Österreich:Das Team Kurz offenbart reiche Parteispender

Former Austrian Chancellor Kurz and OeVP Secretary General Nehammer address the media in Vienna

Der ÖVP-Parteichef und sein Generalsekretär: Kurz und Nehammer während einer Pressekonferenz im Juni 2019.

(Foto: REUTERS)
  • Die Österreichische Volkspartei von Sebastian Kurz hat die Wahlkampfkostenfinanzierung für 2017 offengelegt.
  • Demnach haben mehrere Unternehmer für Kurz höhere Summen gespendet, oft gestückelt.
  • Auf diese Weise konnte die Veröffentlichung der Namen in Verbindung mit der tatsächlichen Spendenhöhe bislang vermieden werden.
  • Die Publizierung erfolgt nach großem öffentlichen Druck, zuletzt hatte der Tiroler Industrielle Ortner eingeräumt, viel Geld für Kurz gespendet zu haben.
  • Ortners Tochter wurde vor wenigen Monaten in den Aufsichtsrat einer Staatsholding berufen.

Von Oliver Das Gupta

Sebastian Kurz wollte jeden Zweifel ausräumen. "Die Spenden, die wir ab Juli für den Wahlkampf sammeln, die machen wir alle auf der Homepage transparent", versicherte der damalige Kanzlerkandidat in einem ORF-Sommergespräch (Passage ab 16:30) am 28. August 2017.

Damals, sechs Wochen vor der österreichischen Parlamentswahl, setzte Kurz sogar noch einen drauf: "Wir sind sogar härter als der Rechnungshof uns das vorschreibt und sagen: Ab 3500 Euro gibt's keine anonyme Spende." Jeder müsse "mit seinem Namen zu seiner Spende stehen".

Das klang gut, wie fast alles in der Kampagne des späteren Wahlsiegers. Nur: Das Versprechen zur Transparenz in Spendendingen, welches Kurz vor nicht einmal zwei Jahren vollmundig gegeben hat, regt in der Nachschau zum Nachdenken an.

Denn wie seine "Bewegung", die seit 32 Jahren (mit)regierende Österreichische Volkspartei (ÖVP), an diesem Freitag einräumen musste, ging es im Wahljahr 2017 doch nicht so transparent zu, wie Kurz beteuert hat. Und eine Großspende wurde, wie ein ÖVP-Sprecher der Süddeutschen Zeitung am Freitagabend bestätigt, auch nicht auf der Homepage aufgeführt.

Aber der Reihe nach. Wie schon 2018 aus den dem österreichischen Rechnungshof vorliegenden Angaben hervorgeht, hatten die damaligen Regierungsparteien ÖVP und FPÖ das vorgegebene Limit für Wahlkampfkosten 2017 drastisch überschritten. Die Obergrenze liegt bei sieben Millionen Euro. Die FPÖ hat aber 10,7 Millionen ausgegeben, die ÖVP sogar etwa 13 Millionen Euro. Die Zahl von 13 Millionen hing seitdem wie ein überdimensionales Fragezeichen über der österreichischen Innenpolitik.

Im Zuge der von SZ und Spiegel aufgedeckten Ibiza-Affäre gerieten im Mai 2019 zunächst mögliche Schwarzspenden der FPÖ in den Fokus, später auch das Finanzgebaren der ÖVP. Mitte der Woche brachten dann Recherchen des Wiener Kurier die Kurz-Partei unter Druck. Ein Groß-Spender packte ein bisschen aus. Der Tiroler Unternehmer Klaus Ortner erklärte, Kurz finanziell großzügig unterstützt zu haben. Die Zeitung schrieb von einer Million Euro und setzte ein Fragezeichen dahinter. Der Tiroler Industrielle - Großaktionär beim Baukonzern Porr - wollte eine solche Zahl weder bestätigen noch dementieren.

Nach Ortners Bekenntnis stieg der öffentliche Druck auf Kurz und seine Truppe immens, so dass die ÖVP die Flucht nach vorne antrat. Parteichef Kurz erschien nicht selbst, stattdessen musste Generalsekretär Karl Nehammer den unangenehmen Termin absolvieren.

Wenn es stimmt, was Nehammer sagt, setzen sich die bislang unerklärten 13 Wahlkampf-Millionen wie folgt zusammen: Bankdarlehen und Parteienförderung: 7,3 Millionen Euro; Ausgaben Landorganisationen: 3,6 Millionen Euro; Einnahmen aus Spenden: 2,1 Millionen Euro. Insgesamt habe man als Bundespartei im ganzen Jahr 2017 - also inklusive der Zeit vor und nach dem Wahlkampf - "ca. 2,96 Millionen Euro an Spenden eingenommen", sagte Nehammer.

In Bezug auf Ortners Spenden versicherte Nehammer, dass seine Partei sich an alle Regeln gehalten habe. Zwar wurden die üppigen Zuwendungen gleich mehrerer Gönner nicht publik gemacht. Aber das ist offenbar legal gewesen, wegen eines Kniffs: Die Spenden liefen angeblich über das Jahr verteilt in mehreren Tranchen ein - unter der meldepflichtigen Untergrenze von 50 000 Euro. Bei Ortner waren es neun Tranchen, wie Nehammer einräumen musste.

