Süddeutsche Zeitung

Kurs der SPD:Rechts regieren, links vorbereiten

Rot-Rot-Grün kann es frühestens 2017 geben. Das weiß auch SPD-Parteichef Sigmar Gabriel. Deshalb hält er brav die Kabinettsdisziplin ein, während aus dem Willy-Brandt-Haus wohl demnächst Gesprächsfäden zur Linken gesponnen werden.

Ein Kommentar von Christoph Hickmann, Berlin

Noch war Sigmar Gabriel nicht Vizekanzler, da kursierten schon erste Vorhersagen, wann und unter welchem Vorwand er die große Koalition platzen lassen würde, um an der Spitze eines (rechnerisch möglichen) rot-rot-grünen Bündnisses Kanzler zu werden. Grund dafür war ein SPD-Parteitagsbeschluss, nach dem solche Bündnisse künftig möglich sein sollen. Unsinnig war und ist die Spekulation trotzdem.

Gabriel weiß, dass er vier Jahre Schwarz-Rot manierlich durchhalten muss, wenn er jemals das Image des ewig Sprunghaften loswerden will. Rot-Rot-Grün, so viel ist ihm klar, geht erst 2017, wenn überhaupt. Trotzdem kann er bis dahin schon einiges tun. Und er tut es.

Das zeigen seine beiden jüngsten Personalentscheidungen: SPD-Generalsekretärin soll die Gewerkschafterin Yasmin Fahimi werden, Schatzmeister der Bundestagsabgeordnete Dietmar Nietan. Fahimi sitzt im Vorstand eines Vereins, dessen einziger Zweck es ist, Rot-Grün (oder eben, da es dafür in der näheren Zukunft kaum reichen dürfte: Rot-Rot-Grün) inhaltlich vorzubereiten. Und Nietan engagiert sich in der sogenannten SPD-Denkfabrik, die schon seit Jahren für Bündnisse mit Linken und Grünen plädiert.

Während Gabriel also brav die Kabinettsdisziplin einhalten und sich dem Fortgang der Energiewende widmen kann, dürften aus dem Willy-Brandt-Haus demnächst Gesprächsfäden zur Linken gesponnen werden. Die Zeichen stehen nicht so schlecht, dass es diesmal funktioniert.

Gestörte Beziehungen

Zwar redeten auch schon nach der Wahlniederlage vor vier Jahren viele in der SPD von der Öffnung nach links. Doch statt die Linke als politischen Faktor zu akzeptieren, rief Gabriel es zum Ziel aus, sie im Westen der Republik überflüssig zu machen und aus sämtlichen Landtagen zu fegen. Einziges Ergebnis war, dass die Beziehungen so gestört blieben wie eh und je.

Daraus dürfte Gabriel gelernt haben. Und die Linken-interne Auseinandersetzung um die kruden Passagen im Entwurf für das Europawahlprogramm belegt, dass auch dort die gemäßigten Kräfte gelernt haben: Wenn die Linke regierungsfähig werden soll, müssen die Reformer in ihren Reihen sich vor allem dem außenpolitischen Fundamentalismus entgegenstellen.

Sollten sie damit Erfolg haben, könnte die Geschichte der leidigen Beziehungskiste Rot-Rot-Grün eine ironische Wendung nehmen: Dann könnten anstelle der Linken die Grünen zum Faktor werden, der dem Bündnis im Weg steht. Noch befindet sich die Partei im Stadium der Neuorientierung, doch bereits jetzt ist erkennbar, dass sie steuerpolitisch wieder in die Mitte einschwenken wird. Sollte Schwarz-Grün in Hessen funktionieren, könnte das außerdem die Lust beträchtlich steigern, es auch im Bund mal zu versuchen. Und da sich Sigmar Gabriel gerade der Energiewende bemächtigt, dürfte er bald zu einem Lieblingsgegner der Grünen werden.

Die neue Generalsekretärin muss also gerade die Verbindung zu den Grünen pflegen. Sie selbst kommt aus der IG Bergbau, Chemie, Energie - nicht unbedingt das, was man einen Grünen-Fanclub nennt.

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SZ vom 09.01.2014/dmo
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