Landtagswahl in Sachsen:Die NPD ist raus - der braune Fleck bleibt

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Die NPD fliegt Wahlwerbung - nun fliegt sie aus dem Parlament. (Foto: AFP)

Viel Geld ist futsch, führende Kader sind arbeitslos. Die NPD leidet unter ihrem Ausscheiden aus dem Landtag von Sachsen. Doch politisch geschlagen ist sie nicht - sie ändert ihre Prioritäten.

Von Antonie Rietzschel

Zuerst sah es so aus, als ob es die NPD gerade so wieder in den Landtag schaffen könnte. Erst kurz vor Mitternacht, als die Landeswahlleitung das vorläufige Endergebnis der Landtagswahl in Sachsen verkündet, ist klar: Mit 4,95 Prozent fliegt die NPD aus dem Parlament - und das obwohl Sachsen als NPD-Hochburg gilt.

Das kann nicht mit rechten Dingen zugehen. So zumindest stellt es die Partei nun da. Die "angeblich fehlende Stimmenzahl für ein ganzes Bundesland" sei "lächerlich gering", heißt es in einer knappen Mitteilung. "Die NPD Sachsen erreichen immer neue Hinweise zu Auszählungsfehlern und regelrechten Manipulationen", schreibt Spitzenkandidat Holger Szymanski auf seiner Facebookseite. Derzeite prüfe man die Möglichkeit, das Ergebnis juristisch anzufechten.

Es war ein Schock, als die Rechtsextremen im September 2004 neun Prozent erreichten. Damit lag die NPD in Sachsen fast gleichauf mit der SPD und konnte erstmals seit 36 Jahren wieder in ein Landesparlament einziehen. Bundesweit suchten die politischen Kommentatoren nach den Gründen. Sie diskutierten über die Abgehängten: Männer ohne Job, ohne Perspektive, die damals vor allem zur Wählerschaft der Rechtsextremen gehörten. Bald gingen Journalisten in der Sächsischen Schweiz auf Nazi-Jagd. "Hier wohnt der Hass", lautete eine Schlagzeile.

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Doch über die Jahre präsentierte sich die Partei als völlig zerstrittener Haufen - wie zuletzt bei der Diskussion um den einstigen Parteivorsitzenden und jetzt auf Mallorca kellnernden Holger Apfel. Das Ansehen der Partei hat schwer gelitten. Berichten zufolge will sich auch sein Nachfolger Udo Pastörs aus der Parteispitze zurückziehen.

Doch schlimmer als die internen Konflikte, war das Auftauchen einer neuen Partei, wie sich nun gezeigt hat. Die Alternative für Deutschland (AfD) fischte mit Themen wie Grenzkriminalität und Asylmissbrauch ebenfalls am rechten Rand und zieht nun mit fast zehn Prozent in den sächsischen Landtag ein. 13 000 Wähler hat sie Berechnungen von Infratest Dimap zufolge der NPD abgezogen.

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Das größte Problem der finanziell angeschlagenen Partei NPD ist nun das Geld. Abgesehen von den Abgeordnetendiäten bekam die sächsische Fraktion 1,4 Millionen Euro jährlich. Davon wurden Büroräume, aber auch die 30 Mitarbeiter bezahlt. Diese werden nun arbeitslos und der Partei geht viel Geld verloren. In den sächsischen Wahlkampf hat sie 300 000 Euro investiert. Das meiste davon waren Spenden.

Angesichts dieser Entwicklung wirkt allzu große Euphorie über das jetzige Ergebnis, so wie sie jetzt der CDU-Bundesvize Thomas Strobl zeigt, jedoch verfrüht. Er sieht in dem Scheitern der Partei an der Fünf-Prozent-Hürde einen Erfolg der Politik - und stellt sogar das laufende NPD-Verbotsverfahren infrage: "Das ist eine erfreuliche Entwicklung in die richtige Richtung und eine Entwicklung, die mich eher zu dem Ergebnis kommen lässt, dass man die NPD politisch bekämpft und nicht vor dem Verfassungsgericht."

Von einem politischen Machtverlust in Sachsen kann keine Rede sein. Dafür ist das Ergebnis zu knapp - gerade mal 800 Wähler haben der NPD zu Wiedereinzug gefehlt. Die Partei ist seit den neunziger Jahren fest in Sachsen verankert. Sie hatte genug Zeit, um sich eine Stammwählerschaft heranzuziehen. Auch der Unterstützerkreis ist groß, das hat sich während des Wahlkampfs wieder gezeigt: 60 000 Plakate wurden geklebt, 1,5 Millionen Flugblätter verteilt. Eine wahre Materialschlacht, die nur mithilfe eines guten Netzwerks gestemmt werden kann.

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Wie bei der Landtagswahl 2004 hat sie es in Sachsen erneut geschafft, ein wichtiges soziales Thema früh zu vereinnahmen. Vor zehn Jahren war es Hartz IV, jetzt ist es die deutschlandweite Diskussion über den Umgang mit Asylbewerbern. "Die NPD hat leider sehr früh das Thema besetzen und die teilweise ablehnende Haltung der Bevölkerung für sich nutzen können", sagt Grit Hanneforth vom Kulturbüro Sachsen, einer Initiative, die die Rechtsextremen seit Jahren beobachtet. Grenzkriminalität und angebliche Übergriffe auf Frauen, all das schüre die Ängste in der Bevölkerung, sagt Hanneforth.

Rechtsextreme Hochburgen bleiben bestehen

Besonders gut hat das in der Erzgebirgs-Stadt Schneeberg funktioniert. Dort organisierte die NPD vor einem Jahr den Protest gegen die Unterbringung von 400 Asylbewerbern ( Reportage von SZ-Korrespondent Cornelius Pollmer). In den braunen Flashmobs waren Teile der Bevölkerung, aber auch Mitglieder verschiedener neonazistischer Gruppen vertreten. Es folgten ähnliche Aktionen in anderen Städten.

Im Juli dieses Jahres besuchte eine Delegation von NPD-Abgeordneten ein ehemaliges Hotel in Bautzen, das nun Asylbewerber beherbergt. Anschließend veröffentlichte die Partei ein Video, das den angeblichen Komfort zeigen sollte. Auch hier organisierte die Partei Protestmärsche mit Hunderten Demonstranten. Das zeigte Wirkung: In Bautzen kam die NPD bei der Landtagswahl auf mehr als zehn Prozent. 2009 waren es sechs Prozent.

Auch wenn es mittlerweile zahlreiche zivilgesellschaftliche Initiativen gibt, die gegen Rechtsextreme kämpfen, bleiben Hochburgen wie der Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge erhalten. In der Stadt Pirna hat vor einem Jahr das "Haus Montag" als Treffpunkt von NPD-Anhängern geöffnet. Für die NPD sitzen 110 Abgeordnete in sächsischen Gemeinde- und Stadträten - so wie Torsten Hiekisch. Und der machte vor kurzem deutlich, wo er die Zukunft der Partei sieht: "Unser Schicksal liegt in der Kommunalpolitik."

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