Länderfinanzausgleich:Geberländer drohen mit Klage

Einsparungen oder Klage: Im Streit um den Länderfinanzausgleich machen Baden-Württemberg, Bayern und Hessen Druck. Ein Geberland aber erhofft sich von einer Klage nichts.

Die Geberländer Baden-Württemberg, Bayern und Hessen haben den Nehmern im Länderfinanzausgleich ein Ultimatum für neue Verhandlungen gesetzt. Wenn die Empfänger nicht zu ernsthaften Gesprächen bereit seien, werde man vor dem Bundesverfassungsgericht klagen, hieß es nach einer gemeinsamen Kabinettssitzung der drei schwarz-gelben Landesregierungen in Stuttgart. "Bis zum Sommer sehen wir, ob wir zu konstruktiven Gesprächen kommen", sagte Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier.

Gemeinsame Kabinettssitzung der Landesregierungen von Bayern, Baden-Wuerttemberg und Hessen

Vor der gemeinsamen Kabinettssitzung der Landesregierungen von Hessen, Baden-Württemberg und Bayern, die Ministerpräsidenten Volker Bouffier, Stefan Mappus und Horst Seehofer (v.l.n.r.): "Wenn die Klageschrift steht, dann geht es nach Karlsruhe."

(Foto: dapd)

Vorerst aber wolle man keine Verfassungsklage einrichen. Die Landesregierungen der drei Länder entschieden zwar in einer gemeinsamen Kabinettssitzung in Stuttgart, eine Klageschrift in Auftrag zu geben. Zugleich aber wollen sie ihr Gesprächsangebot an die Nehmerländer aufrechterhalten. Sollten die Gespräche nicht zu einem Erfolg führen, werde die Klage eingereicht, hieß es.

Unterdessen hat bereits ein Land erklärt, dass es sich von einer möglichen Klage wenig erhofft: Hamburg verspreche sich davon keinerlei Vorteile, sagte der Sprecher der Hamburger Finanzbehörde, Daniel Stricker. Man befürchte vielmehr, dass im Zuge einer Klage die für Stadtstaaten vorteilhafte Einwohnerwertung gekippt werden könnte. Die Hansestadt habe bei dieser Bewertung den Vorteil, dass in der Zuteilung von Einnahmen statt der üblichen 100 Prozent für jeden Hamburger Einwohner 135 Prozent angesetzt würden.

Der Stuttgarter Regierungschef Stefan Mappus (CDU) sagte, es werde nun eine Klage gegen den "leistungfeindlichen Finanzausgleich" vorbereitet. "Während die Klageschrift erstellt wird, sind wir zu Gesprächen bereit", sagte Mappus. "Wenn man nicht zu Gesprächen bereit ist, (...) dann muss es legitim sein, dass man sich entsprechend zur Wehr setzt."

Mappus forderte, es müsse Anreize für die Nehmerländer geben, aus dem System herauszukommen. Viele Nehmerländer hätten sich in ihrer Lage als Empfänger eingerichtet. Dies unterstützte der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU), der sich ausdrücklich für eine Solidarität mit den neuen Bundesländern aussprach. "Wir begleiten ausdrücklich das Angebot, dass uns Gespräche wichtiger sind als Gerichtsentscheidungen", sagte Seehofer.

Wowereit appelliert an Solidarität

Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) hat die Kritik der süddeutschen Länder am Länderfinanzausgleich zurückgewiesen. "Niemand sollte daran denken, die bundesstaatliche Solidarität aufzukündigen", forderte Wowereit. Der Länderfinanzausgleich habe sich über Jahrzehnte als Instrument bewährt, die vom Grundgesetz geforderte Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in Deutschland zu gewährleisten.

Die Länder Bayern, Baden-Württemberg und Hessen wollen vorerst zwar keine Verfassungsklage gegen den Länderfinanzausgleich einreichen, behalten sich dies aber weiter vor. "In der augenblicklich geführten Debatte wird auch viel Schaumschlägerei betrieben", beklagte Wowereit. Das stehe offenbar im Zusammenhang mit der bevorstehenden Landtagswahl in Baden-Württemberg. Für Berlin sei völlig klar, "dass wir unsere finanzielle Konsolidierungspolitik fortsetzen, aber auch darauf bestehen, unsere politischen Schwerpunkte selber zu setzen".

Für den Berliner Senat stehe Bildung aus vielen Gründen ganz oben. Auch Baden-Württemberg könnte sich die gebührenfreie Kita leisten, aber es habe sich für andere Prioritäten entschieden. Der seit diesem Jahr kostenlose Kita-Besuch in Berlin war von den Südländern kritisiert worden.

Die drei sogenannten Geberländer aus dem Süden fordern eine Neuordnung des Ausgleichssystem, mit dem finanzschwache Bundesländer von den leistungsstärkeren Unterstützung erhalten. Unter anderem kritisieren sie, dass den Nehmerländern der Anreiz für mehr haushaltspolitische Selbstdisziplin fehlt. Die meisten Nehmerländer haben bislang aber keine Gesprächsbereitschaft signalisiert. 2010 umfasste der Länderfinanzausgleich knapp sieben Milliarden Euro. Größter Geber war Bayern, größter Empfänger Berlin.

Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier sagte, die drei Länder seien die wirtschaftliche Achse Deutschlands. Hessen und Baden-Württemberg zahlten von Anfang an und stützten damit die anderen Bundesländer. "Deshalb brauchen wir keine Belehrungen über Föderalismus", antwortete der CDU-Regierungschef auf Kritik aus den Nehmerländern.

Die drei Länder zahlten 2010 rund sieben Milliarden Euro in den Ausgleich, der bis 2019 gilt. Bayern bezahlte nach einer vorläufigen Abrechung 2010 rund 3,5 Milliarden Euro, Hessen 1,74 Milliarden Euro und Baden-Württemberg etwa 1,69 Milliarden Euro. Größtes Nehmerland mit etwa drei Milliarden Euro aus dem Ausgleich in Berlin.

Die Grundidee des Länderfinanzausgleichs klingt einfach und fair: Die Starken helfen den Schwachen. Denn jedes der 16 Bundesländer hat aufgrund seiner wirtschaftlichen, geografischen und regionalen Besonderheiten unterschiedlich hohe Einnahmen. Hauptziel ist laut Grundgesetz die "Vereinheitlichung der Lebensverhältnisse". So regelt der Finanzausgleich seit Jahrzehnten die Verteilung der Einnahmen zwischen Bund, Ländern und Kommunen.

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