Süddeutsche Zeitung

Landtagswahl in Sachsen:CDU sucht nach einem neuen Partner

Als "Bayern des Ostens" wird Sachsen mittlerweile gehandelt. Da ist etwas dran. Viele Sachsen, gerade im ländlichen Raum, betrachten die CDU als Schutzheilige des wirtschaftlichen Aufstieges. Doch mit wem könnte die Partei nach der Landtagswahl koalieren?

Von Cornelius Pollmer, Dresden

Der Wahlkampf in Sachsen begann früh, im Grunde schon im April des vergangenen Jahres. Damals verdichtete sich das Gerücht, die schwarz-gelbe Regierung favorisiere den 31. August 2014 als Termin für die Landtagswahl, die Opposition protestierte vergebens. An diesem Sonntag um 18 Uhr läuft das Urnen-Ultimatum ab, die Wahl fällt damit auf den letzten Tag der Sommerferien. Diese potenziell ungünstige Konstellation hat den Wahlkampf fast mehr geprägt als inhaltliche Fragen. Folgende stellen sich trotzdem:

Gab es einen Wahlkampf und wenn ja, welche Themen haben ihn bestimmt?

Es ist nicht ganz leicht, um die Gunst eines Volkes zu werben, wenn das Volk gar nicht da ist. Linkspartei und SPD reisten deswegen gar nach Usedom, um die Bürger in deren Urlaub an die Wahl in der Heimat zu erinnern. Vor wenigen Wochen noch kannte die Hälfte der Sachsen noch nicht einmal den Termin der Abstimmung, als Erinnerungsstütze wurde Sonnenmilch gereicht ("Die Sonne scheint, der Himmel lacht. Das hat die Linke gut gemacht", Lichtschutzfaktor 15).

Inhaltlich am intensivsten verhandelt wurden der Lehrermangel und der schlechte Betreuungsschlüssel in Kindertagesstätten. Mehr von den Bürgern als von den Parteien wurden die Sorgen um grenzüberschreitende Kriminalität und um die Möglichkeiten und Grenzen der Aufnahme von Asylbewerbern in den Wahlkampf getragen. Eine bedeutende Rolle spielte auch die Polizeireform, an welcher sich exemplarisch die Kunst der CDU zeigte, aus der Regierungsverantwortung heraus Reformen zu fordern, gewissermaßen gegen sich selbst. Sie beschloss den Stellenabbau, nun spricht sie sich wie alle anderen Parteien des Landtags für eine Erhöhung der Zahl der Neueinstellungen aus.

Warum wird die CDU trotzdem wieder mit deutlichem Abstand vorne liegen?

Weil sie seit 24 Jahren vorne liegt und weil es Sachsen, gerade im Vergleich zu anderen Ost-Bundesländern, gut geht. Der Publizist Wolfram Weimer hat den Freistaat gerade als "eine Art Bayern des Ostens" beschrieben, da ist was dran. Die Wirtschaftsdaten sind gut, die Arbeitslosigkeit ist relativ niedrig (8,5 Prozent), der Haushalt solide - seit gut einem Jahr hat die Schuldenbremse auch in Sachsen Verfassungsrang.

Viele Sachsen, gerade solche im ländlichen Raum, betrachten die CDU als eine Art Schutzheilige dieses Aufstiegs, als parteigewordene Saxonia. Die CDU regiert deswegen unangefochten, seit zehn Jahren aber nicht mehr allein. Noch im Frühjahr hoffte sie darauf, nun wieder ohne Partner auszukommen. Dass dies vermutlich nicht gelingen wird, könnte auch am selbst gewählten Wahltermin liegen. Eine geringe Wahlbeteiligung wird befürchtet, sie dürfte eher anderen nutzen, vor allem der NPD.

Was ist mit dem linken Lager?

Seit 15 Jahren ist die Linkspartei zweitstärkste Kraft im sächsischen Landtag, genützt hat ihr diese Stärke bislang nicht viel. Immer wieder gibt es Annäherungsversuche zwischen Linken, Grünen und SPD, das Projekt läuft unter der droidenhaften Abkürzung "R2G". Letztlich schwächt aber sogar die relative Schwäche der CDU dieses Vorhaben: Die Partei von Ministerpräsident Stanislaw Tillich braucht wohl wieder einen Koalitionspartner, die SPD hat angekündigt, dieser sein zu wollen. Auch die Option eines schwarz-grünen Bündnisses wird immer häufiger diskutiert, bei den Grünen selbst ist sie umstritten.

