Landtagswahl:Armin Laschet - der unterschätzte Angreifer

Armin Laschet stellt sich Fragen der Bürger

"Das ist nicht seriös" lautet einer von Armin Laschets Lieblingssätzen. Manche Parteikollegen aus der CDU wollen, dass ihr Spitzenkandidat in Nordrhein-Westfalen Kante zeigt.

(Foto: Rolf Vennenbernd/dpa)

Freundlich, klug, differenziert - aber hat er die nötige Härte? Vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen feilt der CDU-Spitzenkandidat an seinem Profil.

Von Jan Bielicki, Mülheim an der Ruhr

Die Konkurrenz ist schon da, als der Bus mit dem übergroßen Konterfei des CDU-Spitzenkandidaten Armin Laschet vor dem Edeka-Supermarkt im Mülheimer Stadtteil Broich zum Stehen kommt. "Wir haben unseren Stand regelmäßig hier", sagt Cem Aydemir.

Der Chef des SPD-Ortsvereins steht unter einem roten Parteisonnenschirm und blickt auf ein gutes Dutzend Christdemokraten, die zehn Meter weiter versuchen, Flyer und Kugelschreiber an die wenigen Nachmittagspassanten zu bringen und ihrem Spitzenkandidaten eine schöne Straßenwahlkampf-Kulisse zu bieten.

Armin Laschet ist gekommen, weil dieser Wahlkreis der Frau gehört, deren Amt er gerade anstrebt: Hannelore Kraft hat hier vor fünf Jahren fast 60 Prozent geholt, und wer Ministerpräsident werden will, muss sich dorthin trauen, wo die Amtsinhaberin stark ist.

Also geht der CDU-Mann hinüber zum SPD-Stand, man grüßt sich freundlich, aber als Aydemir die gute Zusammenarbeit beider Parteien in der örtlichen Bezirksvertretung anspricht, wird es Laschet doch unheimlich: "Das ist im Landtag ganz anders", sagt er. Er weiß wohl, was Wahlkampf von einem Oppositionsführer verlangt: Angriff, nicht Harmonie.

Bei seinem Fernseh-Auftritt will Laschet beweisen, dass er auch angreifen kann

Dass er zu freundlich ist, zu wenig angreift und es darum bei der Wahl am 14. Mai nicht schaffen wird, die SPD-Ministerpräsidentin zu stürzen - solche Vorwürfe hat Laschet ja oft hören und lesen müssen, geäußert gerne auch hinter vorgehaltener Hand in der eigenen Partei.

Als er der Ministerpräsidentin am Dienstagabend der vergangenen Woche in den Fernsehstudios des WDR in Köln-Bocklemünd gegenübersteht, setzt er sein strengstes Gesicht auf, die Stirn in Falten, der Mund schmal. Und er greift an: "Ihr Minister hat nicht gehandelt, Sie halten an ihm fest, Sie finden ihn großartig. Wir finden, dass er zum Sicherheitsrisiko geworden ist", attackiert er Krafts Innenminister Ralf Jäger und dessen Rolle im Fall des Terroristen Anis Amri.

Jägers Rücktritt fordert er nicht, über den Innenminister solle der Wähler entscheiden. Das ist scharf und doch elegant, nachdem Laschet zuvor den Fall ohne viel Rücksicht auf dessen Verästelungen auf den simplen Vorwurf verkürzt hatte, dass "Herr Amri" im Land "mit 14 Identitäten herumlaufen durfte".

Seine Partei unterschätzt ihn noch immer als Merkels Knappe

Solche arg schlichten Botschaften sind sonst nicht seine Sache. Dafür ist er zu klug. Aber sie sollen wohl zeigen, dass er auch die Grätsche kann. In Bedrängnis bringt er Kraft an diesem TV-Abend damit zwar nicht, aber sie ihn umgekehrt genauso wenig.

Mag auch in einer Umfrage des Kölner Stadtanzeigers eine deutliche Mehrheit die Ministerpräsidentin als Siegerin sehen, das Duell endet unentschieden. Für Laschet ein Erfolg - dass er gegen die erfahrene Wahlkämpferin Kraft bestehen könnte, hatten nur wenige erwartet.

Da mag der 56-Jährige Vorsitzender des mächtigsten CDU-Landesverbandes sein, Vize der Bundespartei, Fraktionschef im Landtag - immer noch wird er sogar in der eigenen Partei als Leichtgewicht unterschätzt, als treuer Knappe und Stimme der Kanzlerin, als Mann für die weichen Themen.

Für Generationen, Jugend, Frauen, das, was der SPD-Kanzler Gerhard Schröder "Gedöns" genannt hat, war er bis 2010 als Minister einer schwarz-gelben Landesregierung zuständig. Aber auch für das damals weiche, heute harte Thema Integration.

Er strebt den Aufstieg an, auch wenn sein Machtdrang kaum erkennbar ist

Und hier war es gerade der Mann aus Aachens katholischer Jugendbewegung, der die CDU hin zu einer offenen Haltung gegenüber Einwanderern brachte. Als seine Konkurrentin Kraft die Vielfalt der Menschen im Lande lobt, die ungeachtet von Herkunft, Hautfarbe oder Religion alle Nordrhein-Westfalen seien, antwortet er nur ganz kurz: "Stimmt." Merkels CDU ist ganz wesentlich auch Laschets CDU.

Sein innerparteilicher Aufstieg zeigt auch: Sein Drang zur Macht mag in seinem runden Gesicht mit den netten Grübchen nicht sofort sichtbar sein, doch Durchhaltevermögen hat er. Niederlagen hat er einstecken müssen, als es um den Vorsitz in der Landespartei ging und den in der Fraktion. Doch er hielt durch, 2012 fiel ihm der eine, 2013 auch der andere zu.

In der CDU gibt es Leute, die sich zur Einwechslung Laschets bereit machen

"Glücklich ist, wer vergisst, was nicht mehr zu ändern ist" - diesen Satz aus Johann Strauß' Operette "Fledermaus" gibt der Schlagerkenner Laschet als sein Motto an. Damit meint er nicht die Klausuren, die er 2015 als Lehrbeauftragter an der Aachener Hochschule verschusterte und dann trotzdem benotete - eine peinliche Affäre, die seinen Ruf als etwas schlampiger Filou weiter verstärkte.

Aber der Spruch kann helfen, wenn Umfragewerte Achterbahn fahren oder Parteifreunde im fernen Berlin verbreiten, Rot-Grün in NRW zu besiegen sei so einfach wie ein Elfmeter, bergab und ohne Torwart - was der Spitzenkandidat als Hinweis darauf auffassen darf, dass es in der CDU Leute gibt, die sich schon zur Einwechslung bereit machen. Laschet ist dem konservativen Parteiflügel entgegengekommen und hat den Merkel-Kritiker Wolfgang Bosbach in sein Wahlkampfteam geholt.

Statt klare Kante zu zeigen, weicht Laschet noch aus.

Doch ohne Kanten läuft die Kampagne deswegen immer noch nicht. In Münster stellt Laschet vor, wer sich in seiner Mannschaft um "Heimat" und ländlichen Raum kümmern soll. Die Rede kommt auf die Ampelkoalition und darauf, ob er mit dem von der CDU harsch kritisierten Umweltminister Johannes Remmel von den Grünen zusammenarbeiten könnte.

Laschet antwortet länglich, dass er über das Personal anderer Parteien nicht rede. Da nimmt sich Karl-Josef Laumann, westfälische CDU-Ikone und Laschets Vorgänger an der Fraktionsspitze, das Wort: "Dat is' klar, dat wir die Bauern von dem Remmel befreien werden." Später im Bus wird Laschet angefrotzelt, da habe einer gezeigt, was klare Kante ist. Er ist ausnahmsweise hörbar genervt: "Ja, und danke auch dafür."

"Das ist nicht seriös", sagt er in diesem Wahlkampf öfter, ob es um Schattenkabinette geht oder um künftige Regierungsbündnisse. Klar ist: Persönlich kann er gut mit seiner Konkurrentin Kraft, eine große Koalition schließt er nicht aus: "Notfalls auch als Juniorpartner", sagt er, und verwerfen mag er auch die Möglichkeit nicht, als Minister in ein Kabinett Kraft einzutreten.

Einen Satz schließt er noch an: "Es ist aber mein Anspruch, Ministerpräsident zu werden." Das muss der Spitzenkandidat manchmal dazusagen.

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