Landtagswahl in Sachsen-Anhalt:Hier könnte die AfD das bisher beste Ergebnis erzielen

Landtagswahl in Sachsen-Anhalt - Wahlplakat

Ein abgerissenes Wahlplakat der AfD in Halle an der Saale

(Foto: dpa)

Vier Gründe, warum die Wahl in Sachsen-Anhalt spannend ist - von der Flüchtlingspolitik bis zur möglichen "Kenia-Koalition".

Von Hannah Beitzer

1. Wahlen im Land der Nichtwähler

Sachsen-Anhalt ist das Bundesland mit der durchschnittlich niedrigsten Wahlbeteiligung. Der absolute Tiefpunkt war die Landtagswahl 2006 mit 44,4 Prozent. Auch zur Bundestagswahl bildet Sachsen-Anhalt regelmäßig das Schlusslicht unter den Ländern. 2013 gingen nur 62 Prozent aller Berechtigten zur Wahl. Woran liegt das? Experten sprechen oft von einem Zusammenhang von Armut und Politikverdrossenheit - das könnte eine Erklärung sein. Die Arbeitslosigkeit in Sachsen-Anhalt liegt über dem Bundesdurchschnitt.

Nach weiteren Gründen forschte vor der Wahl auch der MDR in der sehenswerten Dokumentation "Wie geht's - ein Land vor der Wahl". Die Journalisten treffen dort auf eine tiefe Entfremdung zwischen Politik und Wählern - die nicht nur mit dem Frust der Letzteren zu tun hat. So schreiben die MDR-Mitarbeiter zum Beispiel in einem Experiment allen Landtagsabgeordneten unter falschen Namen E-Mails. Und bekommen keine einzige Antwort.

Die Verantwortlichen in Sachsen-Anhalt wissen das natürlich. In einer 1,9 Millionen Euro teuren Kampagne versucht die Landeszentrale für politische Bildung, die Menschen vom Wählen zu überzeugen. Es gab Plakate, Mitmach-Veranstaltungen, Diskussionsrunden (erfahren Sie in dieser Reportage von SZ-Korrespondent Cornelius Pollmer mehr über die Kampagne).

Doch der Grund, warum es am Sonntag eine etwas höhere Wahlbeteiligung geben könnte als sonst, könnte ausgerechnet die von den etablierten Parteien geschmähte Alternative für Deutschland sein. Rechtspopulistische Parteien wie sie schaffen es regelmäßig, auch notorische Nichtwähler zu Protestwählern zu machen.

2. Flüchtlinge - alles andere ist egal

Eigentlich hätten CDU-Ministerpräsident Reiner Haseloff und seine große Koalition durchaus einige Argumente, die den Wahlkampf für sie angenehm gestalten könnten. Sachsen-Anhalt hat sich nämlich seit 2011 in vielen Punkten positiv entwickelt. Die Arbeitslosigkeit, die hier in den schlimmsten Jahren mehr als 20 Prozent der Menschen betraf, ist auf zehn Prozent gesunken. Langsam scheint sich auch ein anderer fataler Trend zu drehen. Jahrelang liefen Sachsen-Anhalt nämlich die Einwohner davon, vor allem junge, gut ausgebildete Menschen verließen ihre Heimat. Das hat sich in den vergangenen Jahren geändert, 2014 wies das Land erstmals seit der Wende einen leicht positiven Wanderungssaldo auf.

Das Problem ist nur: All das interessiert viele Wähler in Sachsen-Anhalt nicht. Sie kennen derzeit nur ein Thema, die Flüchtlingspolitik. Das nützt vor allem der Alternative für Deutschland, die in Sachsen-Anhalt so weit rechts auftritt wie sonst nur in Thüringen.

