Kuriose Flurbereinigung:Bayern wird kleiner - und freut sich darüber

Die Staatsstraße 2305 verläuft durch Unterfranken - bis auf die berüchtigte "Hessenkurve". Dafür, dass sie bayerisch wird, nimmt der Freistaat sogar einen kleinen Gebietsverlust in Kauf.

Olaf Przybilla

Die Polizeiinspektion im unterfränkischen Alzenau hat den meisten Ärger mit der "Hessenkurve". Nicht nur, weil es die Autofahrer auf der Staatsstraße 2305 zwischen Mömbris-Niedersteinbach und Alzenau-Michelbach immer wieder aus der gefürchteten Linkskurve trägt, gerade bei Regen.

Für Mehrarbeit sorgt auch ein zwischen den Ländern Bayern und Hessen sorgfältig ausgetüftelter Staatsvertrag. Durch ihn ist geregelt, dass ein Autofahrer, der in der Hessenkurve 19 Stundenkilometer zu schnell unterwegs ist, das fällig werdende Bußgeld an den Freistaat abführen muss. Fährt er 20 Stundenkilometer schneller als erlaubt, so werden 40 Euro fällig - die sind aber abzuführen an das Regierungspräsidium in Kassel.

Auffahrunfälle regeln bayerische Beamte der Inspektion in Alzenau. War der Fahrer zusätzlich alkoholisiert, übernimmt die Staatsanwaltschaft im hessischen Hanau.

Damit soll demnächst Schluss sein. Denn sollte Hessens Ministerpräsident Roland Koch den geplanten Flächentausch absegnen, dann wird die Hessenkurve bayerisch - und der Freistaat schrumpft um 1,77 Hektar, eine Fläche von zirka drei Fußballfeldern.

Wald eines bayerischen Barons wird hessisch

Grund ist ein Tauschgeschäft, um das seit mehr als zehn Jahren heftig gerungen wird. Der Freistaat soll eine hessische Landzunge bekommen, deren 8, 9 Hektar Fläche bislang wie ein Keil in das Gemeindegebiet von Mömbris im Landkreis Aschaffenburg ragen.

Im Gegenzug soll der 10,7 Hektar große Wald eines Barons aus Bayern künftig auf hessischem Gebiet liegen, als Teil der Gemeinde Freigericht im Kreis Main-Kinzig. Diesen bayerischen Flächenverlust hält man beim zuständigen Amt für ländliche Entwicklung in Würzburg für "absolut vertretbar".

Schließlich trete der Freistaat lediglich ein Stück Privatwald ab und bekomme dafür ein 500 Meter langes Stück Staatsstraße und ein ganzes Sportgelände.

Tatsächlich entspricht der Tausch einem lang gehegten Wunsch der Gemeinde Mömbris und eines örtlichen Fußballvereins, des FV 1930 Viktoria Brücken.

Dieser kennt bislang keine Heimspiele im klassischen Sinne. Denn während das Vereinsgebäude des Klubs noch auf bayerischem Boden steht, liegt der Sportplatz bereits jenseits der Gemarkung.

Die bayerische Viktoria kickt also zuhause in Hessen. "Ein auf Dauer untragbarer Zustand", sagt Bürgermeister Reinhold Glaser (CSU) - und zwar nicht nur für den Verein, sondern auch für die örtliche Feuerwehr. Diese helfe bislang bei den zahlreichen Unfällen in der Hessenkurve "ohne eine ordentliche Rechtsgrundlage", klagt der Rathauschef.

Für die Neuregelung kämpfen Klubmitglieder und Kommunalpolitiker seit einem halben Jahrhundert. Ernsthaft angegangen wurde das Hektar-Tauschgeschäft aber erst 1996.

Da die Würzburger Flurbereiniger auf die Zustimmung von insgesamt neun Gebietskörperschaften und Behörden angewiesen waren, komme der nun anstehende Vollzug "erfreulich rasch", sagt ein Sprecher der Regierung von Unterfranken.

Der Landtag hat den Deal bereits abgenickt, in Hessen ist die Zustimmung des Parlaments nicht notwendig. Nach der Unterzeichnung der Urkunde durch Ministerpräsident Edmund Stoiber ist nun Roland Koch am Zug.

Er muss sich noch mit Innen- und Wirtschaftsminister abstimmen, was noch in diesem Winter geschehen soll. Danach werden neue Grundsteine gesetzt - und das Bußgeld aus der Hessenkurve geht vollständig an Bayern.

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