Landtag - Erfurt:Mafia-Untersuchungsausschuss eingesetzt - Auch arbeitsfähig?

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Linke-Abgeordnete Katharina König-Preuss steht im Landtag von Thüringen. Foto: Jan Woitas/dpa-Zentralbild/dpa (Foto: dpa)

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Erfurt (dpa/th) - Knapp fünf Monate vor der anvisierten Landtagswahl hat das Thüringer Parlament einen neuen Untersuchungsausschuss eingesetzt, der Mafia-Ermittlungen vor etwa zwanzig Jahren beleuchten soll. Ein entsprechender Antrag von Linke, SPD und Grünen blieb im Parlament unwidersprochen, womit die Einsetzung als beschlossen gilt. Unklar war zunächst, ob der Ausschuss auch arbeitsfähig ist, weil die Linke-Abgeordnete Katharina König-Preuss bei der Wahl für den Vorsitz des Ausschusses durchfiel.

Sie erhielt 36 von 80 abgegebenen Stimmen, 43 Nein-Stimmen und eine Enthaltung. Die erforderliche Mehrheit verfehlte sie damit. Nach Angaben des Linke-Fraktionschefs Steffen Dittes seien am Freitag von Rot-Rot-Grün nur 36 Abgeordnete anwesend gewesen.

"Mit der Nicht-Wahl einer Vorsitzenden hat der Landtag heute verhindert, dass sich der Untersuchungsausschuss konstituieren und seine Arbeit aufnehmen kann. Das ist der eigentliche Skandal", sagte Dittes. Andere Abgeordnete stellten in Frage, ob der Ausschuss tatsächlich nicht arbeitsfähig sei, da ein Stellvertreter gewählt worden sei. Zum stellvertretenden Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses wählten die Abgeordneten den CDU-Innenpolitiker Raymond Walk.

Nach Angaben der Landtagsverwaltung gebe es keine verfestigte parlamentarische Praxis für den Fall einer Nicht-Wahl eines Vorsitzenden. Eine Klärung liege in der Hand der Fraktionen.

Der Ausschuss soll sich mit den Hintergründen des gestoppten Ermittlungsverfahrens mit Decknamen "Fido" gegen die italienische Mafia in Thüringen beschäftigen. Hintergrund sind Recherchen des MDR und der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung".

Demnach war es damals einem verdeckten Ermittler gelungen, italienische Mafia-Gruppierungen erfolgreich zu unterwandern. Dennoch seien die Ermittlungen dann gegen den Willen der an der Operation beteiligten Polizisten eingestellt worden.

Der Untersuchungsausschuss soll nun unter anderem klären, warum das bis zum Jahr 2006 unter dem Namen "Fido" geführte Verfahren wegen des Verdachts auf Bildung einer kriminellen Vereinigung, Drogenhandel und Geldwäsche eingestellt wurde. Außerdem soll untersucht werden, ob es in diesem Verfahren Anhaltspunkte auf mögliche Verbindungen von Beschuldigten zu Politik, Verwaltung oder Justiz gab.

Die Grünen-Abgeordnete Madeleine Henfling sagte, es gebe unter anderem Korruptionsvorwürfe, denen nachzugehen sei. Man sei im Innenausschuss mit Fragen an die Landesregierung an Grenzen gestoßen. Der Ausschuss solle nun klären, ob man den Anhaltspunkten weiter nachgehen sollte. Mehrere Abgeordnete von Rot-Rot-Grün und der CDU argumentierten, dass der Ausschuss auch dazu diene, Akten zu sichern, damit diese nicht verloren gehen. Justizminister Dirk Adams (Grüne) sagte, das Parlament agiere völlig frei. "Die Landesregierung ist bereit und vorbereitet, ihre Fragen zu beantworten."

In dem Antrag von Rot-Rot-Grün wird die Landesregierung aufgefordert, die entsprechenden Akten und Unterlagen im Zusammenhang mit den "Fido"-Ermittlungen bereitzustellen. Außerdem soll sie etwaige geplante Löschungen oder Daten oder Akten aussetzen. Die SPD-Abgeordnete Dorothea Marx sagte, dass etliche Akten überhaupt nur noch vorhanden seien, weil es ein umfassendes Löschmoratorium im Rahmen der NSU-Untersuchungsausschüsse gegeben habe.

Nach Einschätzung des CDU-Innenpolitikers Raymond Walk hat die Organisierte Kriminalität in Thüringen spätestens seit den 90er Jahren Fuß gefasst. Er warnte vor einem Vertrauensverlust der Menschen in die Politik, wenn diese den Eindruck bekämen, der Staat habe das Heft des Handelns nicht mehr in den Händen.

© dpa-infocom, dpa:210423-99-329198/5

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