Kurt Beck und das Hessen-Debakel:Er kommt nicht, um zu gehen

Nach zweiwöchiger Krankheit will sich Kurt Beck in Berlin stellen - er wird viele Fragen beantworten müssen. Manche SPD-Granden unkten bereits vor der Pleite in Hessen: "Wenn Andrea Ypsilanti stolpert, könnte Kurt Beck stürzen."

Susanne Höll

Einer der wenigen, die sich wirklich gut auskennen in der Bundes-SPD hatte Mitte der Woche gesagt: "Wenn Andrea Ypsilanti stolpert, könnte Kurt Beck stürzen." Und als er das sagte, klang er sehr sorgenvoll.

SPD-Chef Kurt Beck

SPD-Chef Kurt Beck

(Foto: Foto: ddp)

Nun ist die hessische SPD-Landeschefin auf ihrem Weg zu Rot-Rot-Grün tatsächlich gestolpert, und die Zukunft des Bundesvorsitzenden scheint zumindest unklar.

Seine Stellvertreter Peer Steinbrück sowie Frank-Walter Steinmeier und mit ihnen breite Teile des konservativen Flügels sind über ihn verärgert, auch, aber keineswegs nur wegen des in mannigfaltiger Hinsicht missglückten Kurswechsels hin zur Linkspartei in Westdeutschland.

Becks Autorität hat großen Schaden genommen, ebenso das Ansehen der Partei. Der linke Parteiflügel um Becks Stellvertreterin Andrea Nahles stützte den Vorsitzenden zwar nach allen Kräften, aber auch dort war man verstört über die Art und Weise, wie Beck in den Tagen vor seiner Krankheit agierte.

Nun ist der Pfälzer nach seiner schweren Grippe wieder auf den Beinen, kommt dem Vernehmen nach schon am Sonntagabend nach Berlin und muss, da sind sich die zerstrittenen Flügel der Partei einig, vor allem eines tun: in wichtigen Punkten für Klarheit sorgen, intern und in der Öffentlichkeit - und zwar so schnell wie möglich. Ansonsten könnte er wohl tatsächlich in Bedrängnis geraten.

Beck wird viele Fragen beantworten müssen. Wie konnte es zu der Blamage von Hessen kommen? Wer ist dafür verantwortlich? Will er weiterhin im Alleingang Grundsatzentscheidungen durchsetzen? Wie geht es weiter mit der Bahnprivatisierung?

Welchen Kurs kann, will und soll die SPD auf dem Weg hin zur Bundestagswahl 2009 einschlagen. "Wir können froh sein, wenn wir 2009 noch als Juniorpartner in einer großen Koalition landen", beschreibt ein SPD-Vertreter die gegenwärtige Lage der Partei.

Nun möchte Beck offenkundig für Klärung sorgen. Am Sonntagabend will er sich mit seinen drei Stellvertretern, dem ebenfalls wieder genesenen Generalsekretär Hubertus Heil und SPD-Fraktionschef Peter Struck in Berlin im engeren Kreis treffen. Am Montag leitet er das Präsidium und tritt dann vor der Bundespressekonferenz auf, der großen Versammlung der Parlamentsberichterstatter.

Letzteres lief am Freitagnachmittag per Eilmeldung über die Nachrichtenagenturen, was bedeutet, dass die Journalisten das als wichtige Botschaft verstanden, im Rang einer Naturkatastrophe oder eines Streiks im öffentlichen Dienst. Das hat einen guten Grund: Andere SPD-Parteichefs haben in der Bundespressekonferenz schon einmal ihren Rücktritt erklärt.

Das allerdings ist von Beck nicht zu erwarten. Er komme nicht nach Berlin, um sich zu verabschieden, ganz im Gegenteil, sagte ein Parteisprecher. Zermürbt, wie manche in der SPD befürchtet hatten, ist er nach dem verunglückten Schwenk hin zur Linken und seiner Krankheit also nicht.

Und wenn er nicht selbst aufgibt, hat er nach Meinung vieler Sozialdemokraten gute Chancen, weiterhin Parteivorsitzender zu bleiben. Denn ein neuerliches Führungsspektakel wollen nur die wenigsten in der SPD. Zumal es auch an Nachfolgekandidaten mangelt. Peter Struck steht als Übergangskandidat wohl nicht zur Verfügung.

Ob sein Vor-Vorgänger Franz Müntefering in einer Notsituation noch mal antreten würde, gilt als ungewiss. "Was immer wir von Beck halten, er muss jetzt gestützt werden", sagt ein bekannter SPD-Politiker. Getragen wird Beck auch weiter von der Parteilinken, die mit ihm an der Spitze bessere Chancen für eine Verwirklichung ihrer politischen Ziele sieht.

Steinmeier und Steinbrück mit Unterstützung Strucks werden dagegen auf einen stärker reformorientierten Kurs der SPD dringen und ihn einfordern, auch und gerade bei der Bahnprivatisierung, die die Linke ablehnt. Die Bahn-Frage wird am Montag vermutlich noch nicht geklärt.

Doch glaubt man denen, die sich wirklich gut auskennen in der SPD, könnte bei diesem Thema die Zukunft des Vorsitzenden auf dem Spiel stehen. Steinbrück hänge nicht an seinen Ämtern, war in den vergangenen Tagen öfter zu hören.

Wenn Beck einen seiner Stellvertreter verliert, könnte das auch Folgen für den Zustand der Koalition haben. Für die Stabilität des Partners interessiert sich auch Kanzlerin Angela Merkel. Sie möchte alsbald einen Termin mit Kurt Beck.

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