung auf die politische Agenda gesetzt. Nach den Worten der Kanzlerin soll die Rente in Ostdeutschland bis 2020 das gleiche Niveau wie im Westen erreicht haben. Damit will die CDU zusätzlich bei den Landtagswahlen punkten.

Ein guter Zeitpunkt, sich diesen Plan genauer anzuschauen, der gar nicht so leicht umzusetzen ist. Allein, wie die Rente berechnet wird, ist eine knifflige Sache. Im Westen bekommen einige alte Arbeitnehmer noch zusätzlich eine Betriebsrente oder Beamtenpension gezahlt. Im Osten gibt es bereits in manchen Fällen Ausgleichszahlungen. Frauen im Osten bekommen wegen ihrer längeren Berufstätigkeit derzeit mehr Rente als Frauen im Westen. Es gibt noch viele andere Gründe, die das Vorhaben Rentenangleichung kompliziert, aber auch emotional und deswegen schwierig machen.

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