Länder für umstrittene Drittstaatenregelung:EU bekommt gemeinsames Asylrecht

Jahrelang dauerten die Verhandlungen, nun setzten die Innenminister der 15 "alten" EU-Länder einen Schlusspunkt: Künftig können Asylbewerber in ganz Europa schon an der Grenze zurückgewiesen werden. Auch eine frühzeitige Abschiebung ist nun möglich.

Unmittelbar vor dem Beitritt der zehn neuen Mitgliedstaaten einigten sich die Innenminister am Donnerstag in Luxemburg auf eine Richtlinie, die eine Zurückweisung von Asylbewerbern an der Grenze erlaubt, wenn diese aus vorab festgelegten sicheren Drittstaaten kommen. Auch eine Abschiebung vor der Entscheidung über so genannte Folgeanträge der Asylbewerber ist danach möglich.

Bundesinnenminister Otto Schily zeigte sich sehr zufrieden mit dem Ergebnis, das er so nicht erwartet gehabt habe: "Für uns ist es wichtig, dass die in Deutschland erfolgreich praktizierte Drittstaatenregelung erhalten wird."

Kein Vetorecht mehr in der Asylpolitik

Der Ratsvorsitzende und irische Ressortchef Michael McDowell bezeichnete die Richtlinie als besonders wichtig: Sie sei der letzte Baustein des europäischen Asylrechts. Bei Themen der Asyl- und Einwanderungspolitik können die Minister nunmehr mit qualifizierter Mehrheit entscheiden. Bisher hatte jedes Land ein Vetorecht. Das hätte bei 25 EU-Staaten problematisch werden können.

Nach der neuen Richtlinie über Mindestnormen für Asylverfahren können Bewerber schon bei der Einreise ohne nähere Prüfung ihres Falls zurückgeschickt werden, wenn sie aus einem sicheren Drittstaat kommen. Als sicher gilt ein solches Transitland, wenn es die Genfer Flüchtlingskonvention ratifiziert hat und einhält.

Schily weist Kritik zurück

Es muss auch ein gesetzlich geregeltes Asylverfahren haben und die europäische Menschenrechtskonvention respektieren. In anderen Fällen dürfe das Drittstaatskonzept nur angewandt werden, wenn die Behörden sich von der sicheren Lage für den Flüchtling überzeugt haben.

Auch die gesonderte Bewertung einzelner Landesteile und bestimmter Bevölkerungsgruppen ist Schily zufolge in das Regelwerk eingegangen. Dies hatte vor allem die britische Regierung verlangt. Minister Schily wies Kritik verschiedener Flüchtlingsorganisationen zurück, die Regelung würde den Schutz verschlechtern. Das sei "ohne jede Grundlage".

Pro Asyl: "Schutzstandards in den Keller gefahren"

Der Verein Pro Asyl hatte gerügt, statt ein europäisches Asylrecht zu schaffen, hätten die Länder mit Schilys Unterstützung "die Schutzstandards in den Keller gefahren".

Schily betonte, das Regelwerk nehme nicht die Bewertung einzelner Länder als sichere Drittstaaten vorweg. Deutschland habe das künftige EU-Mitglied Polen als sicheres Land für Flüchtlinge angesehen. Für Weißrussland, das nach der EU-Erweiterung am Samstag an die Gemeinschaft grenzen wird, treffe dies "sicherlich nicht" zu. Auch bei der Ukraine oder Russland würde er Fragezeichen setzen, sagte der Bundesinnenminister. Weil die Bundesrepublik künftig nur noch von EU-Ländern und der Schweiz umgeben sei, habe die Regelung für Deutschland auch keine praktische Bedeutung mehr.

Listen sicherer Drittstaaten oder Herkunftsländer sind in der Richtlinie nicht enthalten. Der luxemburgische Ressortchef Luc Frieden bezeichnete die Richtlinie als "Miniregeln", die zu einem späteren Zeitpunkt - dann mit Mehrheitsentscheidungen - noch ausgebaut werden sollten. Der Ministerrat nahm auch die Richtlinie zum Schutz von Flüchtlingen vor nichtstaatlicher Verfolgung an, auf die sich die Mitgliedstaaten vor vier Wochen politisch geeinigt hatten.

(dpa)

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