Westjordanland:Attentat auf Israelis überschattet Friedensgespräche

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Ein Mordanschlag belastet die Verhandlungen zwischen Israel und Palästinensern: Im Westjordanland erschießt die Hamas vier Siedler - Israel kündigt Vergeltung an und der Siedlerrat neue Bauaktivitäten.

Kurz vor der geplanten Wiederaufnahme von Nahost-Friedensgesprächen sind bei einem palästinensischen Anschlag vier Israelis getötet worden. Der Überfall ereignete sich am Dienstag bei Hebron im südlichen Westjordanland. Eine israelische Armeesprecherin in Tel Aviv bestätigte am Abend den Tod von zwei Frauen und zwei Männern.

Polizisten untersuchen das Auto, in dem die vier Opfer saßen, in der Nähe der Siedlung Kirjat Arba. (Foto: dpa)

Der Anschlag sei in der Nähe der Siedlerhochburg Kirjat Arba verübt worden, sagte sie. Die Angreifer hätten aus einem Versteck das Feuer auf eine israelische Familie eröffnet, die in einem Auto unterwegs gewesen sei. Nach israelischen Medienberichten war unter den Opfern auch eine hochschwangere Frau.

Der bewaffnete Arm der radikalislamischen Palästinenserorganisation Hamas bekannte sich zu dem Anschlag. Die Essedin-el-Kassam-Brigaden übernahmen "die gesamte Verantwortung für diese heldenhafte Operation". Die Hamas ist gegen die Aufnahme von Friedensverhandlungen zwischen Israel und den Palästinensern. In Hebron leben etwa 500 jüdische Siedler in schwer gesicherten Enklaven unter mehr als 100.000 Palästinensern. Israels Verteidigungsminister Ehud Barak kündigte nach dem Attentat eine harte Reaktion an.

Der Vorfall überschattet die am Donnerstag geplante Wiederaufnahme direkter Friedensverhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern in Washington. Kurz vor den Gesprächen versuchte die israelische Regierung offenbar auch durch Geheimdiplomatie, Fortschritte zu erzielen. Barak traf sich dazu am Sonntagabend in Amman mit Palästinenser-Präsident Machmud Abbas, wie es in israelischen Medien hieß. Spekuliert wird, dass Barak die Palästinenser mit Gesten des guten Willens davon überzeugen wollte, dass es Israel ernst meine mit den Verhandlungen. Der Streit um den israelischen Siedlungsbauüberschattet jedoch die ersten Verhandlungen nach 20 Monaten Pause, die an diesem Mittwoch mit einem gemeinsamen Abendessen im Weißen Haus von US-Präsident Barack Obama eröffnet werden.

Die jüdischen Siedler im Westjordanland wollen nach dem tödlichen Anschlag auf vier Israelis den von der Regierung verhängten Baustopp vorzeitig beenden. Der Jescha-Rat, der die Siedler repräsentiert, kündigte inzwischen an, die Bauarbeiten würden am Abend wiederaufgenommen. Das Moratorium der israelischen Regierung ist auf zehn Monate befristet und läuft eigentlich bis zum 26. September.

Palästinenserpräsident Machmud Abbas verurteilte den Anschlag, die Tat erklärte, der ziele darauf ab, die Friedensgespräche zu "stören". Der Anschlag stehe den "nationalen Interessen" der Palästinenser entgegen, erklärte der palästinensische Regierungschef Salam Fajad.

Israels Premier Benjamin Netanjahu erfuhr vom Anschlag auf seinem Flug nach Washington. Unmittelbar nach seiner Ankunft in der US-Hauptstadt kündigte Netanjahu an, dass der Tod der vier israelischen Zivilisten nicht ungestraft bleiben werde. Nach Angaben eines Mitarbeiters ordnete der israelische Ministerpräsident an, die Täter "ohne jegliche diplomatische Zurückhaltung" zu verfolgen.

Der tödliche Angriff zeige, dass es bei den Friedensgesprächen keine Kompromisse bezüglich der israelischen Forderungen nach mehr Sicherheit geben dürfe,hieß es. Die Gespräche würden jedoch trotz des Vorfalls wie geplant stattfinden, ergänzte der Sprecher des Regierungschefs, Mark Regev. "Wir sind dem Frieden verpflichtet." Israel sei zu einer historischen Einigung mit den Palästinensern bereit.

Ein "lebhafter Prozess"?

Vor seinem Abflug in die USA zeigte sich Netanjahu demonstrativ optimistisch, einen "stabilen Frieden für uns und unsere Kinder" zu erreichen. Er lehnte es aber erneut ab, eine Verlängerung des Siedlungsbau-Moratoriums in Aussicht zu stellen, das nach zehn Monaten Ende September ausläuft. Die Palästinenser drohen für den Fall neuer Bautätigkeit mit dem sofortigen Abbruch des Friedensprozesses.

Vor Mitgliedern seiner Likud-Partei, die mehrheitlich eine Verlängerung des Baustopps ablehnen, sagte Netanjahu, "ich weiß, dass sich manche Sorgen machen, aber das braucht ihr nicht". Er erinnerte daran, dass es eine Likud-Regierung unter Menachim Begin war, die den Frieden mit Ägypten besiegelt hatte. Nun hoffe er, in Abbas einen ebenso mutigen Partner zu finden wie dies damals Ägyptens Präsident Anwar el-Sadat war.

Die USA dämpften die Hoffnung auf einen schnellen Erfolg. Man erwarte den Beginn eines "lebhaften Prozesses", sagte ein Sprecher des Außenministeriums. Dort werden sich Netanjahu und Abbas am Donnerstag zur ersten Sitzung treffen. Ziel ist es, in einem Jahr eine Einigung über alle Kernfragen zu erreichen: die Grenzen eines Palästinenserstaats, der Status von Jerusalem, das Rückkehrrecht für Flüchtlinge und Sicherheitsgarantien für Israel. Ergebnislos gerungen wird darum seit Beginn des Oslo-Friedensprozesses vor 17 Jahren.

© SZ vom 01.09.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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