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Landtag - Kiel:Klares Signal des Landtags für den Marineschiffbau

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Kiel (dpa/lno) - Über die Parteigrenzen hinweg hat Schleswig-Holsteins Landtag ein verbindliches Bekenntnis der Bundesregierung für die Zukunft des deutschen Marineschiffbaus gefordert. "Überwasserschiffbau muss Schlüsseltechnologie werden", sagte Ministerpräsident Daniel Günther am Freitag im Landtag. Der CDU-Politiker äußerte Zweifel, dass innerhalb der schwarz-roten Koalition in Berlin ausreichendes Bewusstsein für die maritime Wirtschaft bestehe.

Hintergrund ist das Scheitern der Kieler Werft German Naval Yards gemeinsam mit Thyssenkrupp Marine Systems (TkMS) als Subunternehmer beim Ringen um den Zuschlag für den Bau des deutschen Kampfschiffes "MKS 180". Der Auftrag mit einem Volumen von 5,3 Milliarden Euro für vier Schiffe ist an ein niederländisch geführtes Konsortium gegangen. Die Schiffe sollen bei der Lürssen-Tochter Blohm + Voss in Hamburg gebaut werden.

Die Vergabe des größten Marineauftrags ins Ausland werde negative Auswirkungen auf künftige Exportgeschäfte der Werften haben, sagte Günther. "Das ist die fatale Wirkung dieser Entscheidung." Die Niederlage bei der Vergabe hat für den Norden große wirtschaftliche Dimensionen. "Ein solcher Auftrag sind bei uns sechs, sieben Prozent des Bruttoinlandsprodukts", sagte Günther. Die Politik werde die Entscheidung der Vergabekammer über die Rüge nicht beeinflussen können. German Naval Yards hatte angekündigt, gegen die Vergabeentscheidung rechtlich vorzugehen.

Der Regierungschef verteidigte sich im Parlament zudem vehement gegen Kritik an seiner Rolle: "Mich tangiert gar nicht so sehr der Vorwurf, ich hätte angeblich nichts gemacht." Die Landesregierung habe sich auf allen Ebenen dafür eingesetzt, dass der Marineschiffbau Schlüsseltechnologie wird. Hintergrund: Bei einer entsprechenden Einstufung könnte auf europaweite Ausschreibungen verzichtet werden - was andere Länder auch tun.

Das habe aber nichts mit der aktuellen Auftragsvergabe zu tun, weil dieser bereits in der letzten Legislaturperiode ergangen sei, sagte Günther. Der SPD warf er vor, in ihrer Zeit in der Regierung (2012-2017) nichts für eine solche Einstufung getan zu haben. "Sie haben geschlafen über die Jahre."

SPD-Landeschefin Serpil Miydatli hatte den Ministerpräsidenten zuvor scharf angegriffen. "Sie sind kein Beobachter in diesem Land", sagte Midyatli. Der Ministerpräsident sei Spielmacher. "Wir erwarten Sie auf dem Platz." Doch Günther habe das Thema jedoch "nicht im Griff gehabt".

In der Sache waren sich die Sozialdemokraten aber mit der Regierung einig. Künftig müssten solche Marineaufträge nur noch national vergeben werden, sagte Midyatli. Es sei töricht, auf europaweiten Wettbewerb zu setzen. "Die Beschäftigten brauchen hier Sicherheit." 6000 Arbeitsplätze im Norden seien sonst langfristig gefährdet. Die Politik müsse im Haushaltsausschuss dafür kämpfen, damit von dem Milliardenauftrag "zumindest etwas nach Schleswig-Holstein kommt".

Bereits in den vergangenen Tagen waren Differenzen innerhalb der Jamaika-Koalition zwischen CDU und Grünen beim Thema "MKS 180" deutlich geworden. "Wir brauchen fairen Wettbewerb", sagte Grünen-Fraktionschefin Eka von Kalben. Nationale Alleingänge bei Rüstungsprojekten trügen nicht dazu bei, die europäische Sicherheitspolitik zu stärken. Nach der Entscheidung gegen die Kieler Werften hatte sie sich von Günthers Position distanziert. Im Landtag zeigte Kalben am Freitag Verständnis für Ängste und Sorgen der Mitarbeiter in Kiel. "Der Schiffbau hat für Schleswig-Holstein - für ganz Norddeutschland - eine überragende Bedeutung."

Einstimmig beschloss der Landtag einen von Regierung und Opposition gemeinsam eingebrachten Dringlichkeitsantrag. Darin forderten die Abgeordneten, den Marine-Überwasserschiffbau als Schlüsseltechnologie mit technologischen Effekten auch für den zivilen Schiffbau zu sichern. Es gehe darum Arbeitsplätze zu erhalten, zu schaffen und die Werftstandorte in Schleswig-Holstein abzusichern.

FDP-Fraktionschef Christopher Vogt warf der Bundesregierung vor, den Industriebetrieben im Norden extrem geschadet zu haben. Dadurch gingen Steuereinnahmen und Know-how verloren. "Das Ergebnis ist ein Desaster" und ein fatales Signal für mögliche Exportgeschäfte, wenn eigene Aufträge ins Ausland vergeben würden.

CDU-Fraktionschef Tobias Koch erinnerte daran, dass TKMS mit einem Angebot über 3,5 Milliarden Euro in der ersten Bieterrunde gescheitert war. Nun müsse die Werft ansehen, wie der Auftrag für fünf Milliarden Euro in die Niederlande ginge. "Wie bitter ist das denn."

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