Landtagswahl in NRW:Liebesheirat ausgeschlossen

In Nordrhein-Westfalen balzen die Parteien: Rot und Grün geben ein abgeklärtes Paar, CDU und FDP gehen auf Distanz zueinander. Am Ende könnte es eine große Hochzeit geben.

Johannes Nitschmann

Mit einem Sack voller Sägespäne gratulierte SPD-Spitzenkandidatin Hannelore Kraft jüngst den nordrhein-westfälischen Grünen zu deren 30. Partei-Geburtstag. "Das sind die Reste der zersägten Dachlatte von Holger Börner", juxte Kraft unter dem johlenden Gelächter der feiernden Ökopartei. Im Gegensatz zum einstigen hessischen SPD-Regierungschef Börner, der die Grünen Anfang der 80er Jahre mit Gewalt und notfalls mit der Dachlatte von der Macht fernzuhalten versuchte, ist Rot-Grün für die Landeschefin der NRW-SPD nach der Landtagswahl am 9. Mai die Wunschoption.

Hannelore Kraft, Sylvia Löhrmann, NRW, Landtagswahl, Rot-Grün; ddp

SPD-Spitzenkandidatin Hannelore Kraft (links), potentielle Grünen-Koalitionspartnerin Sylvia Löhrmann: Die beiden Frontfrauen verbindet eine vertrauensvolle Zusammenarbeit.

(Foto: Foto: ddp)

Bei der letzten Wahl an Rhein und Ruhr 2005 war die rot-grüne Landesregierung, die nach zehnjähriger Amtszeit im Ruf einer "Krach- und Krisenkoalition" stand, abgewählt worden. Deshalb versuchen die Spitzen von SPD und Grünen im Vorfeld der kommenden Landtagswahl, mit einer Verklärung des "rot-grünen Projekts" aufzuräumen.

"Rein pragmatische Zusammenarbeit"

"Ich will kein Projekt, sondern eine stabile Verantwortungsgemeinschaft", sagt Kraft in ihren Wahlkampfreden. Ihre potentielle Regierungspartnerin, die grüne Spitzenkandidatin Sylvia Löhrmann, sekundiert: "Ich habe Rot-Grün nie zu einem Projekt überhöht, für mich war das immer nur eine rein pragmatische Zusammenarbeit."

Die beiden rot-grünen Frontfrauen verbindet seit Jahren eine enge, vertrauensvolle Zusammenarbeit in der Opposition des Düsseldorfer Landtags. Nach der Wahl wollen Kraft und Löhrmann, die sich höflich siezen, die neue Landesregierung anführen. Doch nach den aktuellen Umfragen haben in dem bevölkerungsreichsten Bundesland derzeit weder Rot-Grün (44 Prozent) noch Schwarz-Gelb (46 Prozent) eine Mehrheit. Der amtierenden CDU/FDP-Landesregierung droht am 9. Mai die Abwahl.

"Taugt nicht mehr"

Längst geht Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) zu seinem Koalitionspartner auf Distanz. Er mache Politik für alle Menschen "und nicht nur für zehn Prozent", lästert Rüttgers im Wahlkampf über die Liberalen. Selbst von dem geltenden Koalitionsvertrag, der die Überschrift "Privat vor Staat" trägt, rückt der Regierungschef ab. Die Devise "Privat vor Staat" sei "zu einseitig" und "taugt für die Zukunft nicht mehr".

Die FDP-Führung, die mit Rüttgers fünf Jahre geräuschlos kooperiert hat, ist über den Liebesentzug entsetzt. "Befremdlich" nennt FDP-Fraktionschef Gerhard Papke die Wahlkampfrhetorik des Koalitionspartners und sieht eine Annäherung der CDU an die Grünen.

Die Ökopartei hält sich ein Bündnis mit der CDU ebenso offen wie mit der Linkspartei. "Wer mit Wolfgang Clement und Peer Steinbrück regiert hat, muss keine Angst mehr vor Koalitionen haben", sagt der Fraktions-Vize der Landtags-Grünen, Reiner Priggen. Der Duz-Freund von Integrationsminister Armin Laschet (CDU) gilt als Befürworter einer schwarz-grünen Regierung in Düsseldorf. Zugleich unterhält der Pragmatiker Priggen auch Gesprächskontakte mit Spitzenpolitikern der Linkspartei.

Kraft in Rage

Bei der SPD-Führung gelten Kontakte zur Linkspartei als Tabu. Als ein Geheimtreffen von deren Landespartei-Vize Jochen Ott mit Linken-Chefin Katharina Schwabedissen publik wurde, geriet SPD-Spitzenkandidatin Kraft in Rage. Für Kraft ist die sich in NRW besonders radikal gebärdende Linkspartei "weder regierungs- noch koaltionsfähig".

Ihrem Schattenminister für Arbeit und Soziales, DGB-Landeschef Guntram Schneider, werden dagegen gute persönliche Beziehungen zu den Linken nachgesagt. Doch koalieren will Schneider mit den Linken auch nicht. Falls es für Rot-Grün nicht reicht, favorisiert der SPD-Schattenminister eine Ampelkoalition mit FDP und Grünen. Schneider baut dabei auf FDP-Landeschef Andreas Pinkwart, dessen innovative Arbeit als Hochschul- und Wissenschaftsminister er schätzt.

Zwar haben die Grünen eine Ampelkoalition nicht ausgeschlossen, doch deren Fraktions-Vize Priggen sieht für ein solches Regierungsbündnis keine wirkliche Chance. Wenn es für Rot-Grün nicht reiche, prognostiziert Priggen, "dann führt Kraft die SPD in eine große Koalition unter Rüttgers".

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