Länderfinanzausgleich:Pflicht und Schuld

Die Länder fordern, dass der Bund ihnen mehr Geld überweist. Der gewährt ihnen einen Festbetrag - und pocht zugleich auf Solidarität. Denn Berlin, so heißt es, dürfe nicht die Rolle der finanzstarken Länder übernehmen.

Von Cerstin Gammelin, Berlin

Wie viel Geld bekommen finanzschwache Länder, in denen keine Konzerne, Forschungszentren oder Mittelständler sitzen, nach 2020 von reicheren Nachbarn, damit die Lebensbedingungen in Deutschland annähernd gleich bleiben? Und wie viele Milliarden Euro gibt der Bund den Ländern dazu, damit diese alle staatlichen Aufgaben erfüllen können? An diesem Donnerstag unternehmen Bund und Länder erneut den Versuch, sich auf die Neuordnung ihrer Finanzbeziehungen von 2020 an zu einigen. Es ist die wichtigste Entscheidung dieser Legislaturperiode.

Vertreter beider Seiten äußerten sich vorab vorsichtig optimistisch. Man habe sich angenähert, sei aber noch nicht beieinander, hieß es in der Bundesregierung und in den Ländern. Der Wille sei jedenfalls da.

In mindestens zwei grundsätzlichen Punkten lagen Bund und Länder am Mittwoch noch auseinander: Der Bund wirft den Ländern vor, sich unsolidarisch zu zeigen und die Verantwortung für die Finanzierung finanzschwacher Länder auf den Bundeshaushalt übertragen zu wollen. Die Länder fordern deutlich höhere und dynamisch wachsende Zuschüsse des Bundes, sie wollen selbst weniger untereinander ausgleichen. Wie aus Verhandlungskreisen verlautete, würde der Zuschuss des Bundes nach den Forderungen der Länder von 9,6 Milliarden Euro in 2020 auf knapp 15 Milliarden Euro in 2030 steigen - und zwar auf Basis der wirtschaftlichen Daten von 2016. In der Realität, so hieß es weiter, dürfte der Zuschuss weit höher ausfallen.

Berlin, heißt es, dürfe nicht "an die Stelle der finanzstarken Länder treten"

Genau diese Dynamisierung der Ausgaben lehnt die Bundesregierung ab. Einerseits aus Sorge, den Bundeshaushalt endgültig zu überlasten. Es sind bereits künftige Zusatzausgaben in Milliardenhöhe für Außenpolitik, Migration oder die Energiewende sowie das Risiko steigender Zinsen auf die Schulden des Bundes absehbar.

Andererseits lehnt der Bund es ab, mehr und mehr die Finanzierung der Länder zu übernehmen. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) ist zwar bereit, mehr Geld an die Länder überweisen zu lassen und hat von 2020 an 8,5 Milliarden Euro als Festbetrag angeboten. Er pocht jedoch darauf, dass sich die Länder untereinander solidarisch finanzieren.

Schäuble hat sich damit einer früheren Forderung der Koalitionsfraktionen angeschlossen. Das stärkt seine Verhandlungsposition den Ländern gegenüber. Die Bundestagsfraktionen von SPD und Union fordern seit Langem mehr Ländersolidarität ein. Mit Blick auf die Verhandlungen am Donnerstag sagte SPD-Fraktionsvize Carsten Schneider der Süddeutschen Zeitung: "Der Bund darf nicht an die Stelle der finanzstarken Länder treten und zum Finanzier der armen Länder werden." Eine Abschaffung des Länderfinanzausgleichs "kommt deshalb nicht infrage". Unionsfraktionsvize Ralph Brinkhaus warnte davor, die Verantwortung der Länder auf den Bund abzuwälzen. "Die Ländersolidarität darf nicht schleichend auf den Bund übertragen werden", sagte er der SZ.

Auf dem Verhandlungstisch wird am Donnerstag auch ein 15 Forderungen umfassender Katalog aus dem Bundesfinanzministerium liegen. Schäuble will die Auftragsverwaltung für Bundesautobahnen von den Ländern an den Bund übertragen lassen und eine Bundesfernstraßengesellschaft gründen lassen. Damit soll es künftig möglich sein, Autobahnen privat betreiben zu lassen. Außerdem soll ein IT-Fonds zum Ausbau der digitalen Verwaltung gegründet werden. Die Länder sollen ihre Sozialleistungen künftig stärker in Eigenregie beschließen dürfen. Auch Vorschusszahlungen für Kindesunterhalt sollen aufkommensneutral von den Ländern getragen werden.

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