Landtag - Mainz:Staatsanwaltschaft erklärt Ermittlungen zur Flutkatastrophe

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Ein zerstörter Gasthof am Ufer der Ahr. Foto: Boris Roessler/dpa/Archivbild (Foto: dpa)

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Mainz (dpa/lrs) - Nach drei Tagen der Beweisaufnahme mit kritischen Fragen an Landesbehörden hat der Untersuchungsausschuss zur Flutkatastrophe in Rheinland-Pfalz am Freitag vor allem die Kreisverwaltung Ahrweiler in den Blick genommen. Die Staatsanwaltschaft Koblenz sehe bisher keinen Anlass, ihre Ermittlungen gegen den früheren Landrat Jürgen Pföhler (CDU) und einen weiteren Verdächtigen einzustellen, sagte der Leitende Oberstaatsanwalt Harald Kruse. "Ob wir dieses Jahr noch fertig werden, kann ich nicht versprechen."

In einer weiteren Vernehmung folgte Staatsanwältin Ute Adam-Backes im Wesentlichen den Ausführungen ihres Chefs. Nach der Auswertung von Medienberichten, Hinweisen aus der Bevölkerung sowie Strafanzeigen von Privatpersonen habe es genügend "zureichende, tatsächliche Anhaltspunkte" gegeben, "die einen Anfangstatverdacht begründen". Dieser erstreckt sich auf den Verdacht der fahrlässigen Tötung und fahrlässigen Körperverletzung durch Unterlassen. Beide Staatsanwälte erklärten in einem öffentlichen Teil, wie es zu den Ermittlungen kam. Unter Ausschluss der Öffentlichkeit befragten die Abgeordneten die Vertreter der Anklagebehörde dann zu ihren bisherigen Erkenntnissen.

Die Ausführungen in der öffentlichen Sitzung "verstärken unsere kritischen Fragen an die Verantwortlichen des zuständigen Landkreises Ahrweiler und insbesondere dessen ehemaligen Landrat", erklärte anschließend der Obmann der SPD-Fraktion, Nico Steinbach. "Warum löste der Kreis Ahrweiler öffentlich erst nach 23 Uhr die höchste Alarmstufe aus, obwohl deutliche Warnungen des Hochwassermeldedienstes schon lange vorlagen?" Und warum seien die Warnungen im Kreis nicht entsprechend umgesetzt worden?

Im öffentlichen Teil der Zeugenvernehmung beschrieb Oberstaatsanwalt Kruse den Abgeordneten, wie er nach der Katastrophe vom 14. Juli dazu gelangte, am 4. August die Aufnahme von Ermittlungen zu beschließen. "Die Lage dort war zunächst unübersichtlich", sagte Kruse. Zwar habe es schon früh die Frage nach möglichen Fehlern bei Warnungen gegeben, aber ebenso die Einschätzung, dass die Sturzflut so schnell über das Tal hereingebrochen sei, dass es keine Handlungsmöglichkeiten gegeben habe. "Eine gute Woche später ergaben sich erste Zweifel am Eindruck eines schicksalhaften Ereignisses."

Später habe sich dann der "Eindruck einer späten, zu späten oder auch unterlassenen oder nicht ausreichenden Warnung der Bevölkerung verfestigt". Kruse nannte dabei auch "erste polizeiliche Erkenntnisse zum Ablauf der Tragödie im Haus der Lebenshilfe in Sinzig". In der Einrichtung verloren in der Flutnacht zwölf Menschen ihr Leben. Insgesamt wurden im Ahrtal 134 Menschen in den Tod gerissen.

Zunächst habe er überlegt, ein Verfahren gegen unbekannt zu führen, sagte Kruse. "Das änderte sich nach einer Prüfung des Brand- und Katastrophenschutzgesetzes Rheinland-Pfalz." Dieses weise dem Landrat die Verantwortung für die Bewältigung von Katastrophenereignissen zu. Die Kreisverwaltung habe dann mitgeteilt, dass die technische Umsetzung an eine weitere Person delegiert worden sei.

Abgeordnete der Opposition hakten nach, warum nicht auch Ermittlungen gegen Verantwortliche der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) geführt worden seien. Kruse erläuterte, dass der Starkregen zwar auch in weiteren Kreisen und in der Stadt Trier schlimme Folgen gehabt habe. Es habe aber keine Hinweise darauf gegeben, dass die Möglichkeiten des Kreises Ahrweiler "per se nicht mehr ausgereicht hätten". Kruse fügte hinzu, dass "das Innenministerium, das in diesem Zusammenhang auch gerne genannt wird", erst als Aufsichtsbehörde in Betracht käme. Es habe aber so kurzfristig keine Anhaltspunkte gegeben, dass der Landkreis Ahrweiler seine Aufgaben nicht wahrnehme.

Bei der Prüfung von Warnungen vor der Flutkatastrophe im Ahrtal will der Untersuchungsausschuss auch die Wetterberichterstattung des Südwestrundfunks (SWR) in den Blick nehmen. Der Ausschuss habe einen Beweisbeschluss dazu gefasst und für den 18. März auf die Tagesordnung gesetzt, sagte der Ausschussvorsitzende Martin Haller (SPD). Es solle untersucht werden, wann und in welcher Form der Südwestrundfunk vor der Katastrophe "in allen verfügbaren Medienkanälen, insbesondere im Radio und Fernsehen, vor dem Starkregenereignis berichtet und gewarnt hat".

In der Sitzung vom 4. Februar hatte der Meteorologe Karsten Schwanke erklärt, er habe dem SWR am 14. Juli ein Gespräch angeboten, das aber abgelehnt worden sei. Daraufhin teilte der SWR in einer öffentlichen Stellungnahme mit, dass der Sender alles tun werde, "das Geschilderte aufzuklären". Es sei "bekannt, dass am Tag der Flutkatastrophe im Ahrtal nicht alle Abläufe reibungslos und zufriedenstellend funktioniert haben". Der SWR habe selbst ein Interesse daran, aus den Erfahrungen des Tages zu lernen und gehe allen möglichen Schwachstellen nach.

© dpa-infocom, dpa:220211-99-79866/3

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