Süddeutsche Zeitung

Militäreinsatz in Mali:"Wen bilden wir da aus?"

Nach dem Abzug Frankreichs aus Mali stellt Verteidigungsministerin Lambrecht die Zukunft der EU-Mission im Land in Frage. Am UN-Einsatz Minusma soll sich die Bundeswehr aber möglichst weiter beteiligen.

Von Paul-Anton Krüger und Mike Szymanski, Berlin

Die Entscheidung Frankreichs, seine Truppen aus Mali abzuziehen, wird Auswirkungen auf das deutsche Engagement in der Sahelzone haben und könnte zum Ende der Beteiligung der Bundeswehr an der EU-Mission EUTM zur Ausbildung der malischen Armee führen - zumindest in ihrer heutigen Form. Das hat Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) am Donnerstag in Brüssel am Rande des Treffens mit ihren Nato-Kollegen deutlich gemacht.

Zwar sind die französische Anti-Terror-Operationen Barkhane und Takuba getrennt von der UN-Stabilisierungsmission Minusma und EUTM, an denen die Bundeswehr sich beteiligt. Auch bei "Minusma stützen wir uns aber auf französische Fähigkeiten", sagte Lambrecht. Die französische Armee stellt mit ihren derzeit noch in Mali stationierten Kampfhubschraubern die Sicherung aus der Luft für Minusma und das deutsche Kontingent.

Die UN-Stabilisierungsmission will die Bundesregierung nach Möglichkeit erhalten. Die Absicherung aus der Luft sei aber für die Sicherheit der Soldaten unverzichtbar, sagte Lambrecht, und "wichtig für die Entscheidung, ob wir die Missionen verlängern". Beide Bundestagsmandate für den Einsatz der Bundeswehr in Mali laufen zum 31. Mai aus. Für EUTM ist eine Obergrenze von 600 Soldatinnen und Soldaten festgelegt, für Minusma 1100, tatsächlich im Einsatz in den beiden Missionen sind derzeit etwas mehr als 1300 Angehörige der Bundeswehr.

In Berlin heißt es, Minusma finde, anders als der französische Anti-Terror-Einsatz, weiter Akzeptanz in der Bevölkerung und trage dazu bei, dass das Land nicht völlig ins Chaos abrutsche. Lambrecht sprach von einem "sehr wesentlichen Beitrag", den die Bundeswehr leiste durch Aufklärung. Deutschland hat dort eine Drohne vom Typ Heron TP stationiert sowie Fennek-Spähpanzer; das gesamte Lagebild der UN-Mission hängt davon ab.

Berlin will die Sahelzone nicht Russland überlassen

Außerdem stellt Deutschland den Brandschutz am Flughafen in Gao sicher und ist für den Lufttransport zuständig. Darunter fällt auch die Rettungskette, falls Soldaten verwundet werden. Zugleich gilt es der Bundesregierung als wichtig, die Sahelzone nicht Russland zu überlassen. Der Einsatz russischer Söldner der Gruppe Wagner in Mali hatte den schon länger währenden Konflikt zwischen Paris und der Militärregierung in Bamako auf die Spitze getrieben.

Lambrecht sagte, eine Option wäre, dass Paris seine Hubschrauber ins benachbarte Niger verlegt - und von dort aus im Rahmen des Minusma-Mandats operiert. Sollte Frankreich dies nicht tun, müssten andere Länder diesen Teil der Operation übernehmen. Deutschland hatte von 2017 bis 2018 vier Kampfhubschrauber vom Typ Tiger im Mali-Einsatz. 2017 stürzte eine Maschine ab, die beiden Piloten wurden getötet. Ein Wartungsfehler führte zum Unglück.

Eine neue Entsendung wäre laut Lambrecht aber "ein völlig anderes Mandat", das der Bundestag beschließen müsste. Es ist fraglich, ob es dafür in der Ampelkoalition eine Mehrheit gäbe. Ein von Frankreich betriebenes Lazarett zu ersetzen, sei dagegen "relativ einfach und unkompliziert zu kompensieren", sagte Lambrecht.

Bei der EU-Ausbildungsmission EUTM zeigte sich Lambrecht hingegen "sehr skeptisch, ob wir da zu einer Verlängerung des Mandats kommen". Sie verwies darauf, dass nicht klar sei, ob sich die damit verbundenen politischen Ziele noch erreichen ließen nach dem Militärputsch. Man müsse sich fragen: "Wen unterstützen wir da? Wen bilden wir da aus?" Ähnlich äußerte sich die Staatsministerin im Auswärtigen Amt, Katja Keul (Grüne), die sich jüngst in Mali einen Eindruck von der Lage verschafft hatte. Die Militärregierung in Bamako von Oberst Assimi Goïta, habe "bisher keine glaubhaften Signale gesendet, zügig zur Demokratie zurückzukehren", und lege Frankreich Steine in den Weg.

Die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann, Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, sagte der Süddeutschen Zeitung, man sollte "die Zeit nutzen, auszuloten, wie unser Engagement in Mali weiter aussehen kann". Die Bundeswehr sei auf Einladung der malischen Regierung im Land. "Wir müssen uns sehr ernsthaft mit unseren Aufgaben dort auseinandersetzen. Es ist zu früh, um jetzt irgendetwas auszuschließen", sagte sie.

Als denkbar gilt es in der Bundesregierung, den EUTM-Einsatz mit der Ausbildung von Spezialkräften in Niger fortzuführen, wo heute schon 200 der 300 Soldaten stationiert sind. Dieser Teil der Mission gilt Berlin als durchaus erfolgreich.

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