Mainz (dpa/lrs) - Die kommunalen Spitzenverbände in Rheinland-Pfalz haben die Landesregierung aufgefordert, die Erstattung der anfallenden Kosten für die Unterbringung, Versorgung und Integration von Flüchtlingen komplett zu übernehmen und die Finanzierung neu auszurichten. "Wir rechnen weiter mit hohen Flüchtlingsbewegungen und brauchen eine Neuausrichtung der Flüchtlingspolitik mit einem nachhaltigen Finanzkonzept", sagte Steffen Antweiler vom Städte- und Gemeindebund während einer gemeinsamen Anhörung des Integrations- und Innenausschusses des Landtags am Donnerstag in Mainz. Dazu müsse eine organisierte und geplante Weiterleitung der Bundesmittel gehören.
"Die Mittel sollen da landen, wo die Kosten entstehen und nicht pauschal nach Einwohnerzahlen, sondern nach aufgenommenen Menschen", sagte die Geschäftsführende Direktorin des Städtetags, Lisa Diener. Das Land arbeite mit einer Pauschale, unabhängig von der tatsächlichen Entwicklung. "Pauschalen funktionieren im Moment nicht, deshalb brauchen wir ein anderes System." Es gehe bei der Versorgung der Flüchtlinge um eine staatliche Aufgabe, die das Land den Kommunen übertrage. Diese könnten nur die Entscheidungen der zuständigen Landesbehörde ADD ausführen.
Zudem seien die nach dem Flüchtlingsgipfel von Bund und Ländern zugesagten rund 121,6 Millionen Euro "absolut unzureichend", betonte Diener. Die Kommunalen Spitzenverbände schätzen die ungedeckten Kosten allein im laufenden Jahr nach einer internen Umfrage auf rund 300 Millionen Euro. Die Kommunen müssten darüber hinaus noch in vielen anderen Bereichen wie dem Nahverkehr und den Kitas zusätzliche Kosten übernehmen. "Wir können das so nicht mehr schultern." Die Kommunen fühlten sich allein gelassen und müssten sich selbst aus dem Sumpf ziehen.
"Wir sind bei der Vergabe unbedingt auf Verlässlichkeit angewiesen", sagte Jürgen Hesch vom Landkreistag. "Wir stoßen langsam, aber sicher an die Grenze des Machbaren", mahnte Hesch und betonte: "Wenn wir uns nicht um die Integration kümmern, werden wir als Gesellschaft scheitern." Notwendig seien effiziente und verbesserte Verfahrensabläufe. Sein Verband sei aber - anders als der Städtetag - dafür, bei den gewählten Verteiler nach Einwohnerzahl zu bleiben.
Diener sprach sich dafür aus, nur noch die Geflüchteten auf die Kommunen zu verteilen, die auch eine Bleibeperspektive haben. Wenn die Menschen bis zu 24 Monate in den Erstaufnahmeeinrichtungen bleiben könnten, hätten die Kommunen mehr Zeit, um Unterkünfte zu schaffen die über ad hoc Maßnahmen wie Container oder Turnhallen hinaus gingen.
Hesch sprach sich für eine Rückführung von Menschen ohne Bleibeperspektive direkt aus den Erstaufnahmeeinrichtungen aus. Ein Freund von Ankerzentren für Flüchtlinge, die abgeschoben werden müssten, wie vom Fraktionsvorsitzenden der Freien Wähler, Joachim Streit, gefordert, sei er aber nicht.
Der Fraktionschef der oppositionellen CDU, Gordon Schnieder, schloss sich der Forderung der Kommunen an, das Land müsse die Kosten vollständig übernehmen. Er plädierte zudem auch dafür, dass Flüchtlinge wie in Bayern oder Baden-Württemberg bis zu zwei Jahre in der Erstaufnahmeeinrichtung bleiben können sollten.
Joachim Winkler von der Grünen-Fraktion kritisierte die Berechnung der Spitzenverbände zu den ungedeckten Kosten. "Diese Pi-mal-Daumen-Berechnung kann keine Grundlage für politische Arbeit sein." Er empfinde es zudem als "einen unfreundlichen Akt", dass die Kommunalen Spitzenverbände einen Tag vor ihrer Anhörung bekannt gegeben hatten, ein Rechtsgutachten zu dem Thema in Auftrag gegeben zu haben.
Michael Frisch von der AfD-Fraktion vermisste ein Argument der Landesregierung gegen die volle Kostenübernahme. Cornelia Willius-Senzer von der FDP nannte die Flüchtlingsaufnahme eine "Herkulesaufgabe", "die wir nur gemeinsam bewältigen können". Die gesamten 121,6 Millionen Euro vom Bund würden ja an die Kommunen weitergeleitet und dafür das Landesgesetz geändert. Und die Bundesmittel, bei denen das in der Vergangenheit nicht so gewesen sei, seien wie in anderen Bundesländern - auch unter CDU-Regierungen - etwa den Aufnahmeeinrichtungen des Landes zugute gekommen.
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