Lage in den Städten:Wenn Schilder und Anwälte helfen sollen

In Deutschlands Kommunen gibt es bereits erste Fahrverbote, andernorts versuchen die Rathäuser oder Bundesländer noch, sie abzuwenden. Ein Überblick von Köln bis Berlin.

Von Thomas Hahn, Susanne Höll, Reymer Klüver, Roland Preuß und Jens Schneider

Premiere in Hamburg

Hamburg wurde am 31. Mai 2018 die erste deutsche Stadt mit einer Durchfahrtsbeschränkung für Dieselfahrzeuge, die nicht dem Standard Euro 6 genügen. Seither sind für solche Autos zwei Streckenabschnitte in Altona tabu, nämlich 580 Meter in der Max-Brauer-Allee und 1600 Meter in der Stresemannstraße - wobei das letztere Verbot nur für Lastwagen gilt. Beschränkungen und Umleitungen sind ausgeschildert. Ob sich jeder daran hält, ist schwierig zu kontrollieren. Zwischenergebnis? Leicht verbesserte Stickoxidwerte an der Stresemannstraße, keine Veränderung an der Max-Brauer-Allee - und weiterhin liegen die Werte über dem Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter. "Der Trend stimmt", findet die Umweltbehörde des grünen Senators Jens Kerstan. Aber für eine Bilanz sei es noch zu früh.

Schock in Frankfurt

Im Spätsommer 2018 waren nicht nur viele Einwohner Frankfurts, sondern auch Menschen aus dem Umland schockiert. Das Verwaltungsgericht Wiesbaden hatte der Stadt ein großflächiges Fahrverbot in der Innenstadt verordnet. Dazu aber wird es wohl nicht kommen. Zum einen gab der Verwaltungsgerichtshof in Kassel der Kommune und dem Land Hessen eine Art juristische Gnadenfrist von etwa einem Jahr, um die Luft am Main zu verbessern. Und die Stadt unternimmt viel, damit es besser wird. Inzwischen werden sogar Müll-E-Autos getestet. Gut möglich, dass nächstes Jahr nur einige Straßen für alte Diesel-Autos gesperrt werden. Das aber ließe sich leichter kontrollieren als alle Zufahrtswege in die City. Von automatisierten Nummernschild-Kontrollen hat Frankfurt übrigens nie etwas gehalten.

Aufschub in Köln

Im November hat das Kölner Verwaltungsgericht die Bezirksregierung zu Diesel-Fahrverboten in weiten Teilen von Köln verpflichtet - und zwar von kommenden April an. Vorerst wird es aber nicht dazu kommen, denn das Land Nordrhein-Westfalen ist gegen das Urteil in Berufung gegangen, bis zu einer Entscheidung tritt es nicht in Kraft. In ihrem vergangene Woche vorgelegten Luftreinhalteplan setzt die Bezirksregierung stattdessen auf andere Instrumente wie eine Erneuerung der Busflotte und Ampeln, die sich besser am Verkehr orientieren. Für den Fall, dass es doch zu Fahrverboten kommt, hat die Stadt eine Kontrolle per Videoüberwachung bereits abgelehnt: Man habe datenschutzrechtliche Bedenken, zudem sei es teuer, eine solche Anlage zu errichten und zu betreiben.

E-Busse in Aachen

Aachen zählt zu den Städten, die notorisch die Grenzwerte für Stickstoffdioxid überschreiten, obwohl es bereits seit zehn Jahren einen Luftreinhalteplan gibt. Aber er wirkte zu wenig. Auf eine Klage der Deutschen Umwelthilfe hin forderte das Verwaltungsgericht Aachen vergangenen Juni, Diesel-Fahrverbote zum 1. Januar dieses Jahres vorzubereiten. Doch die Stadtverwaltung wehrte sich. Aachen legte Rechtsmittel ein, die nächste Instanz soll bis zum Sommer entscheiden. Der neue Luftreinhalteplan sieht trotz des Urteils keine Fahrverbote vor. Oberbürgermeister Marcel Philipp hatte bereits nach der Urteilsverkündung gesagt, die Stadt könne ein solches Verbot nicht kontrollieren. Nun soll ein 22-Millionen-Programm Fahrverbote abwenden, etwa durch neue Elektrobusse und höhere Parkgebühren.

Hoffnung in Essen

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen war ein Kracher. Nicht nur verhängten die Richter im November ein Fahrverbot für alte Diesel (bis Euro-Norm 4) und Benziner (Euro 1 und 2) in gleich 18 Essener Stadtteilen zum 1. Juli 2019. Sie ordneten für diesen Zeitpunkt auch gleich die Sperrung der A 40, des sogenannten Ruhrschnellwegs, im Stadtgebiet an. Es wäre das erste Fahrverbot auf einer Autobahn. Doch dazu wird es so schnell nicht kommen. Nordrhein-Westfalens Landesregierung legte Berufung gegen das Urteil ein. Sie hofft offenbar, dass sich das Problem bis zur Verhandlung in zweiter Instanz von allein löst: entweder weil bis dahin ein neuer Luftreinhalte-Plan Wirkung zeigt - oder weil die Grenzwerte für die Stickoxid-Belastung erhöht werden, wie es die Bundesregierung will.

Tempo 30 in Berlin

Noch gibt es in der Hauptstadt keine Fahrverbote wegen zu hoher Stickoxidwerte. Die sollen bis Ende Juni mit dem neuen Luftreinhalteplan kommen, der festlegen wird, wie die Einhaltung der Grenzwerte erreicht werden kann. Dabei soll es in Berlin keine Fahrverbotszonen geben. Vielmehr will die Stadt nach den Vorgaben des Verwaltungsgerichts einzelne Abschnitte mit einem Fahrverbot für Diesel der Euronorm 0 bis 5 belegen. Als unvermeidlich gelten Fahrverbote für elf Abschnitte auf acht Straßen - insgesamt ein Kilometer. Für weitere 106 Abschnitte seien Verbote zu prüfen, heißt es aus dem Haus von Umweltsenatorin Regine Günther. Sie setzt auch darauf, dass Tempolimits helfen können. Auf der Leipziger Straße, Berlins am stärksten belasteter Straße, wird das mit einem Tempo-30-Pilotversuch geprüft.

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