Lafontaine an Krebs erkrankt:Drei Sätze - ein Leben

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Oskar Lafontaine behält für sich, wie schwer seine Krebserkrankung ist - und muss seine politische Zukunft offenlassen. Die Linke, die ihn dringend braucht, rätselt, wie viele Ämter sie neu besetzen muss.

Daniel Brössler

Es sind nur drei Sätze. Zwei davon klipp und klar, einer lang und kompliziert. "Ich werde mich am Donnerstag zu einem seit längerem geplanten chirurgischen Eingriff in eine Klinik begeben. Es handelt sich um eine Krebserkrankung", teilt Oskar Lafontaine in einer Pressemitteilung mit.

"Nach überstandener Operation werde ich darüber entscheiden, in welcher Form ich meine politische Arbeit weiterführe" - Oskar Lafontaine. (Foto: Foto: ddp)

Der Mann, der ein Attentat auf sein Leben überstanden hat. Der Mann, der wie kein Zweiter für politischen Abstieg und Wiederaufstieg in Deutschland steht. Der als Einziger Chef zweier Parteien in diesem Land geworden ist. Ein paar in der Führung der Linkspartei wussten davon, dass die Erklärung kommen würde. Sie hatten sie aber erst für Donnerstag erwartet.

Es ist dann ziemlich viel telefoniert worden an diesem Dienstag. Schließlich einigte man sich auf die Devise: Nichts mehr rauszögern. Keine neuen Spekulationen keimen lassen. Die Woche hatte ja nicht gut begonnen. Der Spiegel hatte das "Ende der Ära Lafontaine" verkündet und dies umständlich mit einer angeblichen Liebesgeschichte des 66-jährigen Politikers in Verbindung gebracht.

Das Ende einer Ära? Handelt davon der dritte, der komplizierte Satz in der Erklärung Lafontaines?

"Nach überstandener Operation werde ich zu Beginn des neuen Jahres unter Berücksichtigung meines Gesundheitszustandes und der ärztlichen Prognosen darüber entscheiden, in welcher Form ich meine politische Arbeit weiterführe." Man kann das einmal, zweimal lesen, und auch dann lässt der Satz immer noch sehr viele Fragen offen.

Vor ein paar Monaten noch schien alles ganz klar. Die Linkspartei hatte mit den Spitzenkandidaten Oskar Lafontaine und Gregor Gysi bei der Bundestagswahl triumphiert. 11,9 Prozent, das war das bislang beste Ergebnis. Gysi und Lafontaine, dachte man, würden wieder die Fraktionsführung übernehmen und im Mai dann würde Lafontaine erneut zum Parteivorsitzenden gewählt werden. Diesmal zum alleinigen. Dachte man.

Spätestens am 9. Oktober wird dann klar, dass vieles anders kommen muss. Die neue, auf 76 Abgeordnete angewachsene Fraktion wird in ein Hotel ins schöne Rheinsberg geladen, Bootsfahrt inklusive. Aber aus der ruhigen Landpartie wird nichts. Lafontaine verkündet seinen Verzicht auf den Fraktionsvorsitz, versichert, das sei kein "Rückzug in irgendeiner Weise", und reist vor dem Abendessen wieder ab. Während des Wahlkampfs im Saarland und im Bund hatte Lafontaine mit einer angegriffenen Gesundheit zu kämpfen gehabt und über eine langanhaltende Angina geklagt. Richtig ernst genommen hatten das nur diejenigen, die ihm näher standen.

Vor 19 Jahren war der SPD-Spitzenkandidat Lafontaine bei einem Attentat lebensgefährlich verletzt worden. Bei einem Wahlkampfauftritt in Köln-Mülheim hatte ihm eine geistesgestörte Frau eine Stichwunde am Hals zugefügt. Damals hatte er sich scheinbar rasch erholt, verändert aber hat das Lafontaines Leben natürlich doch. Die politische Figur Lafontaine weiß seither, dass sie Rücksicht nehmen muss auf die Gesundheit des Menschen Lafontaine.

Vor dieser Abwägung steht der Saarländer nun wieder. Schließlich ist er Inhaber nicht nur eines, sondern gleich zweier Parlamentsmandate. Er ist zugleich Abgeordneter des saarländischen Landtags in Saarbrücken und des Bundestages in Berlin und nebenbei noch Parteivorsitzender. Auch für einen Gesunden wäre das zu viel.

Wie schwer seine Krebserkrankung ist, behält Lafontaine für sich. Er sagt auch nicht, um welchen Krebs es sich handelt. Ein kleiner Eingriff jedenfalls ist es nicht, denn Lafontaine bittet um Zeit, will erst Anfang Januar verkünden, wie es politisch weitergeht.

Die Linkspartei darf nun rätseln, ob ihr Gründungsvater ein, zwei oder alle Ämter aufgibt. Er werde doch immer noch gebraucht für den Zusammenhalt des komplizierten Ost-West-Vereins, sagen nun viele aus der Führung. Es klingt ein wenig wie ein Abgesang.

© SZ vom 17. November 2009/segi - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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