Landtagswahl in Niedersachsen:Die Blaupause kommt aus der Provinz

Landtag Niedersachsen

Siegerlächeln: Stephan Weil, neuer Ministerpräsident Niedersachens, ist kein Mann großer Gesten.

(Foto: dpa)

Chancengleichheit, Energiewende, Integration: Berlin kann sich ziemlich viel abgucken von Niedersachsen, findet SPD-Parteichef Sigmar Gabriel. Stephan Weil feiert seine Wahl zum Ministerpräsidenten hingegen leiser, kleiner - und widmet sich als Erstes demjenigen, dessen Verlust am größten ist.

Von Jens Schneider

Wenn Stephan Weil sich freut, als Politiker, dann geschieht das stets leise. Still, ohne große Gesten. Versucht er sich an Gewinnerposen, selbst an kleinen, sieht er dabei unbeholfen aus. Der Sozialdemokrat aus Hannover weiß das selbst, er ist da mit sich im Reinen.

Da mochte sein knapper Sieg bei der Landtagswahl am 20. Januar noch so spektakulär sein, Weil zog sich bald aus dem Trubel seiner ausgelassenen Genossen zurück. Auch an diesem Dienstag nimmt er den Moment nur mit einem kurzen Lächeln auf, als er es dann endgültig geschafft hat. Ohne große Aufregung, gleich im ersten Wahlgang ist der bisherige Oberbürgermeister von Hannover zum neuen Ministerpräsidenten von Niedersachsen gewählt worden. Weil erhielt genau so viele Stimmen, wie sein rot-grünes Lager im Landtag zu Hannover Sitze hat.

So sehr herbeigesehnt, so unspektakulär vollzogen

Selten wohl ist ein Regierungswechsel, der von den Siegern nach einem Jahrzehnt in der Opposition so sehr herbeigesehnt wurde, so unspektakulär vollzogen worden. Die Randgeräusche, vor allem die aus Berlin, müssen Weil dabei schon ziemlich komisch vorkommen. Man hört, dass er sich in vertrauten Kreisen zuweilen leise amüsiert. Denn seit seinem Wahlsieg wird sein ruhiger, spröder Still plötzlich gepriesen. Aus der Unbeholfenheit im Auftritt ist eine sympathische, gewinnende Art geworden - in den Augen mancher Kommentatoren, aber offenbar auch für Parteifreunde in Berlin, die Weils Erfolg plötzlich zum Symbol für die Bundestagswahl im Herbst stilisieren wollen.

Er aber wird noch gut wissen, wie argwöhnisch die Parteispitze im Wahlkampf aus Berlin nach Niedersachsen blickte. Groß war die Sorge, dass Weil den sicher geglaubten Sieg verspielen könnte, weil er auf einen behutsamen Stil setzte und derbe Angriffe gegen die bisherige schwarz-gelbe Regierung von David McAllister vermied.

Hannover als Vorbild für Berlin

Im Rückblick auf diesen Wahlkampf sagte Bernd Busemann, der neue Landtagspräsident und bisherige Justizminister, am Dienstagvormittag in seiner kurzen Antrittsrede, es sei der fairste gewesen, den er in vielen Jahren erlebte. Die Wahl des Christdemokraten Busemann wurde aufmerksam verfolgt, weil er erst vor wenigen Wochen mit Alkohol am Steuer erwischt worden. Es gab deshalb Vorbehalte, aber Busemann wurde, bei wenigen Gegenstimmen und Enthaltungen, gewählt. Er dankte "für ein gutes Stück Vertrauensschuss".

Danach war die Wahl des neuen Ministerpräsidenten beinahe weniger aufregend. Gegen Mittag war alles erledigt. Und der SPD-Bundesvorsitzende Sigmar Gabriel ließ im Landtag gleich ein Schreiben verteilen, das den Erfolg von Hannover zur Blaupause erklärte. "Euer (rot-grüner) Koalitionsvertrag skizziert den Politikwechsel, für den wir auch auf Bundesebene gemeinsam kämpfen wollen", schrieb Gabriel. Der Parteichef zählte auf, was Hannover für Berlin nun vorgebe: eine chancengerechte Bildungspolitik ohne Studiengebühren, dazu eine Energiewende, die diese Bezeichnung verdiene, und eine wertegebundene Gesellschaftspolitik, die Teilhabe, Integration und Gleichstellung verwirkliche.

"Engagement und Kampfesgeist im Norden"

SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück dankte Weil dazu für einen Rückenwind, den er seinem Parteifreund nicht hatte bieten können. "Euer Engagement und euer Kampfesgeist im Norden haben alle Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten im ganzen Land motiviert und bestärkt: Schwarz-Gelb gehört auch im Bund abgewählt", schrieb er an Weil.

Der Ministerpräsident hielt sich derweil an seine Devise, dass es auch leiser und kleiner geht. In seiner Regierungserklärung widmete er sich erst mal seinem Vorgänger McAllister, der schwer an der Wahlniederlage zu knapsen hat. "Ich wünsche Ihnen persönlich alles Gute", sagte Weil. Er könne sich vorstellen, dass der knappe Wahlausgang "nicht leicht zu verkraften ist für diejenigen, die am Ende am kürzeren Ende gesessen haben".

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: