Lage der Nation:Hey, versucht's noch mal mit mir

Donald Trump hat zum ersten Mal in seiner Amtszeit so geredet, wie es Amerikas Präsidenten gewöhnlich tun - das kommt gut an.

Von Sacha Batthyany

Als Kandidat im Wahlkampf betonte Donald Trump, er könne durchaus auftreten wie ein Präsident. "Wenn ich es denn will", fügte er stets hinzu. Am Dienstagabend im Kongress wollte er. In seiner zweiten großen Rede seit seinem Einzug ins Weiße Haus zeigte sich der neue Präsident versöhnlicher und weniger pessimistisch als bisher. Anders als in früheren Auftritten schürte Trump keine Ängste vor einem bevorstehenden Niedergang der USA, im Gegenteil, er sprach vom Beginn einer "neuen Blütezeit" amerikanischer Forschung und Erfindungen. Nicht weniger als eine Neuauflage des American Dream versprach er.

In neun Jahren werden die Vereinigten Staaten das 250. Jubiläum ihrer Gründung feiern. "Alles, was in unserem Land kaputt ist, kann wieder gut gemacht werden" bis dahin, sagte der Präsident, "jedes Problem kann gelöst werden." Jede leidende Familie werde neue Hoffnung finden, versicherte Trump, der die versammelten Senatoren und Abgeordneten und die Millionen von Zuschauern vor den Fernsehern zu bitten schien, ihm eine Chance zu geben: "Gemeinsam können wir so viel erreichen", sagte Trump. Und seine Rechnung ging - vorerst - auf. Im Saal wurde die Rede des Präsidenten mehrmals mit tosendem Applaus unterbrochen. Paul Ryan, der republikanische Sprecher des Repräsentantenhauses, sprach von einem "Homerun" und einer "außerordentlichen Leistung". In einer Blitzumfrage des Senders CNN fanden 70 Prozent, Trumps Pläne würden das Land in die richtige Richtung lenken.

Tatsächlich dürfte die Erleichterung gerade unter Trumps Parteifreunden, den Republikanern, groß sein. Denn sie sind zutiefst beunruhigt von den bisher miserablen Zustimmungsraten für Trump. So unpopulär wie er war noch kein US-Präsident zu Beginn seiner Amtszeit (jedenfalls seitdem Meinungsforscher der US-Bevölkerung danach fragen). Zwischen 38 und 50 Prozent der Amerikaner finden ihren neuen Präsidenten gut - je nach Umfrage. Das ist nach historischen Maßstäben unglaublich wenig. Bei Trumps Vorgängern lagen die Zustimmungswerte zumindest zu Beginn ihrer Amtszeit stets jenseits der 60 Prozent. Erst später rauschten sie - wie etwa bei George W. Bush - in den Keller.

Selbst Kritiker gestehen dem Präsidenten zu, erstmals Größe gezeigt zu haben

Trump gab sich nun im Kongress erheblich versöhnlicher als bisher. "Die Zeit des kleinlichen Denkens ist vorbei. Die Zeit der trivialen Kämpfe liegt hinter uns", sagte derselbe Mann, der noch vor Wochen per Tweet darüber gestritten hatte, wie viele Menschen bei seiner Inauguration anwesend waren. Und nur Stunden vor seiner Rede hatte er behauptet, Barack Obama würde Proteste gegen ihn anzetteln. Doch im Kongress sprach er davon, das Land zu vereinen, Rassismus zu überwinden, Gewalt zu stoppen, Frauen zu fördern. Ist das nun der neue Trump oder nur Camouflage für den alten, den leicht entflammbaren? Keiner weiß es. Es habe Falken und Tauben unter seinen Vorgängern gegeben, schrieb die Nachrichten-Website "Daily Beast". Trump aber sei ein Chamäleon. Van Jones, ein politischer Kommentator auf CNN, der sich im Wahlkampf deutlich gegen Trump gestellt hatte, sagte, die Rede sei der Moment gewesen, in dem "Donald Trump Präsident der Vereinigten Staaten wurde". Jones meinte vor allem die Worte, die Trump an die Frau von William Owens richtete, jenem Soldaten der Navy Seals, der kürzlich in Jemen bei einem Anti-Terror-Einsatz ums Leben gekommen war. "Er hat als Held gelebt und ist als Held gestorben", sagte der Präsident zur Witwe, die im Publikum neben Trumps Tochter Ivanka saß und mit den Tränen kämpfte. Trump habe mit seinen Sätzen die "wahre Größe" bewiesen, die es brauche, "um unser Land anzuführen", sagte Jones.

