Lage der CDU:Jenseits von Merkel

Angela Merkelv CDU Bundeskanzlerin

CDU-Chefin Angela Merkel auf der Regierungsbank im Bundestag.

(Foto: AP)

Die Union glänzt in Berlin. Aber in einem Bundesland nach dem anderen verliert sie die Macht, nun wohl auch in Thüringen. Die Partei von Bundeskanzlerin Angela Merkel leidet an dramatischer Auszehrung.

Von Robert Roßmann

Auf der politischen Landkarte Deutschlands wird es am Freitag wahrscheinlich eine neue Farbe geben: einen tiefroten Klecks für den ersten linken Ministerpräsidenten. Doch in Thüringen bahnt sich noch eine weitere Zeitenwende an. Falls Bodo Ramelow gewählt wird, werden die Grünen zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik in mehr Ländern mitregieren als die Union.

Die kleinen Grünen säßen an acht Kabinettstischen, die große Union nur noch an sieben. Für die Volkspartei CDU, die sich für die natürliche deutsche Regierungspartei hält, ist das eine Schmach. Das gilt erst recht im Verhältnis zur SPD, die in den Ländern einen veritablen Lauf hat. Lediglich in Bayern und Hessen gibt es noch Regierungen ohne Sozialdemokraten.

Nach einer Wahl Ramelows wird die CDU nur noch vier Ministerpräsidenten stellen. Es ist noch nicht so lange her, dass die Union elf Regierungschefs in ihren Reihen hatte. Wegen der Stärke der CDU im Bund wird diese dramatische Auszehrung gerne übersehen. Dort hebt die Beliebtheit der Kanzlerin die Union weit über alle Konkurrenten.

Nicht einmal mehr in jedem zweiten Land an der Macht

Der desolate Zustand der CDU unterhalb Merkels zeigt sich in den beiden größten Landesverbänden genauso wie in vielen kleinen. In Nordrhein-Westfalen klagen mächtige Bezirkvorsitzende in drastischen Worten über den angeblich führungsschwachen Landeschef Armin Laschet, der gegen Hannelore Kraft keinen Stich mache.

In Baden-Württemberg liefern sich Guido Wolf und Thomas Strobl einen mitunter skurrilen Kampf um die Spitzenkandidatur. Wolf gibt dabei den dichtenden Provinzpolitiker. Und Strobl meint dem politischen Fachmagazin Bunte ein Interview zum "Glücksrezept eines erfolgreichen Powerpaars" geben zu müssen, in dem der Mann einer mächtigen TV-Produzentin sogar über seine Eifersucht spricht. ("Meine Frau ist ja mit vielen jungen, gut aussehenden Schauspielern unterwegs - da kommt man schon mal ins Grübeln.")

Zur Erinnerung: Bei dem Wettstreit von Wolf und Strobl geht es darum, wer Regierungschef in einem der führenden Industriestandorte Europas wird. Gedichte und Powerpaar-Rezepte helfen im globalisierten Wettbewerb aber herzlich wenig.

Auch in Hamburg, Bremen und Schleswig-Holstein liegt die CDU darnieder. In Brandenburg hat sich ein dilettantisch verhandelnder Landesvorsitzender gerade bei den Koalitionsgesprächen von der SPD austricksen lassen. Am schlimmsten ist die Lage aber in Thüringen.

Die AfD ist ein Problem für Merkel

Die chaotisch agierende und zerstrittene Landes-CDU hat mehr zur Stabilisierung von Rot-Rot-Grün beigetragen als Linke, Sozialdemokraten und Grüne zusammen. Bereits die Erwägung, einen CDU-Kandidaten mit Stimmen der AfD (und mindestens eines rot-rot-grünen Abweichlers) zum Ministerpräsidenten wählen zu lassen, diskreditiert die Christdemokraten.

Die Bundes-CDU hat erkannt, wie gefährlich das Flirten mit der AfD ist. Merkel hat der Landespartei empfohlen, keinen Kandidaten gegen Ramelow aufzustellen. Generalsekretär Peter Tauber verlangt sogar, dass ein mit Stimmen der AfD zum Ministerpräsidenten gewählter Christdemokrat die Wahl nicht annimmt. Eine so rigide Einmischung in eine Landespartei hat es lange nicht mehr gegeben.

Erste Risse

Die Parteispitze weiß dabei die Mehrheit ihrer Anhänger hinter sich. Drei Viertel der CDU-Wähler lehnen ein Zusammengehen mit der AfD ab. Ein Bündnis mit den Euro-Kritikern würde einen Großteil des Erfolgs zunichtemachen, den Merkel mit ihrem Modernisierungskurs der vergangenen Jahre hatte.

In der Familien-, Frauen- und Gesellschaftspolitik zeigen sich schon jetzt erste Risse. Durch die Art, wie Fraktionschef Volker Kauder und seine Hintersassen die Debatte über die Frauenquote geführt haben, wurde der Ruf der Union bei vielen Frauen nachhaltig ruiniert.

Die AfD ist aber noch in einer weiteren Hinsicht ein Problem für Merkel. Die Konservativen aus dem CDU-internen Berliner Kreis konnten mit ihren Forderungen bisher auch deshalb nicht reüssieren, weil Merkel mit ihrem Kurs die Partei von Erfolg zu Erfolg führte. In Form der AfD ist nun eine Partei entstanden, die genau die Menschen bindet, denen der Berliner Kreis gerne eine Heimstatt in der CDU gegeben hätte. Merkel muss sich deshalb auf einmal wieder für ihren Modernisierungskurs rechtfertigen.

Einen Vorteil hat die AfD für die CDU aber doch. Die Wähler der Euro-Kritiker kommen auch aus dem Lager der Linken und der SPD. Die AfD wird deshalb das Zustandekommen linker Mehrheiten erschweren. Ausgerechnet dadurch könnte es auch zu einer Renaissance der CDU in den Ländern kommen. In Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg scheint 2016 ein Machtwechsel möglich zu sein. Es wäre eine Trendumkehr für die CDU.

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