Landtag - Berlin:Anschlag: Wut, Trauer und Entschlossenheit auch in Berlin

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Berlin (dpa/bb) - Nach dem Anschlag auf eine Synagoge in Halle werden jüdische Einrichtungen in der Hauptstadt weiter mit erhöhtem Aufwand geschützt. "Diese Schutzmaßnahmen werden bis auf weiteres aufrecht erhalten - insbesondere auch mit Blick auf die noch anstehenden jüdischen Feiertage", sagte ein Sprecher der Innenverwaltung am Donnerstag. Die spürbare und sichtbare Präsenz von Sicherheitskräften gelte auch für Einrichtungen "jenseits von Synagogen".

In der Hauptstadt soll wegen des Anschlags der Runde Tisch gegen antisemitische Gewalt bereits in der kommenden Woche zusammenkommen, wie die Senatsverwaltung für Inneres mitteilte. Ursprünglich war eine Sitzung erst für Anfang Dezember geplant. "An uns treten in diesen Tagen viele besorgte und verunsicherte Jüdinnen und Juden heran", teilte Innenstaatssekretär Torsten Akmann mit. "Wir können zwar keine hundertprozentige Sicherheit, aber sehr wohl hundertprozentige Mühe garantieren. Die Polizei hat daher ihre Präsenz an relevanten Einrichtungen gestern umgehend und sichtbar verstärkt."

Innensenator Andreas Geisel (SPD), der am Mittwochabend in Berlin bei der Neuen Synagoge in der Oranienburger Straße war, hatte der Deutschen Presse-Agentur gesagt: "Es geht nicht, dass Juden an ihren Feiertagen in Angst zu ihren Synagogen gehen müssen." Die jüdische Gemeinde in Halle habe einen schrecklichen Angriff erlebt. Die jüdische Gemeinde zu Berlin brauche ein Zeichen der Solidarität. Davon wurden am Donnerstag viele in der Hauptstadt gesetzt. Auch Forderungen wurden laut.

DIE JÜDISCHE GEMEINDE ZU BERLIN: Der Vorsitzende Gideon Joffe forderte die Gesellschaft zu einem dauerhaften Zeichen der Solidarität auf. "Deutschland trägt Davidstern" - eine solche Aktion, bei der möglichst viele Bürger das Symbol des Judentums tagtäglich offen an einer Kette tragen, wäre ein deutliches Signal gegen den Antisemitismus, sagte Joffe der dpa. Der Davidstern sei aus der Öffentlichkeit verschwunden, weil viele Angst vor Angriffen hätten.

DAS ABGEORDNETENHAUS: Präsident Ralf Wieland erklärte, mehr denn je gelte: "Wir müssen zusammenhalten und zeigen, dass wir eine emotional wache Gesellschaft sind, in der wir uns gegenseitig schützen." Es gebe keinen Platz für Hass.

DER REGIERENDE BÜRGERMEISTER: Michael Müller (SPD) und der Senat stehen in engem Kontakt mit der Jüdischen Gemeinde, wie Senatssprecherin Claudia Sünder mitteilte. Der Ansprechpartner des Landes Berlin für Antisemitismus, Lorenz Korgel, sagte, er sehe es als Aufgabe, auch in der Präventionsarbeit auf Welterklärungsmodelle aus Antisemitismus, Rassismus und Antifeminismus zu reagieren.

DIE TÜRKISCHE GEMEINDE IN DEUTSCHLAND: Die Einzeltätertheorie sei ein Versuch, diese Tat, "diesen Akt des Terrors", zu relativieren, so der Vorsitzende Gökay Sofuoğlu. "Wir müssen die Gründe für diesen Anschlag beim Namen nennen: Antisemitismus und Rassismus. Beide sind eingebettet in unsere gesellschaftlichen Diskurse und Strukturen."

DIE EVANGELISCHE KIRCHE BERLIN-BRANDENBURG-SCHLESISCHE OBERLAUSITZ: Bischof Markus Dröge betonte in einem Brief an den Präsidenten des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, die Solidarität der evangelischen Landeskirche mit den jüdischen Gemeinden. Es sei eine neue Qualität der Gewalt, dass ein Attentäter bei Tageslicht vermummt durch die Stadt fährt und Menschen tötet. Seine Kirche werde sich weiter dafür einsetzen, dass Rechtsextremismus, Antisemitismus und der Menschenverachtung mit allen Kräften gewehrt werde, so Dröge.

DAS ZENTRALKOMITEE DER DEUTSCHEN KATHOLIKEN: Weit verbreitete Verschwörungsfantasien und gemeinsam geteilter Hass gegen "die Juden" im Netz und im Alltag bildeten den Nährboden für diese menschenverachtende Gewalt, erklären die Leiter des dortigen Gesprächskreises "Juden und Christen", Dagmar Mensink und Rabbiner Andreas Nachama. "Gegen Judenhass muss noch viel konsequenter vorgegangen werden als bisher." In der katholischen Kirche müsse jeder dazu beitragen, dass Juden und Jüdinnen in Deutschland sicher und ohne Angst leben können. DIE BERLINER CDU-FRAKTION: Angesichts einer steigenden Bedrohungslage müssten Polizei und Verfassungsschutz hier gestärkt werden, forderte Fraktionschef Burkard Dregger. Eine Reform für mehr Befugnisse der Polizei komme bislang nicht voran. Das Landeskonzept gegen Antisemitismus müsse entschiedener umgesetzt werden, sagte die Abgeordnete Cornelia Seibeld.

DIE AFD-FRAKTION: "Jeder Antisemitismus - rechter, linker und muslimischer - muss endlich konsequent geächtet und Taten müssen hart bestraft werden", so Fraktionschef Georg Pazderski.

DIE POLIZEI sichert derzeit Mahnwachen. Am Donnerstagabend (18.30 Uhr) wollten Menschen vor der Neuen Synagoge in der Oranienburger Straße ein Zeichen gegen Antisemitismus setzen. Auch am Freitag (17.30 Uhr) war am selben Ort eine Kundgebung geplant.

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