Kunst und Politik:Machtmenschen als Kunstfreunde

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Status moderne Kunst: Eine Ausstellung in Berlin zeigt, wie sich Politiker inszenieren. Basta-Kanzler Schröder macht das anders als Mutti Merkel.

Jens Bisky

Der Kanzler Gerhard Schröder hat Besucher gern in sein Arbeitszimmer im Berliner Kanzleramt geführt, und es schien ihm dies besondere Freude zu bereiten, wenn er bei seinen Gästen ein Interesse für Kunst vermuten durfte. Schließlich hing hinter seinem Schreibtisch ein Gemälde von Georg Baselitz: "Fingermalerei III - Adler". Da die Kanzler der Bundesrepublik, wie man jetzt in der Ausstellung "Macht zeigen" im Deutschen Historischen Museum in Berlin sehen kann, sich traditionell am Schreibtisch fotografieren lassen, gibt es mehrere Aufnahmen mit Gerhard Schröder vor dem Baselitz-Bild. Die Ansicht wurde so populär, dass auch die Karikaturisten Greser & Lenz hinter ihrem in Omnipotenzträumen schwelgenden Schröder einen kopfüber stürzenden Adler skizzierten.

Dieses Bild von Gerhard Schröder wird in Erinnerung bleiben: Der Altkanzler blickt in seinem Büro auf ein Gemälde von Georg Baselitz. (Foto: Foto: Werner Bartsch, Hamburg)

Das stolze Tier, ein Hoheitszeichen, wurde von Baselitz um 180 Grad gedreht, der "König der Lüfte" wirkt ziemlich zerrupft und formal hat das mit Fingern gemalte Bilde wenig von der Glätte und Vornehmheit, die man üblicherweise von repräsentativer Kunst zu erwarten berechtigt ist. Die Entscheidung für dieses Gemälde passt zum einst verheißenen rot-grünen Aufbruch ebenso gut wie zu Schröders bekannter Vorliebe für Gesten der Virilität und Frechheit.

Indem er ein Werk wählte, das den Regelbruch inszeniert, das als ironischer Kommentar verstanden werden kann, das Erwartungen durchkreuzt, beweist er seine Überlegenheit. Die Fotografie von Werner Bartsch, auf der Schröder das Bild anschaut, zeigt ihn, wie er uns in Erinnerung bleiben könnte; ein Machtmensch, selbstbewusst und eher sich selbst als ideologischen Festlegungen verpflichtet.

Gute Dienste in der Selbstdarstellung

Mit der politischen Einstellung des Malers oder einer möglicherweise herauszupressenden politischen Botschaft des Gemäldes hat diese Verwendung nichts zu tun. Gerade als ein Werk, das sich den Festlegungen und Konventionen mal entgegenstellt, mal entzieht, leistet diese Fingermalerei dem Kanzler gute Dienste in der Selbstdarstellung. Der in Karlsruhe lehrende Kunsthistoriker Wolfgang Ullrich holt weit aus, um die Schrödersche Technik der Machtsteigerung durch Gemäldeauswahl zu erklären.

Er erinnert an den 25. Dezember 1539: Karl V. besuchte Franz I., den König von Frankreich, und wurde von diesem durch die Grande Galerie auf Schloss Fontainebleau geführt. Sie war vor kurzem erst unter Leitung von Rosso Fiorentino entworfen und ausgeführt worden: Man habe, schreibt Ullrich im Katalog, "die Werke so kompliziert und verschlüsselt angelegt, dass kein Betrachter sie verstehen konnte. Karl V. sollten also seine intellektuellen Grenzen aufgezeigt werden, und Franz I. genoss es, sich intellektuell in Szene zu setzen." Als Eigentümer habe er ein Deutungsprivileg besessen.

Ähnlich raffiniert sollen wir uns den Einsatz der bildenden Kunst zur Selbstdarstellung unter dem "Kanzler der Künste" Gerhard Schröder vorstellen. In der Tat hat er sich seiner Kontakte zur Szene gerühmt, Maler und Galeristen gern eingeladen, sich dieser auch im Wahlkampf bedient. Aber stimmt es, dass "moderne Kunst an die Stelle traditioneller Hoheitssymbole getreten" ist? Die Ausstellung legt dies nahe, kommt aber über das manchmal eindrucksvolle Suggerieren nicht hinaus.

Als Wolfgang Ullrich im Jahr 2000 seinen Essay "Mit dem Rücken zur Kunst. Die neue Statussymbole der Macht" veröffentlichte, hatte dies etwas Erhellendes. Im deutsch-deutschen Bilderstreit gab man sich der Verteufelung aller Staatskunst hin, die Berliner Republik suchte noch recht unbeholfen nach ihrer Gestalt und der passenden Dekoration, die kunstreligiöse Legende von der ewigen Machtferne aller wahren Kunst galt noch weitgehend unangefochten. Da entdeckte Ullrich beim Blättern in Magazinen immer wieder Mächtige, die sich vor Werken abstrakter Kunst fotografieren ließen. Dem ging er nach.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie sich die Gestaltung von Merkels Büro interpretieren lässt.

