Süddeutsche Zeitung

Kurswechsel vor der Wahl:CDU ärgert sich über Mieten-Vorstoß der Kanzlerin

Bisher haben die Christdemokraten eine Preisbremse bei Neuvermietungen entschieden abgelehnt, jetzt zieht Kanzlerin Merkel damit in den Wahlkampf: Bei Präsidiums- und Vorstandsmitgliedern der CDU stößt der radikale Kurswechsel auf Unmut.

Von Robert Roßmann, Berlin

In der Union gibt es Unmut über den Vorstoß von Bundeskanzlerin Angela Merkel für eine Preisbremse bei Neuvermietungen. Die CDU-Chefin hatte am Dienstag vergangener Woche überraschend angekündigt, dass ihre Partei mit der Forderung nach einer solchen Bremse in den Wahlkampf ziehen werde. Einen derartigen Eingriff in den Wohnungsmarkt hatte die CDU bis dahin entschieden abgelehnt. Sie befürchtete negative Auswirkungen auf den Wohnungsbau, da sich dieser bei zu starken Beschränkungen nicht mehr rentieren würde. Trotz Drängens der Opposition enthält das gerade erst in Kraft getretene neue Mietrecht deshalb keine Preisbremse für Wiedervermietungen.

Bis hinein ins CDU-Präsidium herrscht nun Erstaunen über Form und Inhalt des Vorstoßes der Parteichefin. Noch am Tag vor Merkels Kurswechsel hatte sich das Präsidium getroffen, um über das Wahlprogramm zu reden. Dabei war die Mietpreisbremse aber kein Thema. Anschließend kamen die Vorsitzenden der Landesverbände und der Partei-Vereinigungen im Adenauer-Haus zusammen, um das Programm zu besprechen. Auch dabei gab es keinen Hinweis auf einen möglichen Kurswechsel.

Teilnehmerberichten zufolge wies lediglich der RCDS-Vorsitzende Erik Bertram darauf hin, dass die Union beim Thema Mieten ins Hintertreffen gerate und deshalb auch Regelungen für Neuvermietungen nötig seien. Generalsekretär Hermann Gröhe habe darauf aber nur gesagt, er "nehme die Anregung mit". Am nächsten Tag hatte Merkel dann ihren überraschenden Auftritt.

Der Kurswechsel wird auch inhaltlich kritisiert. Präsidiums- und Vorstandsmitglieder der CDU, aber auch führende Abgeordnete der Unionsfraktion sagten, eine Preisbremse für Neuvermietungen sei der falsche Weg, um die steigenden Preise zu bekämpfen. Offen wollte sich aber keiner der Unionspolitiker gegen die Kanzlerin stellen.

Die CDU steht vor einem Dilemma

Bisher können Eigentümer bei Mieterwechseln die Miete praktisch frei festlegen. Die SPD verlangt deshalb, dass Neumieten künftig nur noch zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen dürfen. Eine Ausnahme soll es lediglich für den Erstbezug von Neubauten geben. Nach Ansicht zahlreicher Unionspolitiker würde eine solche Preisbremse für viele Eigentümer den Besitz von Wohnungen unrentabel machen. Die CDU stehe deshalb jetzt vor einem Dilemma: Wenn sie sich die Zehn-Prozent-Forderung der SPD zu eigen mache, würge sie die Investitionen in Wohnungen ab. Wenn sie eine vielleicht realistische Grenze von 20 oder 30 Prozent verlange, stehe sie gegenüber der SPD aber wiederum als Vermieter-freundlich da.

Dabei wurde unter anderem auf Berlin verwiesen. In der Hauptstadt liege die durchschnittliche Vergleichsmiete bei 5,54 Euro Netto-Kalt, hieß es. Selbst bei einer lockeren Preisbremse von 20 Prozent dürften für eine durchschnittliche Wohnung bei einer Neuvermietung also nur noch 6,65 Euro je Quadratmeter verlangt werden. Dies sei unrealistisch.

In der Unionsspitze wird deshalb auch über neue Angebote für die Vermieter gesprochen. CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt sagte, der "beste Mieterschutz ist der Bau von Wohnungen". Es nütze nichts, wenn man Mietpreise zu stark einschränke und dadurch die Wohnungsknappheit vergrößere. Dies helfe am Ende auch den Mietern nicht. Hasselfeldt schlug vor, die degressive Abschreibung wieder einzuführen. Eigentümer könnten dann in den ersten Jahren nach dem Erwerb einen höheren Anteil des Kaufpreises von der Steuer absetzen als derzeit.

Im Vorstand der Unionsfraktion verlangte auch Fraktionschef Volker Kauder zusätzliche Maßnahmen - etwa von den Kommunen. Diese sollten Flächen preiswerter abgeben, sagte Kauder. Auch dies würde zu günstigeren Mieten führen. Außerdem forderte er, dass die Preisbremse für Neuvermietungen nur in tatsächlich stark betroffenen Städten oder Stadtteilen eingeführt wird. In großen Teilen Deutschlands, etwa im Osten des Landes, herrscht auf dem Wohnungsmarkt keine Knappheit. In Großstädten wie Berlin, Hamburg und München oder in Studentenstädten gibt es dagegen erhebliche Mietsteigerungen. So wuchsen die Neumieten in Berlin zwischen 2007 und 2012 um 40 Prozent. In Hamburg waren es 25 und in München 20 Prozent.

An Merkels grundsätzlicher Zusage, eine Preisbremse für Neuvermietungen ins Wahlprogramm aufzunehmen, wollte am Dienstag kein führendes Unionsmitglied rütteln. In den kommenden Wochen soll nun aber darüber gesprochen werden, wie diese Preisbremse genau aussehen soll und welche begleitenden Maßnahmen zusätzlich ins Wahlprogramm kommen.

Kritik am Beschlussverfahren des Regierungsprogramms

Die Union will ihr Programm - sie nennt es Regierungsprogramm - nicht von einem Parteitag beschließen lassen. Stattdessen kommen am 23. Juni die Vorstände von CDU und CSU zusammen. Die beiden Gremien sollen dann einen Entwurf billigen, der derzeit in kleinem Kreis erarbeitet wird. Am Vatertag hatten sich deshalb die Parteichefs und ihre Generalsekretäre getroffen. Am 24. Juni wollen Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer das fertige Programm dann bei einer Veranstaltung in Berlin präsentieren.

In der CDU gibt es Kritik an diesem Verfahren - unter anderem von David McAllister. Der niedersächsische Landesvorsitzende hätte gerne einen Parteitag entscheiden lassen. In der CDU-Zentrale verweist man dagegen auf den besonderen Charakter der Union. Diese bestehe nun mal aus zwei Parteien. Da sei eine Verabschiedung durch einen Parteitag naturgemäß schwierig zu organisieren. Außerdem habe es eine große Mitmach-Aktion im Internet gegeben, bei der CDU-Mitglieder ihre Wünsche zum Programm einbringen konnten.

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SZ vom 05.06.2013/ratz
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