Kundus-Bericht:Generäle löschen Hinweise auf zivile Opfer

Unmittelbar nach dem Luftangriff auf Tanklaster bei Kundus vermutet die Bundeswehr tote Zivilisten - doch dann verschwinden die Vermerke.

Peter Blechschmidt

Ein früher Hinweis auf mögliche zivile Opfer des Luftschlags bei Kundus ist offenbar auf Weisung zweier Bundeswehrgeneräle aus einem Lagebericht vom selben Tag gelöscht worden. Unklar waren am Freitag die Motive für das Handeln der beiden hohen Offiziere.

Die SPD vermutet, der Sachverhalt ziviler Opfer habe "vernebelt" werden sollen. In einer handschriftlichen Randnotiz auf einem Meldungsformular heißt es dagegen, die entsprechenden Details seien "noch nicht valide nachgeprüft".

Die Frage nach zivilen Opfern hatte von Anfang an eine entscheidende Rolle bei der Bewertung des Luftschlags gespielt, der vom deutschen Oberst Georg Klein gegen die von Taliban entführten Tanklaster angeordnet wurde. Wie viele Menschen bei dem Angriff getötet wurden, lässt sich nicht mehr präzise feststellen.

Unterschiedliche Quellen sprechen von 17 bis 142 Toten. Die Bundeswehr hatte zunächst stets betont, der Angriff am 4.September vorigen Jahres um 1.50 Uhr deutscher Zeit sei nur befohlen worden, weil Klein sicher gewesen sei, dass die Bomben nur Taliban oder deren erklärte Unterstützer treffen könnten.

In einem um 15 Uhr am 4.September abgeschlossenen Lagebericht, den der Chef des Stabes im deutschen Provinz-Wiederaufbauteam (PRT) in Kundus erstellt hatte, heißt es jedoch, es sei wahrscheinlich, dass die Taliban Treibstoff aus den auf einer Sandbank gestrandeten Tanklastern an die örtliche Bevölkerung verteilt hätten.

Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass es unter den Opfern auch Zivilisten gegeben habe. Allerdings könnten diese Zivilisten nicht als Unbeteiligte gelten, da sie sich des Benzindiebstahls schuldig gemacht hätten und da sie hätten wissen müssen, dass die Tanker gestohlen waren.

Auf einem Ausdruck dieser Meldung findet sich ein handschriftlicher Vermerk des Befehlshabers des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr in Potsdam, Generalleutnant Rainer Glatz: "Wenn das so stimmt", schrieb Glatz, dann sei dies ein Verstoß gegen die Weisung des Oberkommandierenden der Afghanistan-Truppe Isaf, des US-Generals Stanley McChrystal.

Heftige Debatten über "Geheimnisverrat"

Dann hätte man "schlimmstenfalls" zivile Opfer billigend in Kauf genommen. McChrystal hatte befohlen, Militäroperationen, insbesondere Luftangriffe, zu vermeiden, wenn die Gefahr ziviler Opfer bestand.

Glatz vermerkte weiter, der deutsche Kommandeur für Nord-Afghanistan und unmittelbare Vorgesetzte von Oberst Klein, Brigadegeneral Jörg Vollmer, werde disziplinar ermitteln. Nach einem Telefonat mit Glatz ließ Vollmer den Lagebericht mit den Passagen zur Verteilung des Benzins an die Bevölkerung aus dem Isaf-internen Kommunikationsnetz entfernen.

In einer später eingestellten Neufassung des Lageberichts fehlen die entsprechenden Textstellen. Auf einem Ausdruck vermerkte Glatz wiederum handschriftlich, dies sei der Bericht, der zuvor "gemäß Weisung COM RC (N)" - gemeint ist der Regionalkommandeur Nord, Vollmer -, aus dem Netz genommen worden sei, "da Details noch nicht valide nachgeprüft waren".

Glatz und Vollmer hatten am Donnerstag vor dem Kundus-Untersuchungsausschuss aussagen sollen und wären dabei wohl auch nach diesem Lagebericht befragt worden. Nachdem Spiegel Online über den Vorgang berichtet hatte, wurde die Sitzung unterbrochen. Nach Angaben von Teilnehmern gab es heftige Debatten über den "Geheimnisverrat".

Dann einigten sich alle Fraktionen darauf, Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) aufzufordern, Strafanzeige gegen unbekannt zu stellen. Unions-Obmann Ernst-Reinhard Beck sagte: "Ich halte das für einen Skandal, wenn ständig aus geheimen Unterlagen zitiert wird." Die beiden Generäle sollen nun in einer Sondersitzung des Ausschusses am 15.März befragt werden.

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