Landtagswahl:Eine Schmach für die Südtiroler Volkspartei

Landtagswahlkampf in Südtirol

Wahlkampfplakate verschiedener Parteien, unter anderem der regierenden Südtiroler Volkspartei (SVP), in Bozen.

(Foto: dpa)
  • Die Südtiroler Volkspartei (SVP) ist nach den Landtagswahlen erstmals unter 45 Prozent der Stimmen gefallen - auf 41,9 Prozent.
  • Die Koalitionsverhandlungen werden für Arno Kompatscher, den bisherigen und künftigen Landeshauptmann, deutlich schwieriger.
  • Die rechtsnationalistische Lega hat hingegen deutlich zugelegt.

Von Oliver Meiler, Rom

Manche politische Erschütterungen kommen leise daher, mit kleinen tektonischen Verschiebungen, die man anderswo vielleicht gar nicht wahrnehmen würde. Die Südtiroler Volkspartei, kurz SVP, eine der erfolgreichsten und langlebigsten politischen Formationen Europas, ist bei den Provinzwahlen erstmals unter 45 Prozent der Stimmen gefallen - auf 41,9 Prozent. Das ist natürlich noch immer sehr respektabel, gerade in diesen konfusen Zeiten, da die alten Parteien fast überall in Europa viel Gunst verlieren, zuweilen sogar zweistellig. Die SVP verliert lediglich 3,8 Prozentpunkte. Aber eben: Für das hehre Selbstverständnis, das die mächtige, in Verbänden organisierte, konservative Sammelpartei über die Jahrzehnte aufgebaut hat, ist dieses Ergebnis dennoch eine Schmach.

Das Paradies im Norden Italiens, vollbeschäftigt und mit starkem Wirtschaftswachstum gesegnet, ist plötzlich nicht mehr ganz so einfach zu regieren wie bisher. Im Südtiroler Landtag, dem Provinzparlament mit seinen 35 Sitzen, wird die SVP neuerdings nur noch 15 Abgeordnete stellen - minus zwei im Vergleich zu 2013.

Nun ist es in Südtirol ja so, dass in der Landesregierung laut Autonomiestatut mindestens ein "Italiener" sitzen muss - gemeint ist ein italienischsprachiger Südtiroler. Zum Schutz der Vielfalt. Die SVP hat jedoch keinen "Italiener" in ihren Reihen; sie war und ist eine "deutsche" Partei. Ein Quotenitaliener ließ sich immer finden, kompliziert war das nie. Diesmal aber, aus geschwächter Position, werden die Koalitionsverhandlungen für Arno Kompatscher, den bisherigen und künftigen Landeshauptmann, schwieriger werden. Mehrere Varianten wären möglich, rein theoretisch wenigstens.

Die SVP könnte versuchen, mit den drei Grünen und dem einen übrig gebliebenen Abgeordneten des sozialdemokratischen Partito Democratico eine Mehrheit zu bilden. Arithmetisch würde das reichen. Doch es wäre ein Verbund aus lauter Verlierern. Zudem verstanden sich die Grünen noch nie sonderlich gut mit der Volkspartei.

Möglich wäre auch eine Koalition Kompatschers mit dem heimlichen Sieger dieser Wahlen, dem Unternehmer Paul Köllensperger, einem früheren Abgeordneten der Cinque Stelle. Dessen "Team K", eine Liste mit allenthalben angesehenen Berufsleuten und engagierten Bürgern, hat auf Anhieb 15,2 Prozent der Stimmen gewonnen. Doch um mitregieren zu können, müsste die Partei einen ihrer sechs "deutschen" Mandatsträger dazu bringen, seinen Sitz einem nachrückenden Italiener zu überlassen. Köllensperger sagt: "Wir sind die neue Volkspartei." Und in diesem Satz schwingt auch schon mindestens eine halbe Absage an Kompatscher mit. Die beiden, so hört man, können sich auch persönlich nicht sehr gut leiden. "Team K" dürfte deshalb am Ende wohl eher die Opposition anführen.

Bleibt die Variante mit dem "Faktor S", bei der das "S" für Salvini steht. Matteo Salvini, Italiens Vizepremier und Innenminister von der rechtsnationalistischen Lega, hat Südtirol in der entscheidenden Phase des Wahlkampfs zweimal besucht und damit maßgeblich zum guten Resultat seiner Partei beigetragen: 11,1 Prozent landesweit, das ist ein Zuwachs von 8,6 Prozentpunkten gegenüber 2013, als die Lega zusammen mit Forza Italia angetreten war. Im Landtag verfügt sie nun über vier Mandate. In Bozen, der "italienischsten" Stadt Südtirols mit einem Anteil von drei Viertel Italienischsprachiger, ist die Lega neuerdings klar stärkste Kraft.

Die europaskeptische, fremdenfeindliche Lega tickt natürlich in fast allen Belangen anders als die markant europafreundliche und autonomistische SVP. Dennoch ist das Szenario einer Koalition der beiden Parteien nun das wahrscheinlichste.

Kompatscher könnte argumentieren, dass ein Zusammengehen mit der römischen Regierungspartei letztendlich Südtirol Vorteile verschaffen würde. Außerdem, und das ist fast ebenso wichtig: Im benachbarten und verbrüderten Trentino, wo am Sonntag ebenfalls gewählt wurde, sieht es so aus, als würde erstmals die Lega im Verbund mit allen Rechtsparteien an die Macht kommen. Schwierig war das nicht: Die katholische Linke war nämlich gespalten angetreten. Da die beiden Provinzen zusammen eine Region mit abwechselndem Vorsitz formen, wäre es ganz praktisch, wenn Bozen und Trento sich nicht ständig streiten würden. Mehr als eine Zweckallianz wäre es allerdings nicht, in Südtirol geprägt von der Volkspartei.

Erstaunlich, ja schier sensationell schwach schnitten die "deutschen" Rechtsparteien Südtirols ab, die beide die Freiheit im Namen führen: die "Freiheitlichen" und die "Süd-Tiroler Freiheit". Erstere hatten sich ausgerechnet, dass ihre österreichische Schwesterpartei, die FPÖ, eine Wahlkampfhilfe sein würde, nun, da sie in Wien mitregiert. Um in alten Wunden zu rühren, wurde das Thema des kontroversen österreichisch-italienischen Doppelpasses hochgepeitscht. Ohne Erfolg, beide Parteien verloren stark. Die Freiheitlichen stürzten regelrecht ab, von knapp 18 auf 6,2 Prozent.

Und so konnte Kompatscher nach der Wahl behaupten, Südtirol habe die Mitte gehalten, es erfahre keine Radikalisierung. Nun, das lässt sich nur für den "deutschen" Teil behaupten. Und gar nicht für Bolzano, die Landeshauptstadt.

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