Das linke Lager - SPD, Linkspartei, Grüne - ließ sich davon nicht beirren. Anders als in anderen Bundesländern gab es hier keine Zugeständnisse an die viel besprochene ängstliche Mitte. Die Spitzenkandidaten Katrin Budde (SPD), Wulf Gallert (Linke) und Claudia Dalbert (Grüne) grenzten sich deutlich von der AfD und ihrer Ansicht ab, wonach Flüchtlinge nichts als Probleme bedeuten. Für ihren flüchtlingsfreundlichen Kurs wurden alle Parteien in den Umfragen abgestraft. Ministerpräsident Reiner Haseloff ging hingegen im Wahlkampf beizeiten auf Abstand zur Flüchtlingskanzlerin Angela Merkel, suchte die Nähe von CSU-Chef Horst Seehofer (wie, das beschreibt SZ-Korrespondent Cornelius Pollmer in diesem Bericht). Er sprach zum Beispiel von einer Obergrenze an Flüchtlingen, die sein Land vertragen könne, nämlich 12 000 Menschen pro Jahr.

Wem die Flüchtlingspolitik nützt - und schadet

3. Der Aufstieg der Rechtspopulisten

Die Alternative für Deutschland wird am 13. März wohl als Siegerin aus der Wahl hervorgehen. Bis zu 19 Prozent der Stimmen erhält sie in Umfragen, sie könnte damit drittstärkste Kraft werden, und es wäre der höchste Wert, den sie je in einer Wahl erreicht hat. Spitzenkandidat André Poggenburg gilt als enger Vertrauter des thüringischen AfD-Politikers Björn Höcke. Die Zeit beschreibt ihn in diesem lesenswerten Porträt als einen, der in einem Moment freundlich und im anderen Moment knallhart agiere. Zudem sei der Kleinunternehmer in einer Partei, die sich als Partei des kleinen Mannes inszeniere, eine der wenigen Spitzenfiguren, die tatsächlich selbst in diese Kategorie fielen.

Aber warum wählen Menschen diesen Mann und seine Partei? Die Frankfurter Allgemeine Zeitung nennt in diesem Artikel zehn Gründe - einige davon wenig schmeichelhaft für die Einwohner Sachsen-Anhalts. Die beschreibt der Autor als von Subventionen verwöhnt, unselbstständig, maulig, undankbar, desinteressiert und in politischen Fragen ungebildet. Das Land selbst sei halt eine strukturschwache Gegend ohne nennenswerte Erfahrung mit anderen Kulturen, die viele, die einigermaßen Köpfchen und Perspektive hätten, fluchtartig verließen. Puh.

Nun ist Sachsen-Anhalt beileibe nicht das einzige Land, in dem die AfD Erfolge feiert (und feiern wird) - aber sie ist tatsächlich im wirtschaftlich schwächeren Osten der Republik beliebter als im Westen.

4. Die "Kenia-Koalition" könnte Premiere feiern

Die große Koalition, also ein Bündnis von Union und SPD geht immer. Diese Regel gilt womöglich nach den Landtagswahlen am 13. März nicht mehr, schreibt Heribert Prantl in diesem Artikel. Das könnte auch Folgen für Sachsen-Anhalt haben. Dort regiert seit 2011 eine große Koalition aus CDU und SPD, durchaus erfolgreich. Ministerpräsident Reiner Haseloff möchte die gerne fortsetzen. Auch die Mehrheit der Wähler will das Umfragen zufolge, und zwar mit ihm als Ministerpräsidenten. Er hat die höchsten Beliebtheitswerte aller Spitzenkandidaten.

Und doch könnte es am 13. März für eine Fortsetzung womöglich knapp werden. Das liegt vor allem an der Schwäche der SPD, der in jüngsten Umfragen nur noch 15 Prozent der Stimmen zugerechnet werden, während die CDU mit 31 Prozent nur leichte Verluste im Vergleich zu 2011 hinnehmen muss. Auch das von SPD-Spitzenkandidatin Katrin Budde favorisierte Bündnis aus SPD, Linkspartei und Grünen hätte den Umfragen zufolge keine Mehrheit. Da die FDP vermutlich an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern wird, bliebe nur ein bisher noch nie erprobtes Modell: die sogenannte Kenia-Koalition aus CDU, SPD und Grünen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: