Süddeutsche Zeitung

Österreich:Mehr Symbole statt Substanz

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Kanzler Kurz will das neutrale Österreich als Brückenbauer zwischen Ost und West platzieren. Doch in Washington bei Präsident Trump geht es vor allem um den schönen Schein.

Kommentar von Peter Münch, Wien

In den Touristenläden der Wiener Innenstadt gibt es ein T-Shirt zu kaufen mit der aufklärerischen Aufschrift: "No Kangaroos in Austria". Wenn es die Etikette nicht gäbe, die bei offiziellen Terminen im Weißen Haus Anzug, Hemd und Krawatte vorschreibt, wäre Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz wahrscheinlich gut beraten, bei seinem Treffen an diesem Mittwoch mit Donald Trump ein solches Shirt zu tragen. Denn erstens kann der US-Präsident Englisch, und zweitens kann er auch leicht mal was verwechseln. Auf Anhieb jedenfalls dürfte ihm sein Gast aus diesem schönen, kleinen Land im Herzen von, ach ja, Europa nicht allzu viel sagen.

Eine fieberhafte Lösungssuche für die großen weltpolitischen Krisen wird also kaum dieses Tête-à-Tête belasten. Dazu ist der geopolitische Gewichtsunterschied schlicht zu groß. Es geht viel eher um Symbolpolitik - und das vor allem für den Gast aus Wien. Denn der darf sich mit Recht geadelt fühlen durch diese Einladung, die zum bisher letzten Mal einem seiner Vorgänger vor 14 Jahren zuteil geworden war. Kurz wird das als Belohnung für eine ambitioniert betriebene Außenpolitik verstehen, die den seit gerade einmal 14 Monaten regierenden Kanzler zuvor schon nach Russland und China und auch sonst noch weit um die Welt gebracht hat. Allein 37 000 Flugkilometer hat die stets mitfühlende heimische Boulevardpresse für die vergangenen beiden Wochen ausgerechnet.

Für Kurz sind diese Reisen Programm: Er will das neutrale Österreich erklärtermaßen als Brückenbauer zwischen Ost und West platzieren. Er orientiert sich dabei an der Ära des früheren sozialdemokratischen Kanzlers Bruno Kreisky. Demonstriert hat Kurz das gleich am ersten Tag seiner Amtszeit, als er sein Büro in das sogenannte Kreisky-Zimmer des Kanzleramts verlegte. Der Vorgänger hatte es sich bei Metternich bequem gemacht. Aber auch das ist nicht Substanz-, sondern Symbolpolitik. Kreiskys Zeit war der Kalte Krieg, in dem neutrale Vermittlung durchaus von Wert war. Heute jedoch können die Großen der Welt auch ohne Brückenbauer ihre Konflikte direkt ausverhandeln, und zur Not gibt es ja auch noch die sozialen Medien.

Wenn Trump und Kurz also nun für 20 Minuten unter vier Augen und anschließend noch mit ihren Delegationen zusammensitzen, geht es vor allem darum, den schönen Schein nach außen strahlen zu lassen. Ein Anknüpfungspunkt fürs Gespräch könnte die Zuwanderungspolitik sein, wo der eine gern Mauern an der Grenze zu Mexiko baut und der andere Routen auf dem Balkan oder dem Mittelmeer sperrt. Interessant ist der 32-jährige Kurz für den 72-jährigen Trump noch als Vertreter der jungen Konservativen in einem Europa, mit dem der US-Präsident sich sonst sehr schwertut. Weniger Freude an seinem Gast dürfte Trump aber bei Themen wie Klimaschutz, dem Atomabkommen mit Iran oder dem transatlantischen Handelsstreit haben, denn da vertritt der österreichische Kanzler, bisher zumindest, die europäischen Positionen.

Besser wird es also wohl sein, solche kontroversen Themen nicht allzu sehr zu vertiefen, um sich in bester Erinnerung zu behalten. Wenn Trump dann später einmal beim Zappen durch die Fernsehprogramme bei einem alten Prinz-Eisenherz-Film hängen bleibt, dann könnte er das Gefühl bekommen, dass er diesen Burschen schon mal gesehen hat.

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Quelle:
SZ vom 20.02.2019
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