Länderfinanzausgleich:Münchner Haie

Winterklausur CSU-Fraktion

Will für den Freistaat Bayern gegen den Länderfinanzausgleich klagen: Horst Seehofer.

(Foto: dpa)

Aus Münchner Sicht spielt der Freistaat in der Champions League, wird aber durch Nichtsnutze gehindert, die Früchte harter Arbeit zu ernten: Bayern hat 2012 fast vier Milliarden Euro in den Finanzausgleich einbezahlt. Das Land will klagen, vergisst jedoch seine eigene Vergangenheit.

Ein Kommentar von Joachim Käppner

Von Franz Josef Strauß selig soll der Satz stammen: Eher lernt ein Hund, einen Wurstvorrat anzulegen, als ein Sozi, mit Geld umzugehen. Bayerns heutiger Ministerpräsident Horst Seehofer weist mit ähnlichem Gestus nach Berlin, wo die roten Schlucker hocken und das meiste Geld aus dem Länderfinanzausgleich kassieren, nur um es im märkischen Sand für ihren Geisterflughafen zu vergraben. Aus Münchner Sicht spielt der Freistaat nämlich wirtschaftlich in der Champions League, wird aber durch Minderleister und Nichtsnutze gehindert, die Früchte harter Arbeit zu ernten.

Er hat 2012 fast vier Milliarden Euro in den Finanzausgleich einbezahlt. Das ist viel, mehr als die Hälfte der Gesamtsumme von 7,9 Milliarden, die von den reicheren an die ärmeren Länder umverteilt wird. Nun wollen die Geber Bayern und Hessen vor dem Bundesverfassungsgericht klagen. Bayern wird in der Tat ungerecht behandelt - wenn man Gerechtigkeit als das Recht des Stärkeren begreift, möglichst wenig Steuereinnahmen abzugeben.

Genau dies, das Abgeben, verlangt aber das Grundgesetz: Nach Artikel 107 muss "die unterschiedliche Finanzkraft der Länder angemessen ausgeglichen" werden. Die Verfassung will nicht, dass der Föderalismus funktioniert wie der Wettbewerb in der Wirtschaft. Sie erlaubt es nicht, dass der Bundesstaat zum Haifischbecken verkommt, zum survival of the fittest.

Das alles bedeutet nicht, dass der Finanzausgleich nicht reformbedürftig wäre. Die Musterknaben Bayern und Baden-Württemberg etwa gehen sehr lässig mit Steuerprüfungen um. Wozu Investoren gängeln, scheint man zu denken, wenn ein guter Teil des Mehrgewinns ja doch im Finanzausgleich verschwindet? Mit umkehrten Vorzeichen gilt das auch für die Nehmerländer. Es wird, kein Zweifel, mehr Anreize zum guten Wirtschaften geben müssen. Es geht hier freilich um einzelne Stellschrauben, die neu zu justieren sind - nicht um das System selbst.

Die Bayern aber lamentieren, als liege die Finanzlage eines Bundeslandes allein am Wirtschaften seiner Regierung - so wie es vom Können eines Unternehmers abhängt, ob seine Bilanzzahlen Freude machen oder zum Schluchzen sind. Aber ein Staatswesen funktioniert anders. Es gibt regionale Unterschiede, Strukturschwächen, Folgelasten der deutschen Einigung, industriellen Wandel, Ab- und Zuwanderung; an all dem ändert die Steuerpolitik nur bedingt etwas. Bremen gibt sich einige Mühe beim Sparen und wird doch lange Nehmerland bleiben.

Was die Bayern gern unerwähnt lassen

Der Bundesstaat gleicht einer Großfamilie: Sie mag Sorgenkinder und reiche Verwandte haben und vielleicht sogar einen Müßiggänger, der lieber morgens die Bierdose öffnet, statt zur Arbeit zu gehen. Aber in die Kategorie der teuren Kostgänger hat lange Zeit der Freistaat Bayern selbst gehört. Als in München noch der Hundefänger umging, da wurde es von jenen Bundesländern mit durchgefüttert, in denen die Schlote rauchten.

Die Eilpost mit der Klageschrift wird die Anschrift des Verfassungsgerichtes tragen, aber eigentlicher Adressat sind Bayerns Wähler, die im Herbst über den neuen Landtag entscheiden. Seehofer beherrscht die Kunst, sein Land arm zu rechnen und sich künstlich zu empören: "Wir sind solidarisch, aber nicht blöd!"

Es klingt, als würden die treuen und fleißigen Landeskinder ausgeplündert wie im 18. Jahrhundert, als der Kaiser in Wien die berittenen Scharen der Panduren Bayern so gründlich ausrauben ließ, dass die Bauern glaubten, die wilden Reiter kämen direkt aus der Hölle. Beim Finanzausgleich aber geht es um wenige Prozent des Steueraufkommens der Länder.

Was die Runterrechner auch gern unerwähnt lassen, ist die Verteilung der Umsatzsteuer zwischen den Ländern. Als eine der größten Einnahmequellen des Staates ist sie nicht Teil des Länderfinanzausgleichs, hier zahlte 2011 Nordrhein-Westfalen mehr als Bayern, gleich acht Länder gehörten zu den Gebern.

Ganz so groß ist der Schaden also nicht, den das Verfassungsgericht jetzt richten soll. Die Erfolgsaussichten der Klage sind nicht sehr hoch. Das grün-rote Baden-Württemberg, auch ein großer Nettozahler, macht gleich gar nicht mit. Im Kern wird Karlsruhe das Ausgleichsgebot des Grundgesetzes kaum antasten, bis 2019 wird der Finanzausgleich ohnehin völlig neu ausgehandelt.

Übrigens gibt es auch eine Art Finanzausausgleich innerhalb der Länder. So wird vieles, was der Staat Bayern für klamme Kommunen im Bayerischen Wald und im Fichtelgebirge ausgibt, von Steuergeld bezahlt, das in der Boomregion München erwirtschaftet wird. Aber die Münchner haben noch nie gesagt: Wir sind doch nicht blöd.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: