Kundus-Untersuchungsausschuss:Angriff auf Minister-Star Guttenberg

"Passt uns ja auf den Guttenberg auf!" Unionspolitiker sind nervös, weil heute der Kundus-Untersuchungsausschuss beginnt. Die Opposition dürfte die Aufarbeitung des verheerenden Luftschlags in Afghanistan dazu nutzen, den erfolgsverwöhnten Verteidigungsminister zu bremsen.

Peter Blechschmidt, Berlin

Ein CDU-Bundestagsabgeordneter, Mitglied des Verteidigungsausschusses, hat von den Menschen in seinem Wahlkreis einen klaren Auftrag erhalten: "Passt uns ja auf den Guttenberg auf", hätten ihm seine Parteifreunde mit auf den Weg gegeben, berichtete der Abgeordnete dieser Tage.

Kundus-Untersuchungsausschuss: In Bedrängnis: Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU)

In Bedrängnis: Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU)

(Foto: Foto: dpa)

Die Mahnung zielt auf die Ausschussarbeit in den nächsten Monaten, wenn das Gremium die sogenannte Kundus-Affäre untersucht. Die Unionswähler haben klar erkannt, dass die Opposition aus SPD, Grünen und Linkspartei es vor allem darauf abgesehen hat, die Reputation des Verteidigungsministers und politischen Senkrechtstarters Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) zu beschädigen.

Der eigentliche Anlass der Untersuchung, der Bombenangriff auf zwei von Taliban entführte Tanklastwagen nahe der nordafghanischen Stadt Kundus am 4. September, gerät darüber in den Hintergrund.

Erste Arbeitssitzung

Der Verteidigungs- als Untersuchungsausschuss ist eine parlamentarische Spezialität. Der Bundestag kann zur Aufklärung strittiger Sachverhalte Untersuchungsausschüsse einsetzen. Betrifft der Untersuchungsgegenstand allerdings das "Gebiet der Verteidigung", dann muss laut Grundgesetz der Verteidigungsausschuss diese Untersuchung übernehmen.

Der Ausschuss erhält dann alle Rechte eines Untersuchungsausschusses, das heißt, er kann Beweise erheben und vor allem Zeugen vernehmen, die dann auch zur wahrheitsgemäßen Aussage verpflichtet sind.

Weil der Luftschlag von Kundus eindeutig zum Gebiet der Verteidigung gehört, fällt die Aufklärung des Falles in die Zuständigkeit des Verteidigungsausschusses. An diesem Donnerstag ist die erste Arbeitssitzung als Untersuchungsausschuss angesetzt. Dabei geht es zunächst nur darum, wie der Ausschuss seine Arbeit organisieren will. Schon darüber gibt es im Vorfeld heftigen Streit zwischen Koalition und Opposition, der natürlich in der jeweiligen politischen Zielsetzung begründet ist: hier die Attacke auf Guttenberg, da die Verteidigung des Ministers.

An den Beginn der Befragungen will die Opposition die politische Verantwortlichen stellen, so lange das öffentliche Interesse an dem Thema noch frisch ist.

Die Erfahrung früherer Ausschüsse lehrt, dass die Aufmerksamkeit des Publikums relativ rasch erlahmt, wenn nicht die Vernehmung politischer Größen spektakuläre Auftritte verheißt. Hinzu kommt, dass Anfang Mai in Nordrhein-Westfalen ein neuer Landtag gewählt wird, und bei dieser ersten Abstimmung nach der Bundestagswahl käme es den Oppositionsparteien gerade recht, wenn sie ein Mitglied der Bundesregierung schlecht aussehen lassen könnten.

Dagegen wollen Union und FDP zunächst einmal klären, was damals in Kundus genau geschehen ist. Erst später soll dann beleuchtet werden, wer in Berlin was gewusst hat und wie man mit diesem Wissen umgegangen ist. Nur wenn erst der Sachverhalt seriös aufgeklärt sei, könne man an die politisch Verantwortlichen die richtigen Fragen stellen, lautet das Argument. Und zur seriösen Aufklärung zähle eben nicht nur die Lektüre der mittlerweile zahlreichen offiziellen Berichte, sondern dazu müsse man die Beteiligten schon selbst hören.

Nach dem letzten Stand der Dinge wird die Koalition ihre Position wohl mit ihrer Mehrheit im Ausschuss durchsetzen. So leicht wird sie es bei der Frage, welche Zeugen wann gehört werden sollen, nicht haben. Wenn über die Zeugenliste kein Einvernehmen hergestellt werden kann, dann greift das sogenannte Reißverschlussverfahren. Danach wird jeweils im Wechsel ein Zeuge der einen und der anderen Seite aufgerufen. Das könnte zu der absurden Situation führen, dass die Koalition einen Oberfeldwebel aus Kundus lädt und die Opposition den Verteidigungsminister.

Debatte über Terminierung

Mehrheitlich dürfte der Ausschuss auch beschließen, dass er seine Untersuchungsarbeit in den Sitzungswochen jeweils auf den Mittwochnachmittag legt. Mittwoch ist Ausschusstag im Parlament, da machen diese Gremien - in der Regel vormittags - ihre Sacharbeit.

Andere Untersuchungsausschüsse haben deshalb jeweils donnerstags getagt. Nun aber will die Koalition dafür die Mittwochnachmittage nutzen, während die Opposition befürchtet, dass Beratungen am Nachmittag von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen werden.

Mit der medialen Wahrnehmung gibt es ohnehin ein Problem. Der Verteidigungsausschuss tagt normalerweise hinter verschlossenen Türen. Das aber verträgt sich nicht mit dem Anspruch der Öffentlichkeit, die Wahrheit über Kundus zu erfahren. Und es steht dem Bestreben der Opposition entgegen, Fehler der politisch Handelnden anzuprangern.

Immerhin haben sich beide Seiten darauf verständigt, Minister, Staatssekretäre, Abteilungsleiter und Pressesprecher sowie den Generalinspekteur und seine Stellvertreter in öffentlicher Sitzung zu vernehmen. Einwände des Links-Abgeordneten und Bundesrichters a. D. Wolfgang Neskovic, dies verstoße gegen die verfassungsmäßige Verpflichtung des Ausschusses zu nicht-öffentlichen Sitzungen, werden in einem gerade fertiggestellten Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages als unbegründet angesehen.

Die Rolle von Oberst Klein

Bis der Ausschuss mit der Sacharbeit beginnt, wird also mindestens noch eine Woche vergehen. Dann wird neben der Rolle Guttenbergs die Frage im Mittelpunkt stehen, was den damaligen Kommandeur im Bundeswehr-Feldlager in Kundus, Oberst Georg Klein, bewogen hat, die Bombardierung der Tanklaster zu befehlen. Dass Klein dabei gegen Einsatzregeln verstoßen hat, ist durch die Untersuchung der Nato eindeutig belegt.

Die Bundeswehrführung beharrt darauf, dass Klein nicht auf Weisung einer übergeordneten Stelle in Deutschland gehandelt habe, sondern in eigener Entscheidung. Gleichwohl bleibt die Frage nach seinem Motiv. Lange Zeit hatte das Verteidigungsministerium den Eindruck erweckt, es sei darum gegangen, die beiden Tanklaster zu zerstören, damit sie nicht als rollende Bomben gegen das deutsche Feldlager eingesetzt werden könnten. Erst später wurde bekannt, dass Klein schon einen Tag nach dem Angriff gemeldet hatte, es sei ihm darum gegangen, Taliban zu "vernichten".

Am Dienstag dieser Woche berichteten bei einer Veranstaltung in Berlin zwei Generale, die beide im vorigen Jahr als Regionalkommandeure in Afghanistan im Einsatz waren, über ihre Erfahrungen. Einer, der niederländische Generalmajor Mart de Kruif, der Regionalkommandeur in Kandahar gewesen war, sagte: "Unsere Aufgabe ist es nicht, Taliban zu vernichten, sondern die Bevölkerung zu schützen."

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