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Landtag - Kiel:Streit um Durchstechereien aus dem Landtag eskaliert

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Kiel (dpa/lno) - Der politische Streit im Kieler Landeshaus um die Weitergabe vertraulicher Dokumente an die Presse hat eine neue Eskalationsstufe erreicht. Mittlerweile geht es in der vor allem von Oppositionsführer Ralf Stegner (SPD) und Landtagspräsident Klaus Schlie (CDU) geführten Auseinandersetzung um die Frage, wer von beiden was an Eides statt erklären kann oder sollte. Auch die Kieler Staatsanwaltschaft befasst sich seit Monaten damit, wer im Mai eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die Polizeibeauftragte Samiah El Samadoni weitergab.

"Angesichts der pauschalen Vorwürfe des Landtagspräsidenten gegen den Ältestenrat werde ich eine eidesstattliche Erklärung abgeben, das Dokument über die Polizeibeauftragte weder persönlich an einen Radiosender weitergegeben, noch dies veranlasst zu haben", sagte Stegner. Angesichts der besonderen Situation durch ein Bildgutachten des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz (ULD) sei dies erforderlich, "um die Wahrheitsliebe zu befördern und den Sachverhalt aufzuklären".

Das Gutachten hat nach Angaben der Datenschutzbeauftragten Marit Hansen einen Anhaltspunkt dafür geliefert, "dass eine unbefugte Weitergabe durch die im Ältestenrat vertretenen Abgeordneten, die zuvor eine Fassung der Dienstaufsichtsbeschwerde aus der Landtagsverwaltung erhalten hatten, ausscheidet". Es liegt der Deutschen Presse-Agentur vor. Samadonis Anwalt Gerhard Strate hat dazu erklärt, "es besteht die hohe Wahrscheinlichkeit, dass dieses Dokument aus dem persönlichen Umfeld des Landtagspräsidenten an Dritte weitergegeben wurde".

Der Landtagspräsident richtete am Freitag wenige Stunden nach Stegners Ankündigung den Fokus auf den SPD-Fraktionschef. Es sei auffällig, dass Stegner nur im Fall einer Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Samadoni eine eidesstattliche Erklärung abgeben wolle. "Und das, wo doch seit Monaten und Jahren verschiedene Fälle des Durchstechens von Unterlagen und Informationen aus dem Ältestenrat in Rede stehen - aber vielleicht überlegt er es sich mit Blick darauf ja lieber noch mal anders." Er selbst wäre dazu zu gegebener Zeit bereit. "Wir sollten aber das Ergebnis der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen noch abwarten."

Das Ganze hängt wiederum mit dem Verfahren gegen den damaligen stellvertretenden Landesvorsitzenden der Deutschen Polizei-Gewerkschaft, Thomas Nommensen, zu tun. Ihn hat die Behörde wegen des Verdachts des Geheimnisverrats angeklagt, weil er Polizeiinterna an einen Journalisten durchgestochen haben soll. Auf seinem Handy hatten Ermittler umfangreiche Kommunikationsdaten sichergestellt, unter anderem WhatsApp-Protokolle und E-Mail-Verkehr.

Die Auswertung der Chats spielte auch beim Aus von Hans-Joachim Grote als Innenminister eine entscheidende Rolle. Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) hatte den Parteifreund Ende April entlassen, weil er sich von ihm falsch über dessen Kommunikation mit dem Polizisten und dem Journalisten informiert fühlte. Indirekt betroffen ist durch den Fall Nommensen auch Samadoni. Die Leiterin der Eutiner Polizeischule, Maren Freyher, hat gegen sie Dienstaufsichtsbeschwerde erhoben und eine Strafanzeige gegen unbekannt erstattet. Inhalte eines vertraulichen Gesprächs zwischen beiden sollen bei Nommensen gelandet sein.

Schlie betonte, "es ist bemerkenswert, wenn nicht gar eigentümlich, dass ein Geheimnisverrat mithilfe von Aktenteilen des ULD aufgeklärt werden soll, die ebenfalls wiederum an die Presse durchgesteckt wurden." Die Staatsanwaltschaft hatte das Gutachten erst am Mittwoch erhalten. Am frühen Mittwochabend wurden dessen Inhalte bekannt.

Bei dem Bildgutachten handelt es sich laut Schlie nur um einen Teil der Akte. Der Landtag habe den Mitgliedern des Ältestenrats - das sind der Landtagspräsident, seine drei Stellvertreter und die Fraktionschefs - bereits die Einsichtnahme in die Gesamtakte angeboten. "Wenn Herr Dr. Stegner gemeinsam mit dem Anwalt der Bürger- und Polizeibeauftragten fordert, entsprechende Akten zu veröffentlichen, meinen sie in Wahrheit jedoch nur Teile von Akten, die ihnen günstig erscheinen."

Samadonis Anwalt Strate teilte dazu mit, Schlies Stellungnahme sei "ungenau und deshalb geeignet, Verwirrung zu stiften". Es gebe zwei Akten. Neben der vom ULD nach der Beschwerde seiner Mandantin angelegten Akte gebe es eine weitere bei der Staatsanwaltschaft über deren Ermittlungen in dem Fall. Die Bildanalyse aus der ULD-Akte habe er Journalisten zur Verfügung gestellt. "Das war kein heimliches "Durchstecken", sondern ein legales und legitimes Vorgehen."

Die in der Akte der Staatsanwaltschaft enthaltenen Ermittlungsergebnisse in dem Fall seien hingegen in "einem verfassungswidrigen Verfahren - durch gezielte Suchläufe nach "Zufallsfunden" - zustande gekommen", sagte Strate. Deshalb dürfe Dritten kein Einblick darin gewährt werden. Er gehe dagegen juristisch vor. Mit seiner Beschwerde müsse sich nun das Oberverwaltungsgericht befassen. "Was der Landtagspräsident mit seinen Ausführungen zu einer "Gesamtakte" meint, erschließt sich nicht. Offenbar meint er beide Akten in einem."

"Der Landtagspräsident versucht offensichtlich, eine Schlammschlacht einzuleiten", sagte Stegner. Daran beteilige er sich nicht. "Das disqualifiziert sich von selbst."

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