Süddeutsche Zeitung

Landtagswahl in Rheinland-Pfalz: Kurt Beck:Große Pläne, kleine Stolperer

"Wir mögen ihn einfach": Seit 17 Jahren regiert "König Kurt" ungestört Rheinland-Pfalz, Skandale perlen an ihm ab, keiner widerspricht ihm mehr - und keiner fragt, wie lange er an der Macht bleiben will.

Detlef Esslinger

Zweimal hält Kurt Beck Einzug bei diesem Parteitag. Beim ersten Mal trägt er Hermelin und winkt aus einem Bollerwagen. Während er Richtung Halle gezogen wird, huldigen zwanzig, dreißig Mitläufer ihm mit Rufen: "König Kurt! König Kurt!" Der König ist natürlich ein Spaßvogel von der Jungen Union, mit Beck-Maske vor dem Gesicht. Der echte Beck betritt kurz nach zehn Uhr die Halle, wo Delegierte, Minister und Vorstände auf ihn gewartet haben. Sie erheben sich und begrüßen ihn mit rhythmischem Applaus. Beck strahlt von der Bühne herab, endlich tritt er ans Pult und sagt: "Bitte nehmt Platz." Und das Parteivolk nimmt sofort Platz.

König Kurt ist in Rheinland-Pfalz ein geflügeltes Wort geworden, ähnlich wie vor Jahren in Sachsen, am Ende der Ära Biedenkopf. Unfair an dem Vergleich ist, dass der Mainzer und der Dresdner Kurt grundverschiedene Persönlichkeiten sind. Nichts ist Beck so fremd wie der Snobismus, den der Amtskollege vor sich hertrug wie ein Zepter. Treffend ist der Vergleich, weil er eine Herrschaftsphase kennzeichnet, die so angenehm wie gefährlich ist. "Wir mögen ihn einfach", das ist ein Satz, den man auf diesem SPD-Landesparteitag, zehn Wochen vor der Wahl, oft hört - aber auch einen anderen: "Keiner widerspricht ihm mehr."

Seit 20 Jahren wird Rheinland-Pfalz von der SPD regiert, seit 17 Jahren von Kurt Beck. Er reklamiert für sich ein Wachstum, das ein Prozent über dem Bundesschnitt liege, eine Arbeitslosenquote von nur 5,4 Prozent und dass Rheinland-Pfalz das erste Bundesland sei, in dem der Kindergarten vom zweiten Lebensjahr an beitragsfrei sei. In den nächsten Jahren will er in der Grundschule die Klassengröße auf 24 Kinder senken, Schulbusse sollen kostenlos sein. Wieder rhythmischer Beifall - wer wollte hier dagegen sein? "Wir werden diesen Weg wie in der Vergangenheit in finanziell verantwortlicher Weise gehen", sagt Beck.

Ein Parteitag vor der Wahl ist vermutlich nicht dazu da, Fragen zu stellen, die dringend mal erörtert werden müssten - weshalb in Mainz am Vortag der Rechnungshof diese Aufgabe übernommen hat. Er wies darauf hin, dass in Rheinland-Pfalz die Pro-Kopf-Verschuldung um mehr als 27 Prozent über dem Schnitt der Flächenländer liegt; und über die Art, in der Beck in seiner Heimatstadt Bad Bergzabern ein Schlosshotel bauen lässt, sagten die Prüfer: "Alle Sicherungen wurden aus dem Kasten gezogen."

Das Hotel ist inzwischen Teil einer Liste von "Skandalen", die der Regierung Beck von der Opposition attestiert werden; weiter gehören dazu der finanziell vermutlich desaströse Erlebnispark am Nürburgring und eine verfassungswidrige Ernennung des Präsidenten des Oberlandesgerichts. Wie immer man die Fälle gewichtet, sie sind typisch für Regierende, die sich in der Macht eingerichtet haben und für ungefährdet halten. Beck spricht auf dem Parteitag lange über Skandale - über den bei der CDU-Fraktion und den mit dem Dioxin. Das Krisenmanagement des Berliner Landwirtschaftsministeriums nennt er "unterirdisch". Skandale seiner eigenen Regierung hingegen? "Kleine Stolperer."

"Das entscheidet er ganz allein"

In drei Wochen wird Beck 62 Jahre alt, er erreicht während der nächsten Wahlperiode also die Altersgrenze, eigentlich. Trotzdem stellt niemand in Rheinland-Pfalz, auch die Opposition nicht, die naheliegende Frage: Will er überhaupt noch bis 2016 im Amt bleiben - oder zur Halbzeit den Nachfolger installieren? Als Kandidaten gelten Wirtschaftsminister Hendrik Hering und Innen-Staatssekretär Roger Lewentz. Aber Beck wirkt überhaupt nicht müde, den Höllenritt als SPD-Vorsitzender hat er glänzend überwunden. Übers Aufhören redet er auch intern nicht. Einer aus dem Kabinett sagt: "Das entscheidet er ganz allein." Dass auch die Wähler hier mitreden könnten, am 27.März, so etwas ist in der SPD Rheinland-Pfalz unvorstellbar.

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SZ vom 17.01.2011/juwe
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