Lage der Nation: "Jedes Problem kann gelöst werden": US-Präsident Donald Trump feierte in seiner Rede vor dem Kongress die Innovationskraft Amerikas.

"Jedes Problem kann gelöst werden": US-Präsident Donald Trump feierte in seiner Rede vor dem Kongress die Innovationskraft Amerikas.

(Foto: Jim Lo Scalzo/AP)

Sogar einige Demokraten haben Trump applaudiert - wenn auch zögerlich

Mit der Wahl seiner anderen Gäste zeigte der Präsident aber das Gesicht, das man von ihm kennt. Er lud Amerikaner ein, die Angehörige durch Gewalt "illegaler Einwanderer" verloren haben. Er kündigte an, im Heimatschutzministerium eine Abteilung namens VOICE nur für Opfer krimineller Einwanderer zu schaffen. Da zeigte sich die Sündenbock-Politik, mit der Trump groß geworden ist. Mehrmals sprach er vom Bau der Mauer zu Mexiko, was die Republikaner zu Standing Ovations veranlasste. "In diesem Moment, in dem ich vor Ihnen stehe und spreche, werden Drogendealer und Gangmitglieder aus dem Land gewiesen", rief Trump.

Neu aber war, dass Trump selbst zur Einwanderungspolitik mildere Töne anschlug. Plötzlich ist nicht mehr von Massenabschiebungen die Rede, sondern von einer Einwanderungsreform. Stunden vor seinem Auftritt, berichtete die New York Times, habe Trump bei einem Lunch mit Journalisten durchblicken lassen, er könne sich vorstellen, nichtregistrierten Migranten den Weg in die Legalität zu ebnen.

Trump fand sogar anerkennende Worte für die Nato und erwähnte seinen neuen Lieblingsfeind, die Medien, kaum. Mit seinem Stimmungswandel schien der Präsident weniger seine Stammwähler anzusprechen, die ihn ins Weiße Haus gebracht haben, sondern das republikanische Establishment im Kongress, auf dessen Unterstützung Trump angewiesen ist, um seine Agenda durchzubringen. Gelegentlich sah man sogar zögerlichen Applaus bei den Demokraten, etwa als Trump davon sprach, dass es eine bezahlte Elternzeit geben solle und die Kinderbetreuung erschwinglicher werden müsse, zwei Forderungen, die das linke Amerika schon lange vertritt.

Für Trump war dieser Dienstagabend ein wichtiger Termin. Er weiß um seine tiefen Umfragewerte. Obwohl er sich in einem Fernsehinterview die Höchstnote für seinen ersten Monat im Amt verlieh, ist ihm nicht entgangen, dass viele seiner Vorhaben stecken geblieben sind - und im Lärm um seine Person versandeten.

"Der Dienstagabend war Imagepflege", schrieb denn auch die Washington Post. Wie Trump etwa seine Steuererleichterungen und seine milliardenschweren Pläne zur Sanierung der Infrastruktur bezahlen wolle, habe der Präsident nicht mit einem einzigen Wort erwähnt. Zudem bestehe bei Trump immer die Möglichkeit, dass er morgen schon seine Aussagen wieder revidiert. Denn was Amerika und die Welt vielleicht schon morgen aus dem Weißen Haus erwarte, wisse oft nicht einmal sein Kabinett.

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