Kunst und Herrschaft
:Wie sich Merkel, Schröder und Westerwelle inszenieren

Eine Berliner Schau zeigt, wie sich Politiker mit Hilfe moderner Kunst in Szene setzen - und auch die Vorbilder aus der Wirtschaft. Dort ist dies schon lange üblich.

Die nun, zehn Jahre später, zustande gekommene Ausstellung kann zwar mit interessanten Details aufwarten, wirkt im Ganzen aber unbefriedigend. Sie ist zu rasch fertig mit Urteil und Geschichte, fragt zu wenig, unterscheidet nicht recht zwischen Status und Macht. Das beginnt beim Titel: Ist Kunst wirklich Herrschaftsstrategie? Oder nicht doch nur ein Instrument der Herrschaft unter anderen? Wer wäre der Autor dieser Strategie? Die Mächtigen? Die Künstler? Journalisten, Kameraleute, Fotografen? Die Rat erteilenden Galeristen und Kuratoren?

Angela Merkel in ihrem Büro: Hinter dem Schreibtisch hängt ein Bild von Konrad Adenauer, den sie als ihr Vorbild bezeichnet. (Foto: Foto: Dieter Bauer/ Focus Magazin; Fondation Oskar Kokoschka/ VG Bild-Kunst, Bonn 2010)

Das Grundproblem der Ausstellung ist, dass sie sich die Frage nach dem Stellenwert der Kunst neben anderen Techniken der Präsentation, Repräsentation und Ausübung von Macht gar nicht stellt. Eindrucksvoll ist es, an einer Fotowand Mächtige der Wirtschaft zu sehen, einer wie die andere vor einer Farbfläche oder einem irgendwie abstrakten Gemälde. Das wirkt in der Reihung lächerlich und entlarvend, aber man muss sich doch fragen, ob man da nicht zu früh lacht. Gewiss fallen einem angesichts dieser Fotos die Floskeln über Kreativität und Widerständigkeit, über Eigensinn und Durchsetzungskraft ein - all die Tugenden, die in der Wirtschaft wie in der Kunst beschworen werden.

Strategie oder Routine

Aber belegen die Aufnahmen tatsächlich eine gültige Strategie oder nicht viel mehr eine gleichgültig hingenommene Routine? Eine Konvention, die nicht so wichtig ist, weil die Fotos für die Machtdarstellung der Wirtschaftsleute ohnehin eine hübsche Nebensache sind? Die Kunstverantwortlichen großer Unternehmen handeln mit Spekulationsware, die Selbstdarstellung von Wirtschaftsmacht erfolgt wohl etwas verwickelter als in den Schnappschüssen zu sehen.

Ähnliches gilt für die Aufnahmen von Politikern vor der Brandt-Statue von Rainer Fetting, die zur "Dauerkulisse für Fotografen" gehört. Was belegen die Fotos? Einfallslosigkeit? Die Versuchung, die Gesten der Figur nachzuahmen? Oder "Kunst als Herrschaftsstrategie"?

Die Ausstellung wirft zu viel durcheinander: Hitler und Göring haben kurze Auftritte, was aber weder dem Verständnis des Dritten Reiches noch dem der Gegenwart aufhilft; Kapitel der Staatsästhetik wie die Umgestaltung der Neuen Wache unter Helmut Kohl oder die Verkunstung des Kanzleramts etwa durch Markus Lüpertz stehen neben den Sammelversuchen des "neoaristokratischen" Guido Westerwelle; man erfährt, wie die Künstlerin Verena Landau sich gegen ihre Vereinnahmung zur Wehr setzt und kann Fotos von Clegg & Guttmann betrachten: sechs Bundesminister oder drei Banker sind da zu sehen.

Gekonnt reagierte der Chef des Hauses Hohenzollern, als er im Preußenjahr 2001 vor Andy Warhols "Friedrich II." fotografiert wurde. Er fotografierte zurück. Ob inszeniert oder zufällig oder in der Grauzone dazwischen entstanden - das Bild bezeugt den Witz Georg Friedrichs von Preußen. Aber welche Macht zeigt es?

Herrscherporträts dienten einst nicht nur dazu, den Anspruch und die Macht des Porträtierten darzustellen, sie legten ihn auch auf eine Rolle fest. Im Lob des Mächtigen artikulierte sich oft auch eine Erwartung an diesen. Hinweise auf solche Wechselwirkungen vermisst man häufig in der Berliner Ausstellung. Wer geglaubt hat, Kunst und Macht seien getrennte Sphären, kann beim Rundgang seine Naivität verlieren. Sie gehören zusammen wie eh und je, brauchen einander. Leider ist das Bild, das vom Zusammengehen des Künstlers und der Mächtigen von heute gezeichnet wird, kein sehr vielschichtiges.

Wenn, fragt man am Ende, Angela Merkel ihr Vorbild Konrad Adenauer, von Oskar Kokoschka gemalt, hinter den Schreibtisch hängt - ist das dann eine konservative Wende oder angenehme Zurückhaltung?

" Macht zeigen. Kunst als Herrschaftsstrategie". Deutsches Historisches Museum, Berlin, bis 13. Juni 2010. Der Katalog umfasst 244 Seiten und kostet 24 Euro.

© SZ vom 22.2.2010/mati - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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