Landtagswahl:Vom Schulz-Hype bleibt nur die Erinnerung

Doch das heißt nicht, dass die Union die Bundestagswahl schon gewonnen hat.

Kommentar von Heribert Prantl

Vor zehn Wochen wäre die Wahl in Nordrhein-Westfalen noch ganz anders ausgegangen. Deutschland war im Schulz-Hype, und Martin Schulz war das Wunder aus Würselen. Die SPD in NRW lag auf einmal um zehn Prozentpunkte vor der CDU. Das hat sich sehr gelegt. Die SPD lag am Wahlsonntag nicht mehr deutlich vor der CDU, sondern deutlich dahinter.

Am 24. September, am Abend der Bundestagswahl, wird man vielleicht sagen, dass Schulz zu spät kam, um die Kampagne der SPD in der gesamten Republik noch gut auf sich einzustellen. Für die Landtagswahl in NRW dagegen kam die Nominierung von Schulz zu früh. Der Hype, den seine Kür zum SPD-Spitzenmann ausgelöst hatte, war bei der Wahl schon lang zu Ende. Für Schulz gilt hier der Satz: Wer zu früh kommt, ist auch unpünktlich.

Diese Unpünktlichkeit von Martin Schulz ist das Glück des Armin Laschet. Seine CDU konnte das Fiasko hinter sich lassen, das sie vor fünf Jahren mit dem damaligen Spitzenkandidaten Norbert Röttgen erlitt. Der hatte im Wahlkampf von 2012 fast alles falsch gemacht; diesmal hat Armin Laschet fast alles richtig gemacht.

Anders als Julia Klöckner, die CDU-Spitzenkandidatin in Rheinland-Pfalz, die sich vor einem Jahr im Wahlkampf von der Flüchtlingspolitik der Kanzlerin absetzte und dann der SPD überraschend unterlag, blieb Laschet bei sich und bei Merkel. Er hatte damit Erfolg. Die rot-grüne Regierung der Hannelore Kraft in NRW ist krachend abgewählt worden; Kraft ist von ihren Parteiämtern zurückgetreten. Die Grünen wurden vom Wähler halbiert.

Vor zehn Wochen wäre die Wahl völlig anders ausgegangen

Vom Schulz-Hype bleibt nach diesem Wahltag vorerst nur die Erinnerung. Ein paar Wochen lang blitzte auf, was in der SPD stecken kann. Die SPD hat erfahren, dass der Verliererstempel nicht mit schicksalhafter Macht auf sie einhämmert. Und sie hat erlebt, wie schnell Abneigung und Zuneigung wechseln können.

Es ist ein Kennzeichen der webgestützten Moderne, dass Wähler magnetisch angezogen werden vom Spektakel, das um Personen und Parteien gemacht wird; die Wähler sind aber auch schnell wieder gelangweilt. Die Aufmerksamkeit, die das wechselnde Schicksal der Schulz-SPD auf sich zieht, reicht aber noch, um die Überaufmerksamkeit, die sich drei Jahre lang auf die AfD richtete, wieder abzuziehen.

NRW erlaubt einen Blick in die deutsche Zukunft

Es wird gern gesagt, bei der Landtagswahl in NRW handele es sich um eine kleine Bundestagswahl. Das stimmt nicht nur wegen der 13 Millionen Wähler; das stimmt auch, weil die Hin- und Hergerissenheit der Wähler, wie es sie deutschlandweit gibt, in diesem Land besonders stark ist. In NRW hat die Hin- und Hergerissenheit besondere Gründe: Das Land lebt seit dem langen Abschied von Kohle und Stahl zwischen Schwermut und Leichtsinn. Zwar ist heute der Himmel über der Ruhr blau, aber es fehlt dem Land das alte Feuer und der gestählte Optimismus.

Das spiegelt sich in der Politik und in den Wahlergebnissen: Das Land ist nicht nur hin- und hergerissen zwischen verklärter Vergangenheit und unklarer Zukunft, sondern auch zwischen SPD und CDU. Die Balken mit den Parteifarben fahren an Wahlabenden in NRW noch heftiger nach oben und unten als anderswo.

Auf bundesdeutscher Ebene ist das Hin und Her nicht so extrem wie an Rhein und Ruhr, aber doch deutlich spürbar. Einerseits sind die Deutschen politisch unzufrieden. Sie sehnen sich nach Belebung, sei es durch eine Person oder eine Partei; der wieder abgeebbte Schulz-Hype hat das wunderbar gezeigt. Andererseits gibt es den Wunsch nach Stabilität und Verlässlichkeit, nach einer Regierung, an die man sich in Zeiten globaler Turbulenzen halten kann.

Derzeit überwiegt in Deutschland das zweite Gefühl. In bedrohlicher internationaler Lage hält sich der Wähler gern an das einigermaßen Bewährte - also an Merkel. Aber darauf ist so wenig Verlass wie auf die internationale Lage. Wenn auf etwas Verlass ist in jüngerer Zeit, dann darauf, dass sich die Dinge sehr schnell ändern können. Dies an die Adresse der Union, wenn sie glaubt, nun sei die Bundestagswahl gewonnen.

Bei der letzten NRW-Wahl galt der kometenhafte Erfolg der Piraten als Indiz dafür, dass man sich ans Wachsen neuer Parteien gewöhnen müsse; die Piraten wurden bestaunt als Protagonisten des neuen Zeitalters. Die Erfolge hatte aber dann die AfD; sie fischte nicht im Netz, sondern mit einem Netz, das braune Maschen hat. Fünf Jahre später ist nun die Wahl in NRW ein Beleg dafür, dass neue Parteien auch wieder sterben können - und halbtote alte wieder erwachen. Es zeigt sich nämlich: Die Piraten verschwinden, und die Bäume der AfD wachsen nicht mehr in den Himmel. Dafür steht die FDP in schönster Lindner-Blüte. NRW erlaubt einen Blick in die deutsche Zukunft.

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