Strukturschwache Regionen:Wo besonders viel zu tun ist

In ihrem "Plan für Deutschland" kündigen die federführenden Ministerien neue Ideen an. Manches kann schnell gehen, anderes wird Jahre dauern.

Von Markus Balser und Stefan Braun

Abwanderung

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(Foto: dpa)

Die Abwanderung, insbesondere die vom Osten in den Westen, ist in den vergangenen Jahren deutlich zurück gegangen. Gleichwohl zeigt ein Blick auf die Zahlen, dass die Bevölkerung in bestimmten Regionen stark wächst und in anderen spektakulär zurückgeht. Noch immer schrumpft die Bevölkerungszahl vor allem in Ostdeutschland. Weite Teile Sachsens, Sachsen-Anhalts, Thüringens und Brandenburgs verlieren bis heute Bewohner, sei es, dass diese doch noch oder wieder anderswohin aufbrechen, sei es, dass die Sterberate deutlich höher liegt als die Geburtenrate. Im Westen ist das am ehesten noch im Saarland, im äußersten Norden in Schleswig-Holstein und im Osten Bayerns zu beobachten. Ganz anders sieht es im Rest Bayerns und in Baden-Württemberg aus. Hier ist nicht nur die Steuerkraft hoch und die Arbeitslosigkeit niedrig; hierher drängt es immer mehr Menschen, weil sie auf Arbeitsplätze und eine gute Grundversorgung hoffen. Insgesamt gibt es in Deutschland rund 11 000 Gemeinden; gut die Hälfte (5700) verzeichneten zwischen 2012 und 2017 ein hohes Wachstum; knapp die Hälfte (4900) schrumpften. Nimmt man überdies alle zusammen, dann ist Deutschland entgegen mancher Prognosen nicht geschrumpft, sondern gewachsen. Mittlerweile leben rund 83 Millionen Menschen in Deutschland.

Mobilfunklöcher

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(Foto: picture alliance / Felix Kästle)

Was es heißt, in einem weißen Fleck der Mobilfunkkarte zu leben? In Brandenburg, Sachsen oder Nordhessen können viele Nutzer ein Lied davon singen. Sie suchen ständig nach Anschluss. Verlässliche Statistiken, wie viele Menschen in Deutschland noch immer vom Mobilfunknetz abgeschnitten sind, gibt es bislang zwar nicht. Doch selbst vorsichtige Schätzungen gehen davon aus, dass Landstriche mit fast zwei Millionen Einwohnern ernste Probleme haben, weil der nächste Mobilfunkmast zu weit weg ist. Die Telekom kommt auf gut 80 Prozent Netzabdeckung in der Fläche - und ist damit der führende Anbieter. Bei der Konkurrenz steckt man häufiger im Funkloch. Die drei großen Anbieter Telekom, Vodafone und die O2-Mutter Telefonica versorgen vor allem Ballungszentren mit guten Verbindungen. Auf dem Land ist das Geschäft für sie weniger lukrativ. Im Bayerischen Wald, in Mecklenburg oder der Lausitz rentiert sich der Aufbau zusätzlicher Masten nicht. Kunden können wenig dagegen machen. Ein Recht auf Handyempfang gibt es nicht. Und die Mobilfunkanbieter kommen der Pflicht zur Netzabdeckung von 96 Prozent der Bevölkerung schon nach, wenn nur einer seinen Kunden Empfang bietet. Zudem überprüft die zuständige Bundesnetzagentur die Angaben der Unternehmen nicht.

Überschuldung

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(Foto: dpa)

Ein großes, wenn nicht gar zentrales Thema im Kampf gegen ungleiche Lebensverhältnisse ist die Schuldenlast, und zwar insbesondere die von Kommunen. Je höher sie ausfällt, desto geringer sind die Möglichkeiten, an den Verhältnissen etwas zu ändern. Schaut man sich im Deutschlandatlas der Bundesregierung die Verschuldungsraten der Gemeinden an, dann fällt eines auf: In dieser Frage gibt es kein West-Ost-Gefälle mehr, sondern vor allem eines von Süden nach Norden. Ein besonderer Gradmesser beim Blick darauf sind die sogenannten Kassenkredite. Damit finanzieren Gemeinden keine Investitionen, sondern laufende Ausgaben. Die Folge: Mit ihnen wird nicht an anderer Stelle neues Vermögen gebildet. Ein Blick auf die Landkarte zeigt, dass die Grenze hier ziemlich präzise zwischen Bayern und Baden-Württemberg einerseits und dem restlichen Bundesgebiet andererseits verläuft. Im Süden ist die Zahl der Gemeinden, die eine hohe Pro-Kopf-Belastung mit solchen Krediten aufweisen, eher gering bis sehr gering. Ganz anders sieht das zuvorderst im Westen aus, also in Rheinland-Pfalz, im Saarland und in Nordrhein-Westfalen. Hier werden viele Kommunen besondere Hilfe brauchen, sollen sie mehr Spielraum für Investitionen bekommen, um sich so dauerhaft wieder attraktiver zu machen.

Schlechtes Internet

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(Foto: dpa)

Schnelle Online-Verbindungen seien in Deutschland noch immer nicht flächendeckend zu haben. Vor allem auf dem Land gebe es Probleme. Diese Analyse eines Staatssekretärs klingt fast wörtlich wie eine aktuelle Bestandsaufnahme. Sie stammt aber aus dem Jahr 2008. Die Bundesregierung, auch vor elf Jahren von einer großen Koalition getragen, kündigte damals entschlossen an: Man wolle die Lücken schließen. Bis 2009. Eine Dekade lang aber hat sich wenig gebessert. Noch immer ist der Anteil der Breitbandverbindungen niedriger als in anderen Ländern - vor allem in Ostdeutschland. Im jüngsten internationalen "State-of-the-Internet-Report" liegt Deutschland weltweit auf Position 25. Südkoreaner surfen doppelt so flott. Wie beim Mobilfunk lohnt sich der Ausbau schneller Netze etwa durch Glasfaserkabel in ländlichen Regionen für Unternehmen nicht. Nun läuft der Bundesregierung die Zeit davon. Sie hat sich eine knallharte Frist gesetzt. Spätestens im Jahr 2025 soll der Zugang zum schnellen Internet gesetzlicher Anspruch werden. Allerdings werden auch finanzielle Hilfen die Probleme allein nicht lösen. Der Bund hatte in den letzten Jahren schon Milliarden für die Förderung des Ausbaus bereitgestellt, doch die Mittel flossen etwa wegen Engpässen in der Bauwirtschaft nur zögerlich ab.

Wohnungsleerstand

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(Foto: dpa)

Wohnungsmangel, unbezahlbare Mieten, unerschwingliche Häuser - in Deutschland gibt es das vornehmlich in den Ballungszentren. Es ist zu einem der drängendsten sozialen Probleme geworden. Trotzdem ist dieses Bild nur die eine Hälfte der Geschichte. Denn gleichzeitig gibt es immer mehr Regionen, insbesondere in Ostdeutschland, die allenfalls an der Peripherie der Boom-Städte liegen, in denen mehr und mehr Wohnungen leer stehen. Nach seriösen Schätzungen hat sich ihre Zahl inzwischen auf mehr zwei Millionen Wohnungen erhöht. Auf einer Landkarte sieht man vor allem in weiten Teilen Sachsens, Thüringens, Sachsen-Anhalts und Brandenburgs weite Landstriche, in denen besonders viel Wohnraum leer steht. Statistisch ergibt sich folgendes Bild: Im Westen erreicht der Leerstand 4,4 Prozent; im Osten sind es - mit Ausnahme Berlins - inzwischen mehr als zehn Prozent. Sieht man noch differenzierter hin, dann steht in manchen Landkreisen, so im Salzlandkreis, im Vogtland, im Altenburger Land oder auch in der Stadt Dessau-Roßlau fast jedes fünfte Haus leer. Allerdings kann man in West wie Ost auch sehr genau und ähnlich das Gefälle zwischen Stadt und Land beobachten. Städte mit 100 000 Einwohnern und mehr haben überall in Deutschland so gut wie keinen Leerstand mehr.

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