Bertelsmann-Studie:Die Betreuung in Kitas ist "nicht zufriedenstellend"

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Personalmangel und fehlende Kompetenz: Die Ergebnisse des Ländermonitorings zeigen, dass die Bildungschancen für die Kleinsten davon abhängen, wo sie leben.

Von Edeltraud Rattenhuber

Trotz aller Investitionen in die kindgerechte Betreuung können viele Kitas in Deutschland ihren Bildungsauftrag nicht zufriedenstellend wahrnehmen. Das ist das Ergebnis des jüngsten Ländermonitorings "Frühkindliche Bildung", den die Bertelsmann Stiftung am Dienstag vorgelegt hat. Grund ist laut der Studie vor allem der Personalmangel in einzelnen Einrichtungen.

Zwar hat sich gegenüber dem Bezugsjahr 2013 einiges verbessert, in manchen ostdeutschen Bundesländern sind die Personalschlüssel angehoben worden, sodass die einzelnen Gruppen nicht mehr so groß sind. Doch war der tatsächliche Personalschlüssel 2019 für 1,7 Millionen Kita-Kinder aus Sicht der Stiftung nicht kindgerecht. Sie empfiehlt, dass rechnerisch in einer Krippe drei Kinder auf eine Fachkraft kommen, in Kindergartengruppen sollen es maximal 7,5 Kinder pro Fachkraft sein.

Die Ergebnisse des Ländermonitorings machen erneut deutlich, dass die Bildungschancen für die Kleinsten vom Wohnort abhängen - und das, obwohl es eine Annäherung zwischen den ost- und westdeutschen Bundesländern hinsichtlich der Personalschlüssel gegeben hat.

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Im bundesweiten Durchschnitt stand für 74 Prozent der Kinder nicht genügend Fachpersonal zur Verfügung. In Ostdeutschland betraf dies 93 Prozent, in Westdeutschland 69 Prozent. Rein rechnerisch betreut im bundesweiten Durchschnitt in Krippengruppen eine Fachkraft 4,2 Kinder (2013: 4,6), in Kindergartengruppen 8,8 Kinder (2013: 9,6). Allerdings ist die reale Personalsituation häufig wesentlich angespannter. Arbeitszeiten für Verwaltungs- oder Hauswirtschafts-Aufgaben, Urlaubszeiten, unbesetzte Stellen oder fort- und weiterbildungsbedingte Abwesenheiten der Fachkräfte würden den Kita-Alltag noch erschweren.

Aufgeschlüsselt nach Bundesländern schneidet Bremen im Krippenbereich am besten ab. 2019 war dort im Durchschnitt eine Fachkraft für drei Kinder unter drei Jahren zuständig. Im Kindergarten bietet Baden-Württemberg den besten Personalschlüssel, er stand 2019 sogar bei 1:6,9. Am schlechtesten steht Mecklenburg-Vorpommern da, mit 1:6 beziehungsweise 1:12,9, allerdings waren die Personalschlüssel dort mit 1:6,1 beziehungsweise 1:14,9 im Jahre 2013 noch weitaus ungünstiger. Auch Sachsen und Sachsen-Anhalt verzeichnen Verbesserungen. Verschlechtert hat sich 2019 gegenüber 2013 nur das Saarland im Krippenbereich (von 3,7 auf 3,9) und Thüringen im Kindergartenbereich (von 11,2 auf 11,6).

Beim Qualifikationsniveau des Personals liegt der Osten vorn

Doch nicht nur die Personalstärke, sondern auch das Qualifikationsniveau des Personals nimmt die Stiftung als Gradmesser für den Bildungserfolg. Und da hapert es noch gewaltig, oft in den westdeutschen Bundesländern. Die könnten hier von den ostdeutschen Ländern lernen. So ist in den ostdeutschen Bundesländern der Anteil des als Erzieher ausgebildeten Personals mit 82 Prozent um 16 Prozentpunkte höher als in den westdeutschen Bundesländern (66 Prozent). Dort arbeitet deutlich mehr Personal auf Assistenzniveau, beispielsweise als Kinderpflegerin oder Sozialassistentin. Insbesondere bei einem Personalmangel steigt damit das Risiko einer niedrigeren Bildungsqualität.

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Wie sich der Personalmangel und die unzureichenden Kompetenzen des Personals in der pädagogischen Praxis auswirken, zeigt eine zeitgleich vorgelegte Studie der Fernuniversität Hagen. Diese hat dafür bundesweit Kita-Teams befragt. Diese beschreiben, dass sie bei Personalmangel weniger auf die Bedürfnisse der Kinder eingehen können und deren individuelle Förderung in den Hintergrund treten muss. Wenn die Gruppen wegen Personalmangels zu groß werden, bedeutet das für die Kinder und das Fachpersonal übermäßigen Stress, etwa durch Lautstärke, und können dazu führen, dass entwicklungsangemessene Aktivitäten nicht stattfinden können.

Für Jörg Dräger, den Vorstand der Bertelsmann Stiftung, sind die aktuellen Daten ein Appell, den Ausbau der frühkindlichen Bildung nicht schleifen zu lassen. "Der Kita-Ausbau der letzten Jahre war beachtlich", sagt er. Da es keine bundeseinheitlichen Qualifikationsstandards für das Personal gebe, fordert er ein Bündnis von Bund, Ländern, Kommunen, Wohlfahrtsverbänden und Gewerkschaften. Dieses solle attraktive Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen schaffen und eine angemessene Bezahlung durchsetzen. Zudem solle es Unterstützung und Beratung für das Kita-Personal anbieten. An einer dauerhaften und angemessenen Finanzierungsbeteiligung des Bundes geht laut Dräger kein Weg vorbei, denn: "Gute pädagogische Arbeit für die Kleinsten geht nur mit zusätzlichen Mitteln."

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