Lebensmittel - Wiesbaden:Lebensmittelkontrolleure wegen keimbelasteter Wurst im Fokus

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Wiesbaden/Korbach (dpa/lhe) - Im Skandal um keimbelastete Wurst des hessischen Herstellers Wilke geraten die örtlichen Lebensmittelkontrolleure zunehmend unter Druck. Hessens Verbraucherschutzministerium Priska Hinz (Grüne) warf dem für die Hygieneüberwachung zuständigen Landkreis Waldeck-Frankenberg am Mittwoch vor, teils nur unzureichend über Mängel in dem Betrieb informiert zu haben. Die Staatsanwaltschaft sei trotz eines dringenden Hinweises ihres Ministeriums erst nach mehreren Tagen im Zuge der Firmenschließung vom Kreis über die Zustände bei dem Wursthersteller informiert worden.

"Wir müssen klären, ob es bei der Aufsicht zu Fehlern gekommen ist", sagte die Ministerin im Umweltausschuss des hessischen Landtags. Der Kreis sei aufgefordert worden, bis zum übernächsten Freitag (25.10.) einen ausführlichen Bericht über die Art und die Zahl der Kontrollen sowie die angeordneten Auflagen für das Unternehmen in den vergangenen zwei Jahren vorzulegen.

Der Landrat des Landkreises Waldeck-Frankenberg, Reinhard Kubat (SPD), versicherte, man arbeite mit Hochdruck an dem Bericht. Nach den bisherigen Erkenntnissen hätten die zuständigen Mitarbeiter der Kreisverwaltung nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt und einen guten Job gemacht. Die Verbraucherorganisation Foodwatch wirft den Behörden vor, zu spät reagiert zu haben.

Die mit Listerien belastete Wurst der nordhessischen Firma wird mit bundesweit drei Todesfällen und 37 Erkrankungen in Verbindung gebracht. Listerien können für Menschen mit geschwächtem Immunsystem lebensgefährlich sein. Behörden hatten den Betrieb vor zwei Wochen geschlossen. Die Staatsanwaltschaft Kassel ermittelt wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung gegen den Geschäftsführer. Informationen über neue Krankheits- oder Todesfälle habe sie nicht, sagte Hinz. Auch lägen ihr keine Hinweise über Lebensmittelhersteller in Hessen mit ähnlichen hygienischen Mängeln wie bei Wilke vor.

Die Ministerin sagte, bei dem Unternehmen sei mit hoher krimineller Energie gehandelt worden. Es wurden nach ihren Angaben immer wieder mit Listerien belastete Lebensmittel produziert. Wenn ein Hersteller erhöhte Werte durch Eigenproben feststellt, sei er gesetzlich dazu verpflichtet, die zuständigen Behörden darüber zu informieren. "Aus meiner Sicht hat das Unternehmen das nicht getan."

Ein Sprecher der beim Regierungspräsidium Darmstadt angesiedelten "Task-Force Lebensmittelsicherheit" sagte, der Geschäftsführer der Firma Wilke habe mit großem Unverständnis auf die dichteren Kontrollen nach den Berichten über Todes- und Krankheitsfälle im Zusammenhang mit dem Wursthersteller reagiert. Fachliche Ansprechpartner bei Wilke hätten in der Folge gefehlt. Der Kontakt sei überwiegend über den Anwalt des Geschäftsführers gelaufen.

Nach Angaben der Umweltministerin waren unter anderem bei einer Betriebskontrolle erhebliche Mängel bei dem Wursthersteller festgestellt worden. Bei der Nachprüfung wenige Tage später, die der Kreis allein machte, wurde dem Unternehmen wieder ein positiveres Zeugnis ausgestellt. "Da werden wir nachfassen müssen." Hinz berichtete von baulichen Mängeln in der Produktion mit viel Feuchtigkeit, die die Bildung von Listerien befördert habe. "Dieser Zustand kann nicht erst seit dem August so gewesen sein."

Eigentlich sollten an der Nachprüfung am 5. September nach Angaben des Ministeriums neben dem Kreis das Regierungspräsidium Kassel und das Landeslabor Hessen teilnehmen. Doch nach derzeitiger Aktenlage sei die Kontrolle vom Landkreis vor dem verabredeten Zeitpunkt und vor dem Eintreffen der Vertreter des Regierungspräsidiums und des Landeslabors durchgeführt worden. Stattdessen habe es nur eine gemeinsame Besprechung an diesem Tag gegeben. "Über die bei der Kontrolle vorgefundenen Mängel berichtete der Landkreis dem Regierungspräsidium in der Besprechung nach bisherigem Kenntnisstand unzureichend", erklärte dazu das Umweltministerium.

Ein Kreissprecherin bestätigte, dass es eine Verabredung zu einer gemeinsamen unangemeldeten Prüfung bei Wilke gab. "In der Regel beginnen solche Kontrollen mit einer Vorbesprechung mit der Geschäftsführung." Damit währenddessen nicht schnell eventuelle Mängel beseitigt werden können, hätten sich Veterinäre des Landkreises bereits ein Bild von den Räumlichkeiten gemacht - und dieses weitergegeben. "Auf dieser Basis haben sich die Vertreter des Regierungspräsidiums dazu entschieden, nicht noch einmal nachzukontrollieren, sondern die Ergebnisse des Landkreises in ihren Bericht mit aufzunehmen", erklärte der Kreis.

Hinz kündigte im Ausschuss ein Treffen am Freitag in der nächsten Woche mit ihren Amtskollegen aus anderen Bundesländern an, um über eine bessere Lebensmittelüberwachung zu beraten. Kernthema soll dabei eine bessere Meldepflicht sein. Konkret in Hessen strebt die Verbraucherschutzministerin eine Gesetzesänderung an, um mehr Hebel für die Kontrollen zu haben. Dagegen gebe es aber noch Widerstände der derzeit dafür zuständigen Landkreise, da diese eine Einschränkung ihrer Befugnisse befürchteten.

Hessens Landtagsopposition kritisierte unterdessen die Ministerin scharf. Hinz weise die Verantwortung Betrieb und Landkreis zu, anstatt die Schwachstellen im eigenen Haus zu benennen, erklärte die Linke-Fraktion. Die FDP-Fraktion kritisierte das Krisenmanagement der Ministerin auch in ihrem Haus. Die Liberalen forderten die Grünen-Politikerin auf, in der nächsten Plenarrunde eine Regierungserklärung zu den Vorfällen und dem aktuellen Sachstand zu halten und das Parlament umfassend zu informieren. Die SPD-Fraktion nannte die Antworten der Ministerin im Ausschuss unbefriedigend.

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