Landtagswahl:Hessisches Roulette

In Hessen wird gewählt - und selten waren so viele Koalitionsoptionen am Tisch. Kann Bouffier Ministerpräsident bleiben? Oder kommt ein Konkurrent zum Zug? Die Kandidaten im Überblick.

Von Juri Auel

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Volker Bouffier, 66, CDU Der amtierende Ministerpräsident gab sich früher als harter Hund, inzwischen inszeniert sich Volker Bouffier gerne als fürsorglicher Landesvater. Der Vize-Chef der CDU ist ein Befürworter der liberalen Linie Angela Merkels. Die Wahl in Hessen dürfte also auch größere Auswirkungen auf die Zukunft der Kanzlerin haben. Bouffiers Chancen, die nächste Koalition anzuführen, galten vor einigen Wochen noch als sehr gut. Mittlerweile sind alle Optionen am Tisch. Aktuell sieht es so aus, als ob es für Schwarz-Grün in Hessen keine Mehrheit mehr geben könnte. Dabei arbeitet die anfangs als gewagtes Experiment eingestufte Konstellation bislang recht geräuschlos. Beide Parteien ließen sich gegenseitig genug Platz, um sich zu entfalten. Bouffier wirbt daher für eine Fortsetzung des Regierungsbündnisses. "Es geht um Hessen, es geht darum, dass das Land stark bleibt, dass wir kein Durcheinander kriegen", sagt er. Um an der Macht zu bleiben, bliebe Bouffier noch ein Bündnis mit der SPD oder eine Jamaika-Koalition mit FDP und Grünen. Doch auch ein rein linkes Bündnis aus Grünen, SPD und Linken ist nicht unrealistisch. Selten dürfte es vor einer Wahl in Hessen so viele denkbare Möglichkeiten einer Regierungsbildung gegeben haben.

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Tarek Al-Wazir, 47, Die Grünen Al-Wazir gibt sich bescheiden. Er und Ambitionen, Hessens Ministerpräsident zu werden? Nicht doch! Von einer Umfrage lasse er sich nicht verrückt machen, sagt der grüne Spitzenkandidat und amtierende Wirtschaftsminister. Vor kurzem haben Demoskopen ihre neueste Erhebung verkündet, wonach die Grünen zweitstärkte Kraft werden könnten. Der grüne Bundestrend macht auch vor Hessen nicht Halt. Ein Bündnis aus Linken und SPD unter grüner Führung scheint demnach möglich. Doch Al-Wazir, der zusammen mit Hessens Umweltministerin Priska Hinz antritt, will sich nicht festlegen: "Ausschließeritis" habe in Hessen in der Vergangenheit viele Probleme geschaffen. Al-Wazir gilt als einer, der gerne verbal zuspitzt, aber gleichzeitig nicht durch Hybris oder Aufdringlichkeit auffällt. Dankbar schaut der zweifache Vater nach Bayern. Die grünen Parteikollegen dort hätten eine "sehr gute Vorlage" geliefert.

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Thorsten Schäfer-Gümbel, 49, SPD Eigentlich hat "TSG", wie ihn seine Parteifreunde gerne nennen, die Statistik auf seiner Seite. In Hessen gab es neben einem parteilosen Regierungschef erst drei Ministerpräsidenten der CDU und fünf von der SPD. Allerdings - und das ist die andere Seite der Statistik - war Schäfer-Gümbel bereits zwei Mal Spitzenkandidat seiner Partei. Und scheiterte. Der studierte Politikwissenschaftler erscheint vielen potenziellen Wählern als zu nett. Ein gemeinsames Bündnis aus SPD, Linken und Grünen, unter wessen Führung auch immer, wäre für hessische Verhältnisse eine kleine Sensation. Würde es doch den Graben zwischen SPD und den Linken schließen, der 2008 aufbrach. Damals lehnte Schäfer-Gümbels Vorgängerin Andrea Ypsilanti eine Regierung mit den Grünen unter Beteiligung der Linken ab, der spätere Versuch, eine Regierung nur mit den Grünen zu schmieden, scheiterte erneut. Bei den Sozialdemokraten scheint man aus dem Debakel gelernt zu haben. TSG schweigt zu möglichen Koalitionspartnern. Er wolle die nächste Regierung anführen, sagt er nur. Doch das zu erreichen wird schwer. In den Umfragen hat die SPD stark verloren und könnte knapp hinter den Grünen auf Platz drei landen.

