Landtagswahl in Bayern:Der Siegeszug der AfD geht weiter

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Von 20 Prozent hatten manche bei der AfD schon geträumt - am Ende müssen sich auch Unterstützer in Mamming bei Dingolfing nach ersten Prognosen mit elf Prozent begnügen. (Foto: Getty Images)
  • Die AfD feiert die Landtagswahl in Bayern als "großen Wahlerfolg".
  • Trotzdem herrscht Unruhe im Landesverband, ausgelöst von Diskussionen um eine mögliche Beobachtung durch den Verfassungsschutz.
  • Bis zur Hessen-Wahl will die Partei die Diskussion jedoch nicht offen führen.

Von Jens Schneider, Berlin

Wie sähe ein Dämpfer für die Rechtspopulisten aus? Wenn man den öffentlichen Verlautbarungen der AfD-Spitze folgen wollte, wäre die Antwort an diesem Sonntagabend: So nicht! Als sich die Zahlen zur Bayern-Wahl nach und nach konkretisieren, senden sie Erfolgsmeldungen aus. Sie zeugen vom Triumph, dass nun nach 14 anderen Bundesländern auch die Bayern nachgezogen haben. Nach der Hessen-Wahl in zwei Wochen wird die AfD mit großer Gewissheit in allen deutschen Landesparlamenten sitzen, dazu mit 12,6 Prozent im Bundestag - und das fünf Jahre nach ihrer Gründung. Aber das Ergebnis könnte deutlich unter dem liegen, was zumindest einige sich in einer Art Höhenrausch noch vor Wochen erwartet hatten. Von zwanzig Prozent in Bayern hatten manche geträumt; in der Region bewegen sich jetzt die Grünen. Also, ein Dämpfer?

Davon ist an diesem Abend kaum die Rede, erst recht nicht offiziell. Man feiert den historisch beispiellosen Siegeszug am rechten Rand, der in Deutschland über Jahrzehnte als unvorstellbar galt. "Ein großer Wahlerfolg", sagt der Partei- und Fraktionschef Alexander Gauland am frühen Sonntagabend. "Allerdings darf man das regionale Phänomen der Freien Wähler in Bayern nicht verachten, die ohne die Schwäche der CSU keinen so großen Erfolg gehabt hätten", erklärt er.

Grandios nennt Jörg Meuthen, der andere Parteichef, das Ergebnis. In Berlin verkündet Georg Pazderski, Bundesvize und AfD-Landeschef in der Hauptstadt: "Und das ist erst der Anfang unseres Aufstiegs in Bayern." Die Republik befinde sich im Umbruch, so Pazderski. "Sie verschiebt sich nach rechts, zur konservativen Mitte", sagt er und erklärt: "Die AfD wird Volkspartei!" Die AfD ist im zweistelligen Bereich, und das in Bayern, wo die CSU doch gerade gegen die AfD gekämpft hatte - aber die Freien Wähler sind ebenbürtig. Längst ist die AfD in ihren Statements so professionell wie die anderen, die sie gern "Altparteien" nennt. Aber die Deutung in der stets hochnervösen Partei dürfte spannend werden. Den Spitzen ist klar, dass der fragile Burgfrieden nur so lange halten wird, wie die großen Erfolge bei Wahlen anhalten. Und bereits in den letzten Wochen vor der Bayern-Wahl wurde die Unruhe größer. Vor allem die mögliche Beobachtung durch den Verfassungsschutz hat mehr Sorgen hervorgerufen, als man von außen erwartet hätte. Nicht nur die eher moderaten Rechtskonservativen befürchten, dass dadurch bürgerliche Wähler abgeschreckt werden könnten. Dabei ist viel von Angestellten aus dem öffentlichen Dienst und Beamten die Rede, unter denen die AfD nach eigener Einschätzung viele Unterstützer und auch Aktive hat. Die Partei beklagt öffentlich, dass der Verfassungsschutz als Instrument gegen die AfD benutzt werden solle. Aber manche in der Partei und auch der Bundestagsfraktion glauben, dass die AfD zuletzt selbst mit ihrem Rechtsruck einiges dazu beigetragen hat, dass sie in den Fokus der Verfassungsschützer geraten konnte - und zu wenig gegen Rechtsaußen in ihren Reihen unternahm. Auffällig war, dass sich Gauland zuletzt um Abgrenzungen bemühte.

Sogar der Rechtsaußen Björn Höcke erklärte am Wochenende auf einem Parteitag, dass Nazis in der Partei nichts zu suchen hätten. Intern drängen moderatere Kräfte wie Bundesvize Pazderski auf einen Kurs mit einer noch klareren Distanz nach rechts.

Keine namhaften Akteure in der ersten Reihe

Eine offene Debatte will man vermeiden. So stellte sich schon vor dem Wahlabend an diesem Sonntag die Führungsriege der AfD in Berlin auf Überraschungen ein. Alexander Gauland, der mächtigste Mann bei den Rechtspopulisten, hatte seit Tagen Erklärungen parat, warum das Ergebnis der AfD im Freistaat etwas bescheidener ausfallen könnte, als sich das manche erträumten: die Stärke der Freien Wähler etwa, auch die Tatsache, das die AfD in Bayern ein besonders "gäriger Haufen" sei, so nennt Gauland seine Partei gern. Der bayerisch-gärige AfD-Haufen fiel als so zerstritten auf, dass man bei der AfD in Berlin längst schon keinen Überblick mehr hatte, wer da eigentlich das Sagen hat.

In der Bundespartei spielen Bayern kaum eine Rolle, es gibt in der ersten Reihe der Bundestagsfraktion keine namhaften Akteure. Aber all das scheint in der Regel für den Erfolg der AfD keine Rolle zu spielen. Der ist nach Erkenntnissen von Wahlforschern fast ausschließlich davon abhängig, wie schlecht das Ansehen der Regierenden ist, denen die AfD-Wähler einen Denkzettel verpassen wollen.

Anlass für Debatten in der AfD gäbe es genug, so den Zwist über die Sozialpolitik und die unterschiedlichen Konzepte zur Rente. Und in der Bundestagsfraktion werden rund um die gerade bekannt gewordene Finanzaffäre Konflikte deutlich, die Gaulands Kollegin an der Fraktionsspitze, Alice Weidel, in Bedrängnis bringen - sie wird stark angefeindet, weil sie die Aufklärung von Unregelmäßigkeiten forciert. Im Mittelpunkt steht freilich weiter der Richtungsstreit bis hin zur Frage, ob man sich auf mögliche Koalitionen vorbereiten sollte - wobei Parteichef Meuthen für Bayern am Sonntag schon mal erklärte, dass sich die Frage einer Regierungsbeteiligung für seine Partei gar nicht stellen werde.

© SZ vom 15.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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