Letzte Umfrage

Kurz vor der Landtagswahl liegt die regierende CDU in der Wählergunst unangefochten vorn. Die Christdemokraten von Ministerpräsident Stanislaw Tillich kommen in der Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen auf 40,5 Prozent. Die Linke erreicht darin 19 Prozent. Auf die SPD entfallen 15 Prozent. Die Grünen können sich mit 5,5 Prozent ihres Verbleibs im Parlament nicht völlig sicher sein. Dagegen kann die eurokritische AfD sieben Prozent Zuspruch verbuchen und wäre somit erstmals im Landtag vertreten. Die FDP müsste mit drei Prozent das Parlament verlassen. Für die rechtsextreme NPD ist mit 5 Prozent der erneute Einzug ins Parlament unsicher. Die Umfrage fand am Mittwoch und Donnerstag statt. Der Fehlerbereich beträgt zwei bis drei Prozentpunkte. Allerdings sind erst 61 Prozent der Befragten sicher, ob und wen sie wählen wollen. dpa

Wohin geht die Reise für die FDP?

Der Landesvorsitzende Holger Zastrow betont immer wieder gern und in fröhlicher Abgrenzung, bei den Landtagsabgeordneten seiner Partei handele es sich nicht um "Berufspolitiker", fast alle würden ihrer regulären Arbeit weiterhin nachgehen. Das immerhin könnte eine Anschlussverwendung nach dem Wahlsonntag erleichtern: Die FDP kann nicht wirklich mit einem Wiedereinzug in den Landtag rechnen, sie hofft auf ein Wunder in letzter Minute - in den Umfragen stieg sie zuletzt leicht, auf immer noch magere drei bis 3,5 Prozent. Ein Ausscheiden der FDP wäre auch von hoher symbolischer Bedeutung für die Bundespartei, weil damit die letzte Regierungsbeteiligung der Liberalen verloren ginge.

Wird die Alternative für Deutschland eine Koalitions-Alternative für die CDU?

Wie es aussieht, braucht die CDU also einen neuen Koalitionspartner. Stanislaw Tillich hat bislang lediglich die Linkspartei und die NPD von der Besetzungsliste für diese Rolle gestrichen, und er hat einen Rekord aufgestellt: Kein zweiter Mensch auf dieser Erde hat so häufig und in so vielen verschiedenen Satzbauweisen die Alternative für Deutschland als fast unmöglichen Koalitionspartner beschrieben, ohne aber eine Koalition mit ihr faktisch auszuschließen.

Für eine Koalition mit den Grünen wiederum könnten die Mandate am Ende schon rechnerisch nicht reichen, deswegen unterstellen Beobachter Tillich ein Kalkül: Der Nicht-Ausschluss der AfD als Partner soll lediglich verhindern, dass die vermutlich Stimmen hinzugewinnende SPD sich in Koalitionsverhandlungen allzu sehr aufplustern könnte. Dass die CDU tatsächlich ein Bündnis mit der AfD eingehen könnte, damit rechnet kaum jemand. Für diese wird die Wahl wohl dennoch ein Erfolg: Es gilt als im Grunde sicher, dass die AfD das erste Mal in ein Landesparlament einziehen wird.

Schon bei den Wahlen zum Bundestag 2013 und zum Europaparlament im Mai hatte sie in Sachsen außergewöhnlich gute Ergebnisse geholt. Den Einzug werden wohl auch die Ermittlungen wegen Insolvenzverschleppung gegen Spitzenkandidatin Frauke Petry nicht gefährden, die gerade publik wurden.

Schafft die NPD es wieder in den Landtag?

Außer der Premiere der AfD könnte auch der Einzug einer weiteren Partei Aufregung verursachen. Seit zehn Jahren sitzt die NPD im Landtag, noch vor Kurzem schien es, als käme kein weiteres hinzu. Nun liegt sie bei fünf Prozent. Ihr Ergebnis könnte noch begünstigt werden durch eine geringe Wahlbeteiligung. Auch gibt es die Ahnung, dass sich in der Regel nicht alle ihre Wähler in den Umfragen vorab zu erkennen geben.

Ein Ausscheiden würde die ohnehin klamme Partei vor allem finanziell schwächen. Den Wahlkampf finanzierte die NPD erheblich aus Spenden, die wiederum in erheblichem Maß von den eigenen Abgeordneten kommen, aus deren Diäten. Ein Thema hat die Partei verlässlich hässlich in der Asylpolitik gefunden. Sie warnt in Kundgebungen vor der Überfremdung Sachsens. Dessen Ausländeranteil liegt übrigens bei gerade 2,2 Prozent.

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Quelle:
SZ vom 30.08.2014/anri/odg
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