Wahlanalyse:Diesmal gewinnen nur die Demokraten

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Bei beiden Wahlen ist die Beteiligung deutlich gesunken - die AfD trauert den "günstigen" Rahmenbedingungen von 2016 nach.

Von Detlef Esslinger, München

Christian Baldauf haderte, aber er versuchte, sich abzufinden mit der Lage, es war ja nichts mehr zu ändern daran. "Die Wahlbeteiligung ist, wie sie ist", sagte der Spitzenkandidat der CDU in Rheinland-Pfalz, zudem spielte er auf die Maskenaffäre an: "Und Leute haben ihr Kreuz nicht bei uns gemacht."

In der Tat ist die Wahlbeteiligung einer der Gründe, die man heranziehen kann, wenn man seine Niederlage erklären will: mit der Schuld anderer, mit ungünstigen Umständen und so weiter. Sie war am Sonntag in beiden Bundesländern gefallen, von jeweils gut 70 Prozent vor fünf Jahren auf 63,8 Prozent in Baden-Württemberg und 64,4 Prozent in Baldaufs Rheinland-Pfalz. Nachdem die Bundesregierung vor sechs Jahren eine Million Flüchtlinge ins Land gelassen hatte, polarisierte und mobilisierte dies die Deutschen. Viel mehr als sonst nutzten sie damals ihr Stimmrecht, nun scheint die Beteiligung wieder auf das übliche Niveau zu sinken.

Die Kunst bestand also darin, so viele der damaligen Wählerinnen und Wähler wie möglich zu halten, denn die niedrigere Beteiligung hatte zur Folge, dass die meisten Kandidaten nun Wähler verloren - selbst der triumphierende Kretschmann, selbst die glückliche Dreyer. Baden-Württembergs Grüne büßten 37 000 Stimmen ein, was aber bei einer Gesamtzahl von knapp 1,6 Millionen verschmerzbar war. Die rheinland-pfälzische SPD verlor sogar 80 000 Stimmen. Trotzdem blieb sie mit ihren verbliebenen 691 000 Stimmen deutlich vor der CDU: Auf 535 000 Stimmen kam diese noch, ein Rückgang um mehr als 140 000 bedeutete dies. In beiden Bundesländern musste die CDU den Verlust von fast jeder fünften Stimme hinnehmen.

Wohin verschwand ihre Wählerschaft? Die Meinungsforscher von Infratest-dimap versuchen bei jeder Wahl, Wählerwanderungen zu rekonstruieren. In beiden Bundesländern hat die CDU an fast alle Parteien verloren - mit der Besonderheit, dass sie in Baden-Württemberg ebenso viele Wähler an die Grünen abgegeben wie von der AfD gewonnen hat, jeweils 70 000. Die meisten derjenigen jedoch, die der CDU abtrünnig wurden, entschieden sich nun für gar keine Partei: In Rheinland-Pfalz wurden 43 000 CDU-Wähler zu Nichtwählern, in Baden-Württemberg 80 000.

Wer profitierte von Enttäuschungen?

Was NRW für die SPD ist, das scheint Baden-Württemberg mittlerweile für die CDU zu sein: ein ehemaliges Stammland, zumindest, was die Landespolitik betrifft. Seit 2011 hat die CDU bei Landtagswahlen fast die Hälfte ihrer Wählerinnen und Wähler verloren. Von 1,9 Millionen auf 1,1 Millionen Stimmen ist sie gefallen.

Interessant ist, wer diesmal von Enttäuschungen profitierte. Vor allem nach den Migrationsdebatten war dies in besonderem Maße noch die AfD. Sie hatte damals Hunderttausende von Nichtwählern aktiviert, in Mainz trauerte ihr rheinland-pfälzischer Spitzenkandidat Michael Frisch am Sonntag den "außerordentlich günstigen Rahmenbedingungen" von 2016 nach. Aber gegen ein Virus lässt sich offensichtlich nicht so leicht mobil machen wie gegen Syrer. In Rheinland-Pfalz verlor die AfD fast jede dritte, in Baden-Württemberg sogar fast jede zweite Stimme. In Stuttgart bildet sie künftig die kleinste der fünf Landtagsfraktionen.

In weniger oder zumindest auf andere Art aufgewühlten Zeiten sind es offensichtlich Parteien mit unzweifelhafter Bodenhaftung im Grundgesetz, die von Enttäuschungen profitieren und denen die Leute eine Chance geben. In Baden-Württemberg war die FDP die einzige Landtagspartei, die Stimmen hinzugewann (fast 63 000). Außerdem legten die Linke, die "Partei", die Freien Wähler und die Klimaliste Baden-Württemberg zu; dennoch reichte es bei keinem Anwärter für den Einzug in den Landtag.

In Rheinland-Pfalz konnten nur die Grünen und die Freien Wähler wirklich zusätzliche Stimmen mobilisieren. Letztere waren dort in den Kommunen schon immer stark; ihr natürliches Reservoir ist vor allem auch jenes von CDU und FDP. Insgesamt 26 000 Stimmen zogen sie laut Infratest-dimap von den beiden Parteien ab. Die FDP hätte das fast den Wiedereinzug in den Landtag gekostet.

Was heißt dies alles für die Bundestagswahl im September? Dort spielen erfahrungsgemäß tiefer liegende Grundüberzeugungen eine größere Rolle als bei Landtagswahlen - weshalb für die CDU in beiden Ländern noch Hoffnung besteht, besser abzuschneiden als am Sonntag. Die Forschungsgruppe Wahlen fragte nach. In Rheinland-Pfalz sortierten die Befragten die Landes-CDU auf einer Skala von -5 bis +5 bei 0,8 ein, der Bundes-CDU gaben sie den Wert 1,2. Die Baden-Württemberger vergaben die Werte 0,7 und 1,1. Mit anderen Worten: Da geht noch was. Aber die Partei wird sich anstrengen müssen.

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