Süddeutsche Zeitung

Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen:In NRW herrscht Damenwahl

Ministerpräsidentin Hannelore Kraft hat es nach zwei Jahren Minderheitsregierung nicht nur geschafft, das Phänomen der Linkspartei fast vollständig zu beerdigen. Es scheint auch gewiss, dass sie sich nach der Landtagswahl ihren Koalitionspartner aussuchen kann. CDU-Herausforderer Norbert Röttgen kämpft nicht mehr um das Amt des Regierungschefs. Er kämpft mit sich und seiner Zukunft.

Bernd Dörries, Düsseldorf

Als sich Mitte März der Landtag in Düsseldorf auflöste, da standen ein paar Leute der rot-grünen Minderheitsregierung auf den Fluren des Landtags und witzelten herum. "Warum am Muttertag einen Landesvater wählen", haben sie sich damals als Wahlslogan ausgedacht. Plakatiert wurde der Spruch nicht, aber einen Landesvater wird es auch nach der Wahl am Muttertag nicht geben, zu weit vorne liegt Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) in den Umfragen.

Das Duell zwischen ihr und dem CDU-Herausforderer Norbert Röttgen ist eine ziemlich klare Sache; der Bundesumweltminister hat das Kunststück fertiggebracht, das bisher schlechteste CDU-Wahlergebnis von 2010 in den letzten Wahltrends noch einmal deutlich zu unterbieten. Das muss man auch erst einmal schaffen.

Röttgen kämpft nicht mehr um das Amt des Regierungschefs, er kämpft mit sich und um seine Zukunft. Er wollte nur CDU-Landesvorsitzender werden in Nordrhein-Westfalen, aber ansonsten nicht viel zu tun haben mit dem Land und mit der Provinz, es sollte eine Durchgangsstation werden auf dem Weg zum Bundeskanzleramt. Dann kamen die Neuwahlen, und jetzt könnten seine Ambitionen in einer Sackgasse enden.

Wenn man mit Leuten aus der CDU spricht, ist es erstaunlich, wie groß der Hass ist auf diesen Mann, dreißig Prozent, sagen manche, das sei die Marke, unter die er nicht fallen darf. Nur eine große Koalition könne ihn retten, glauben die anderen. Man kann in diesen Tagen leicht vergessen, dass im bevölkerungsreichsten Bundesland eine Regierung gewählt wird - und keine Abstimmung läuft über die Zukunft des Bundesumweltministers.

Hochkarätig besetzter Wahlkampf

Es war ein seltsamer Wahlkampf, der da geboten wurde in diesem großen Land, mit ganz kleinen Themen. Dabei hätte es doch anders kommen können, es hat in den vergangenen Jahren schließlich keine Landtagswahl gegeben, die so hochkarätig besetzt war, was das Personal angeht: Hannelore Kraft, Norbert Röttgen und Christian Lindner. Man hätte die großen Themen im Kleinen besprechen können: die Verschuldungsproblematik und die Energiewende. Gelungen ist das nicht wirklich. Bei Oberbürgermeisterwahlen sagt man ja immer, sie seien Persönlichkeitswahlen, bei denen es nicht auf die Partei ankommt. Für diesen Landtagswahlkampf kann das auch gelten.

In Nordrhein-Westfalen geht zumindest eine Zeit zu Ende, die ein interessantes politisches Experiment war, das am Ende aber auch deutlich machte, dass das fragile Bündnis einer Minderheitsregierung kein Dauerzustand ist für ein so großes Land. In den Umfragen sieht es derzeit so aus, als bekäme Rot-Grün eine eigene Mehrheit, die SPD liegt um die 38 Prozent, die Grünen liegen um die zwölf. Vor allem die Sozialdemokraten haben aber bei den vergangenen Wahlen erleben müssen, dass die Wahlforscher sie stets besser einordneten, als es die Wähler an den Urnen letztlich taten.

Sollte es doch nicht reichen für die bisherige Koalition, steuert Nordrhein-Westfalen aller Wahrscheinlichkeit nach auf eine große Koalition zu. Die Strategen der Berliner Parteizentralen von SPD und den Liberalen könnten sich auch eine Ampel ganz gut vorstellen, Grüne und FDP im Land haben das aber schon weitgehend ausgeschlossen. Im Jahr 2010 wurde hier bereits jede mögliche Koalition durchleuchtet, nach den Sondierungen zwischen Grünen und der FDP konnte man Menschen aus beiden Parteien gemeinsam fröhlich Bier trinken sehen. Sie feierten, dass sie es nicht probieren müssen zusammen.

Die Grünen hatten sich vor der vergangenen Wahl nach einem Bündnis mit der CDU gesehnt, zu dem dann nur ein paar tausend Stimmen fehlten, nun sind sie an die Sozialdemokraten gekettet und hoffen, nicht wieder der Verlierer zu sein in dieser Konstellation, wie schon so oft. Und selbst wenn es eine gemeinsame Mehrheit gibt, werden sie es mit einer anderen, deutlich selbstbewussteren SPD zu tun bekommen.

Der Linkspartei fehlt der Protest

Die hat es in den vergangenen zwei Jahren recht unaufgeregt geschafft, das Phänomen der Linken fast vollständig zu beerdigen. Die Partei kommt in Umfragen derzeit höchstens auf vier Prozent, der Wahltag wird für sie eine Wegmarke sein, der Anfang vom Ende im Westen. Hannelore Kraft hat einen ehemaligen DGB-Mann zum Arbeitsminister gemacht und die Mitbestimmung gestärkt. Die Kluft und die Entfremdung zu den Gewerkschaften gibt es nicht mehr. Vor allem aber geht es dem Land derzeit einfach zu gut, aus Sicht der Linken zumindest. Der Ärger über Hartz IV, der die Wähler 2010 zur Linken trieb, hält sich in Grenzen, weil so viele Menschen Arbeit haben. Die Linke ist eine Protestpartei, der der Protest fehlt.

Der ist weitergewandert zu den Piraten, aber es wird sich erst zeigen, ob er da an der richtigen Stelle sitzt. Deren Spitzenkandidat Joachim Paul ist ein sehr vernünftiger und bescheidener Mann, inhaltlich ist er oft wie ein Grüner mit Internetanschluss. Bei etwa acht Prozent liegen die Piraten derzeit, ihr Spitzenkandidat Paul sagt überall, wo er hinkommt, demütig, die erste Legislatur sei für seine Leute eine Zeit des Lernens.

Im Parlament wird dann wahrscheinlich auch Christian Lindner sitzen, er war in Düsseldorf einst der jüngste Abgeordnete, jetzt wird er mit 33 Jahren wohl der jüngste Fraktionschef. Bei um die sechs Prozent verorten die Meinungsforscher die FDP derzeit. Lindners Einzug sehen viele bei den Liberalen als die vorläufige Rettung der ganzen Partei. Sie fragen sich aber auch, wie lange es Lindner aushalten wird in der Landespolitik, die auch im bevölkerungsreichsten Bundesland manchmal etwas provinziell ist.

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SZ vom 12.05.2012/mkoh
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