Kurdenkonflikt:Dutzende Tote bei Auseinandersetzungen im Südosten der Türkei

Lesezeit: 2 Min.

Türkische Sicherheitskräfte blockieren die Zufahrtswege nach Cizre. (Foto: AFP)
  • Bei Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und Mitgliedern der kurdischen Arbeiterpartei PKK sterben in Cizre mindestens 30 Menschen.
  • Die Stadt wird seit knapp einer Woche durch türkische Sicherheitskräfte von der Außenwelt abgeschirmt.

120 000 Menschen eingeschlossen

In der Stadt Cizre im Südosten der Türkei sind trotz einer Ausgangssperre mindestens 30 Menschen bei Auseinandersetzungen zwischen der Kurdischen Arbeiterpartei PKK und Sicherheitskräften ums Leben gekommen. Seit knapp einer Woche werden die Zugänge zu der Stadt, die als PKK-Hochburg gilt, blockiert.

Innenminister Selami Altinok teilte am Donnerstag mit, bis zu 32 militante Kurden und ein Zivilist seien getötet worden. Die prokurdische Partei HDP sprach von 21 getöteten Zivilisten. Der Konflikt zwischen der verbotenen PKK und Sicherheitskräften hat sich verschärft, seit im Juli eine Waffenruhe scheiterte.

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Von Luisa Seeling

Die etwa 120 000 Einwohner können die Stadt nicht verlassen. Nach Angaben des Menschenrechtsvereins IHD haben die Menschen keinen Zugang zu Telefon, Internet und Elektrizität.

Protestzug gestoppt

Ein am Mittwoch begonnener Protestzug prokurdischer Abgeordneter nach Cizre wurde von Sicherheitskräften gestoppt. Die Parlamentarier, unter ihnen HDP-Chef Selhattin Demirtaş, EU-Minister Ali Haydar Konca und Entwicklungsminister Müslüm Doğan, setzten ihren Protest mit einem Sitzstreik auf einem Hügel in der Nähe der Grenze zu Syrien und dem Irak fort. Sie wollten so ihre Ablehnung gegen das Vorgehen gegen die Kurden ausdrücken, erklärte die HDP.

Die Regierung dürfe nicht damit durchkommen, was in Cizre geschehen sei, sagte Demirtaş dem Fernsehsender IMC. Er werde "die Stimme von Cizre in die Welt tragen". Seine Partei gehört einer Koalition an, die die Türkei bis zur Neuwahl im November führt.

Laut Presseberichten besteht ein Hauptziel Erdoğans für die Wahl darin, die HDP unter die Zehnprozent-Schwelle zu drücken - und so wieder aus dem Parlament zu drängen. Seit Wochen beschimpft der Präsident die seit Juni mit 80 Abgeordneten im Parlament vertretene HDP als verlängerten Arm der verbotenen Rebellenorganisation Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), die seit Juli wieder türkische Sicherheitskräfte angreift. Erst Anfang der Woche attackierten Türkische Nationalisten im ganzen Land Einrichtungen der HDP.

Auch die PKK zeigt kein sonderliches Interesse an der Fortsetzung des Friedensprozesses. Allein seit dem vergangenen Sonntag haben die Rebellen mehr als 30 türkische Soldaten und Polizisten bei Überfällen und Anschlägen getötet. In einigen Städten Südostanatoliens haben PKK-Anhänger einseitig eine "Autonomie" ausgerufen, zu der PKK-Straßenkontrollen und die Sperrung von Innenstädten für die Sicherheitskräfte gehören. Wiederholte Appelle der kurdischen Zivilisten in der HDP, die Rebellen sollten zu dem seit 2013 geltenden Waffenstillstand zurückkehren, werden von der PKK ignoriert. Im Gegenzug greift die türkische Luftwaffe Stellungen der PKK in Südostanatolien und im Nachbarland Irak an. Am Dienstag betraten türkische Bodentruppen erstmals wieder irakisches Territorium, um PKK-Kämpfer zu verfolgen.

Türkischer Soldat durch Schüsse aus Syrien getötet

Wer für den Tod eines türkischen Soldaten am Donnerstag verantwortlich ist, konnte noch nicht geklärt werden. Der 21-jährige Soldat war als Wachposten im Bezirk Reyhanli in der südtürkischen Provinz Hatay an der Grenze zu Syrien stationiert und wurde von Schüssen aus dem Nachbarland getroffen.

Erst in der vergangenen Woche war ein türkischer Soldat bei Zusammenstößen an der Grenze in der weiter östlich gelegenen Provinz Kilis getötet worden. Einer seiner Kameraden gilt seither als vermisst. Die Zeitung Hürriyet berichtete unter Berufung auf türkische Sicherheitskreise, der Soldat sei von der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) als Geisel genommen worden. Bereits Ende Juli waren in der Gegend zwei türkische Soldaten durch Schüsse aus Syrien getötet worden, die von IS-Extremisten abgegeben worden sein sollen.

© SZ.de/Reuters/AFP/cmy - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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