Landtag - Mainz:Zeugin über Landrat Pföhler: "Gebrochenen Menschen erlebt"

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Mainz (dpa/lrs) - Der ehemalige Ahr-Landrat Jürgen Pföhler hat sich nach den Worten einer engen politischen und privaten Freundin in der Flutnacht vor allem in seinem Haus in Bad Neuenahr-Ahrweiler aufgehalten. Dies habe sie aber erst viel später erfahren, sagte die 71 Jahre alte CDU-Politikerin am Freitag im Landtags-Untersuchungsausschuss Flutkatastrophe in Mainz. Sie selbst sei am 14. Juli gegen 21 Uhr ins Bett gegangen - in dem Bewusstsein "alles ist unter Kontrolle. Die Situation ist geregelt". Es habe an ihrem Wohnort im Ahrort Dernau keine Hochwasser- oder Flutwarnung gegeben. Pföhler habe sie auch nicht gewarnt.

Das Ausmaß der Flutkatastrophe im nördlichen Rheinland-Pfalz mit mindestens 135 Toten vor einem Jahr war dem Lagezentrum des Innenministeriums nach Darstellung mehrerer Beamter erst Tage später klar. "Wir hatten ein Informationsdefizit in der Nacht", sagte der Leiter des Lagezentrums, Heiko Arnd. Dies lasse sich jetzt im Nachhinein sagen. Das Ausmaß der Katastrophe habe er selbst weder am 14. noch am 15. Juli 2021 erfasst, "sondern erst in den darauffolgenden Tagen". Die vorletzte Sitzung vor der Sommerpause hatte mit einer Gedenkminute für die Opfer der Katastrophe begonnen.

Auf die Frage des Ausschuss-Vorsitzenden Martin Haller (SPD), ob sie auch ein "romantisches Verhältnis" zu Pföhler gehabt habe, antwortete die Zeugin: "So hat es in der Zeitung gestanden. Ja." Die pensionierte Studiendirektorin berichtete, sie habe den damaligen Landrat eine Woche nach der Katastrophe bei einer CDU-Fraktionssitzung gesehen und "einen gebrochenen Menschen erlebt". "Er war am Ende." Deshalb habe sie ihn auch nicht mehr nach der Flutnacht gefragt.

Die Zeugin war in Pföhlers Handy als "Nring" eingespeichert und am 14. Juli sein zweithäufigster Kontakt nach seiner "rechten Hand" in der Kreisverwaltung. 13 Telefonate mit der 71-Jährigen sind registriert. "An die Telefonate kann ich mich nicht wirklich erinnern", sagte die CDU-Kommunalpolitikerin. Diese seien ihr erst bei ihrer Aussage im Landeskriminalamt bewusst geworden.

Sie habe mit Pföhler am Telefon nicht darüber gesprochen, wo er sich aufhalte. Die Telefonate seien "vorwiegend privat, aber auch politisch" gewesen. Im letzten Gespräch gegen 20.45 Uhr sei es wohl auch um das Hochwasser und Pegelstände gegangen, weshalb sie in der Annahme ins Bett gegangen sei, alles sei unter Kontrolle und von etwa 21 Uhr bis 3 oder 4 Uhr am nächsten Morgen geschlafen habe.

Die beiden SMS von Pföhler in der Flutnacht an sie habe sie nicht beantwortet, sagte "Nring". In der ersten gegen 22.25 Uhr hatte ihr der Landrat von der bevorstehenden Evakuierung berichtet, und dass "alle mit den Tieren" auf die Straße gehen müssen. "Hoffentlich stürzt das Haus nicht ein", endete die Kurznachricht. Gelesen habe sie diese erst am nächsten Morgen, sagte die Zeugin.

Die zweite SMS von Pföhler um 0.50 Uhr sei bei ihr - wohl wegen des zerstörten Handynetzes - nicht mehr eingegangen. Darin hatte der Landrat geschrieben: "Katastrophe, Tote, Verletzte, Menschen auf Dächern, kein Hubschrauber, Stromausfälle, unser Haus ist geflutet, ich bin am Ende."

"Der 14., wo die Welt zu Ende war, hat alles zugeschüttet", sagte die CDU-Politikerin. Ihr Heimatdorf sei zu 90 Prozent zerstört worden und elf Menschen "zum Teil unter grässlichen Bedingungen ums Leben gekommen". Sie selbst sei eine der ganz wenigen Nicht-Betroffenen. Am Freitagabend wolle sie an einer Menschenkette zum Gedenken an die Katastrophe vor genau einem Jahr teilnehmen.

© dpa-infocom, dpa:220714-99-25442/4

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