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Janine Wissler, 37, Die Linke Sich vor einer politischen Auseinandersetzung zu drücken, ist nicht gerade der Stil der Spitzenkandidatin der Linken. Wissler gilt als eine der besten Rednerinnen im hessischen Landtag, versiert mit rhetorischer Schärfe und klarer Argumentation. Die studierte Politikwissenschaftlerin, die zusammen mit dem 37-jährigen Jan Schalauske antritt, fühlt sich im ultralinken Flügel ihrer Partei zu Hause und engagierte sich in Gruppierungen wie dem globalisierungskritischen Netzwerk Attac oder Marx 21. Nachdem Bouffier gesagt hat, ein mögliches Linksbündnis sei die "völlig falsche Antwort" für Hessen, zeigt sich Wissler kampfeslustig. "Die CDU warnt schon vor uns, also ist diese Möglichkeit durchaus realistisch", sagt sie. In Zeiten des Rechtsrucks sei es ein gutes Zeichen, dass es für ein Linksbündnis den Umfragen zufolge eine Mehrheit geben könnte.

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René Rock, 50, FDP Bei der FDP wollte man lieber auf Nummer sicher gehen. 39 Sekunden dauert der kurze Wahlspot, in dem mehr oder minder gute Gags zum Namen des Spitzenkandidaten durch das Bild sausen. Von "We will Rock you" bis "Kuschelrock" und "Rock zuck" ist wirklich alles dabei. Jetzt, wo alle Wortspiele gemacht seien, könne man ja über Inhalte reden, heißt es am Ende des Clips. Und genau die würde Rock durchaus gerne in einer Jamaika-Koalition umsetzen. Ein bürgerliches Bündnis mit der CDU und "ein bisschen grüne Beimischung" wäre ihm am liebsten, sagt Rock. Der 50-Jährige ist fest in der Kommunalpolitik verwurzelt, sitzt als Mitglied in der Stadtverordnetenversammlung im südhessischen Seligenstadt und als FDP-Fraktionschef im Kreistag Offenbach-Land. Sollte es zu einer Regierungsbeteiligung seiner Partei kommen, will Rock nach eigener Aussage nicht unbedingt ein Ministeramt übernehmen - er könne sich auch vorstellen, weiter in der Fraktion zu arbeiten.

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Rainer Rahn, 66, AfD Der Hessische Landtag ist bislang das einzige Länderparlament, in dem die AfD nicht vertreten ist. Es gilt als sicher, dass sich das nach der Wahl ändern wird. Der Spitzenkandidat der Alternative für Deutschland ist als Gegner des Flughafenausbaus vor mehreren Jahren in der Frankfurter Stadtpolitik gelandet. Seitdem saß er bereits in vier Fraktionen im Römer, wie das Frankfurter Stadtparlament genannt wird. In seinen Reden tritt Rahn, ein promovierter Zahnarzt und ehemaliger Jurastudent, mit gemäßigtem Vokabular, aber klaren Botschaften gerade in der Flüchtlingspolitik auf. Einem Bericht der FAZ zufolge kann der 66-Jährige pedantisch sein. So soll er die Mitarbeiter der Frankfurter Stadtverwaltung, die er zu schlecht und zu langsam findet, mit zahllosen Akteneinsichtausschüssen auf Trab halten. "Sie müssen jedes Mal alle Akten zusammensuchen, wenn Rahn das wünscht", heißt es in dem Text.

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