Wird die Spenden-Causa zu einer Spendenaffäre?

Mit ähnlichen Tricks umgehen auch in Deutschland immer wieder Parteien und deren Spender die Offenlegungspflicht. In manchen Fällen soll durch das auch in Deutschland zulässige Aufteilen in mehrere Tranchen schlichtweg Aufsehen vermieden werden. Vor wenigen Monaten machten SZ, NDR und WDR publik, dass AfD-Fraktionschefin Alice Weidel eine gestückelte Auslandsspende erhalten hatte. Der Vorwurf, eine gestückelte Parteispende erhalten zu haben und mögliche Gegenleistungen dafür erbracht zu haben, brachte den Regensburger SPD-Oberbürgermeister Joachim Wolbergs vor Gericht.

Doch von strafrechtlich relevantem Verhalten ist bislang keine Rede beim Parteispenden-Prozedere der ÖVP. Allerdings scheint die Stimmung im Kurz-Lager inzwischen eine andere zu sein: Bislang traten die Funktionäre der "neuen ÖVP" meist abgeklärt, höflich, aber hart in der Sache auf. Nehammer trat nurmehr hart auf.

Er spickte seinen Auftritt mit Verweisen auf die anderen Parteien und mutmaßliche finanzielle Unregelmäßigkeiten. Auch seine Sprachbilder erinnerten teilweise an den Sprech der radikal rechten FPÖ: Nehammer beklagte, man würde als ÖVP-Spender "in ein Eck gedrängt werden" - der gefallene FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache sagte noch im Mai, man lasse sich nicht ins "rechtsextreme Eck drängen".

"Das Problem ist immer dann vorhanden, wenn etwas nicht transparent ist", sagte Kurz 2017

Am Abend versicherte ÖVP-Sprecher Rupert Reif der SZ, "die "Volkspartei hält sich auf Punkt und Beistrich an die gesetzlichen Regelungen zu Spenden". Eine Ungereimtheit gab es allerdings: Eine Großspende von 75 000 Euro war nicht auf der Webseite vermerkt, dem Rechnungshof soll sie gemeldet worden sein. "Kann sein, dass es ein Fehler war", sagt ÖVP-Sprecher Reif, oder auch nicht: "Interne Recherchen ergaben, dass es für die Nicht-Anführung auf der eigenen Webseite keine Gründe gab."

Ob damit das Thema Parteispenden für die ÖVP abschließend bereinigt ist? Wohl noch nicht, denn andere Parteien stürzen sich mit Genuss auf das Thema.

Und es gibt noch ein pikantes Detail in der Causa. Iris Ortner, Tochter von Kurz-Großspender Klaus Ortner, wurde Anfang 2019 in den Aufsichtsrat der Staatsholding ÖBAG bestellt. Eine Entscheidung, die ausschließlich mit ihrer Qualifikation zu tun habe und nicht mit den Spenden des Vaters, beteuert die ÖVP. Wäre Iris Ortner auch an den Posten gekommen, wenn die politische Konstellation eine andere gewesen wäre?

Es bleiben noch andere Fragen offen. Warum etwa hat die ÖVP sich über viele Monate geweigert, die Wahlkampfkosten von 13 Millionen aufzuschlüsseln? Warum hat das Team Kurz nun Hals über Kopf die Herkunft des Geldes offengelegt?

Ein Gschmäckle haben solche Geschichten schon, gerade wenn sie mit Transparenzfragen zusammenhängen. Und gerade jetzt in Österreich, das in den letzten Wochen vom Ibiza-Video erschüttert wurde, durch die Offenheit des FPÖ-Anführers Strache für dubiose Deals mit einer vermeintlichen russischen Investorin, die den Freiheitlichen auf Umwegen Geld hätte zukommen lassen können.

Das alles weiß auch Sebastian Kurz, der im Spätherbst unbedingt ins Kanzleramt zurückkehren will. Aber vorher muss er die Nationalratswahl am 29. September gewinnen. Und verhindern, dass die Spenden-Causa zu einer Spendenaffäre wird.

"Schauen Sie, das Problem ist immer dann vorhanden, wenn etwas nicht transparent ist", sagte Kurz in dem ORF-Sommerinterview (Passage ab 18:50) im Wahlkampf 2017: "Wenn ich Spenden intransparent sammeln würde, dann können Sie zurecht annehmen, dass ich irgendein Problem damit hab, die Personen öffentlich zu machen, dass es da vielleicht den Versuch gibt, sich Politiker zu kaufen."

Kurz wäre Ibiza sicherlich nicht passiert.

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Schnitzel

SZ PlusStrache-Video
:In der Falle

Er bot staatliche Aufträge, sie Wahlkampfhilfe: Bei etlichen Dosen Red Bull, jeder Menge Alkohol und Zigaretten diskutierte FPÖ-Politiker Heinz-Christian Strache im Jahr 2017 mit einer angeblichen Millionärin fragwürdige Geschäfte. Die Rekonstruktion eines denkwürdigen Abends.

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