Landtag - Kiel:Mehr Möglichkeiten und Rechtssicherheit für Polizisten

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Die Abgeordneten sitzen im Kieler Landtag. Foto: Frank Molter/dpa/Aktuell (Foto: dpa)

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Kiel (dpa/lno) - Schleswig-Holsteins Polizisten erhalten neue Mittel im Kampf gegen Kriminalität und Terrorismus. Mit breiter Mehrheit verabschiedete der Landtag am Freitag die Reform des Polizeirechts. Nur die SPD stimmte dagegen. Die Gesetzesreform gebe den Beamten passende Instrumente für den Kampf gegen Terrorismus sowie grenzüberschreitende Kriminalität an die Hand und sorge für mehr Eigenschutz, sagte Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU). Dabei werde die Balance zwischen Freiheitsrechten und Sicherheit gewahrt.

Künftig dürfen Polizisten Bodycams tragen und Taser einsetzen. Geregelt ist nun auch der finale Rettungsschuss. Dabei schießen Beamte gezielt auf lebenswichtige Organe, um einen Geiselnehmer oder terroristischen Gewalttäter sofort angriffsunfähig zu machen. Umstritten ist, dass der finale Rettungsschuss auch gegen Kinder unter 14 Jahren als letztes Mittel der Gefahrenabwehr angewandt werden kann - gedacht beispielsweise bei Amokläufen. "Für uns ist das ein absolutes No-Go", sagte der SPD-Abgeordnete Stefan Weber.

Nach Ansicht des FDP-Justizpolitikers Jan-Marcus Rossa übersieht die SPD die Garantenstellung des Staates, die Bürger vor tödlichen Angriffen zu schützen. Diese Gefahr ende nicht am Lebensalter. "Es gibt genügend denkbare Fallkonstruktionen, auf die ein Gesetz vorbereitet sein muss." Der Gesetzgeber könne nicht erst aktiv werden, wenn es eine Regelungslücke gebe.

Auch Sütterlin-Waack verteidigte die Reform: "Natürlich gibt es Punkte in unserem Entwurf, bei denen uns im ersten Moment der Atem stockt: Schusswaffengebrauch in einer Menschenmenge, finaler Rettungsschuss oder ganz besonders der Schusswaffengebrauch gegen Kinder." Der internationale Terrorismus zwinge dazu, derartige Fragen zu klären. "Dann brauchen Beamten, die an einem Einsatzort eintreffen, wo es um Leib und Leben geht und keine milderen Mittel infrage kommen, klare rechtliche Rahmen."

Die Ministerin verwies darauf, dass es im Norden allein im vergangenen Jahr 1170 Widerstandshandlungen und tätliche Angriffe gegen Polizisten gab. Dabei wurden 438 Beamte verletzt. "Mit der Bodycam besteht die Möglichkeit, dass Angreifer künftig abgeschreckt werden." Es gebe auch mehr Möglichkeiten zum Einsatz von Fesseln. Mit dem Taser bekämen Polizisten ein Mittel, dass wirkungsvoller als ein Schlagstock sei, aber immer noch milder als eine Schusswaffe.

Für lebhafte Diskussionen sorgte die Regelung, dass Polizisten gewalttätige Partner künftig bis zu vier Wochen statt nur 14 Tage aus der Wohnung verweisen können. "In diesen vier Wochen wird kein Polizist dieses Landes Folgemaßnahmen wie Erzwingungshaft mit dem Gericht abstimmen können", sagte die SPD-Innenpolitikerin Kathrin Bockey. "Es ist in diesem Gesetz eben einiges mehr Schein als Sein."

Das gelte auch bei den künftig möglichen anlasslosen Identitätskontrollen, sagte Bockey. Die Koalition habe sich nicht einmal durchringen können, eine polizeiliche Lageauswertung zur Grundlage einer Identitätsfeststellung zu machen. "Wir finden, darauf hätten die Bürger ein Anrecht."

Die Gewerkschaft der Polizei begrüßte die Regelungen zum finalen Rettungsschuss sowie zum Einsatz von Bodycams und Tasern, kritisierte aber das Verbot von Racial Profiling als Grundlage von Kontrollen. Das sei bereits im Grundgesetz verankert. "Darauf müssen unsere Kolleginnen und Kollegen nicht noch explizit hingewiesen werden", sagte der stellvertretende Landesvorsitzende Sven Neumann.

Der Gewerkschafter kritisierte zudem, dass der Einsatz von Bodycams in Wohnungen nicht gestattet sein wird. "Dies wäre ohne Probleme verfassungskonform zu regeln gewesen. Stattdessen werden weitere Beschränkungen eingebaut." Auch SPD und SSW hatten einen Einsatz der Kameras auch in Wohnungen gefordert.

Bereits Mitte März soll die Reform des Polizeirechts in Kraft treten.

© dpa-infocom, dpa:210225-99-594474/4

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