Süddeutsche Zeitung

Kundus-Ausschuss:"Guttenberg hatte alle relevanten Informationen"

Ex-Generalinspekteur Schneiderhan und der frühere Staatssekretär Wichert wehren sich gegen ihren Rauswurf und "ehrabschneidende" Darstellungen.

P. Blechschmidt

Der ehemalige Generalinspekteur der Bundeswehr, Wolfgang Schneiderhan, und Ex-Staatssekretär Peter Wichert fühlen sich zu Unrecht von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) entlassen. Das machten beide am Donnerstag vor dem Kundus-Untersuchungsausschuss des Bundestages deutlich.

Beide versicherten auch, dass Guttenberg schon unmittelbar nach seinem Amtsantritt am 28. Oktober alle für die Bewertung des Luftschlags vom 4. September relevanten Informationen vorlagen. Schneiderhan sagte überdies, dass er Guttenberg schon frühzeitig auf Fallstricke im Zusammenhang mit dem Luftschlag von Kundus aufmerksam gemacht habe.

Schneiderhan und Wichert waren von Guttenberg am 25. November vorigen Jahres entlassen worden, was von der Opposition, aber auch von Teilen der Union bis heute für falsch und voreilig gehalten wird. Guttenberg hatte das Bekanntwerden des sogenannten Feldjägerberichts zum Anlass für die Entlassung der beiden Spitzenleute genommen. Schneiderhan und Wichert sagten, dass dieser Bericht keine neue Fakten enthalten habe und deshalb zur Begründung für ihren Rauswurf nicht tauge.

Guttenberg hatte am 28. Oktober das Amt von seinem Vorgänger Franz Josef Jung übernommen. Am selben Abend traf in Berlin der offizielle Abschlussbericht der Nato zum Luftschlag von Kundus ein. Am Tag darauf bezeichnete Schneiderhan in einer im Ministerium sorgfältig abgestimmten Erklärung den Luftschlag als "in operativer Hinsicht militärisch angemessen".

Unmittelbar danach will Schneiderhan dem neuen Minister unter vier Augen, vor dem Start zu einem gemeinsamen Flug nach Nörvenich zur Verabschiedung des Luftwaffeninspekteurs, empfohlen haben, er solle bei der bevorstehenden Begegnung mit Journalisten bei Äußerungen zu dem Luftschlag "Vorsicht und Zurückhaltung" üben, weil "nicht alles so einfach" sei, wie es in der Kürze der ersten Unterrichtung des Ministers am Morgen womöglich ausgesehen habe.

Der Minister habe sich bedankt, aber nicht weiter nachgefragt, sagte Schneiderhan.

Am 6. November übernahm Guttenberg in einer Pressekonferenz die Formulierung "militärisch angemessen", ging aber noch darüber hinaus, indem er sagte, zu dem Luftschlag hätte es auch kommen müssen, wenn zuvor keine Verfahrensfehler begangen worden wären. Unstrittig ist, dass Guttenberg zu diesem Zeitpunkt der Nato-Bericht, eine Bewertung des Berichts durch sein Ministerium und ein Bericht der Internationalen Roten Kreuzes vorgelegen haben. Damit habe, so Schneiderhan und Wichert, der Minister über alle relevanten Informationen verfügt.

Schneiderhan und Wichert machten deutlich, dass sie die Einschätzung des Ministers, der Luftschlag sei unvermeidlich gewesen, nicht teilten. Wichert zeigte sich sogar ausdrücklich darüber verwundert. Schneiderhan blieb aber bei seiner Bewertung, der Luftschlag sei militärisch angemessen gewesen. Warum Guttenberg sich Anfang Dezember revidiert und die Bombardierung als nicht angemessen bezeichnet hatte, wollte Schneiderhan nicht kommentieren.

Thema spielte keine Rolle mehr

Mit der Pressekonferenz des Ministers am 6. November sei das Thema Kundus "erledigt" gewesen, sagte Schneiderhan. Es habe bei einer gemeinsamen Afghanistan-Reise am 12. und 13. November und bei den dabei geführten Gesprächen mit dem afghanischen Präsidenten Hamid Karsai und mit dem Befehlshaber der Internationalen Schutztruppe Isaf, dem US-General Stanley McChrystal, keine Rolle gespielt. Thema wurde es laut Schneiderhan erst wieder am 25. November, als Guttenberg durch die Bild-Zeitung von der Existenz des sogenannten Feldjägerberichts erfuhr.

Dieser Bericht fasst erste Untersuchungen der deutschen Militärpolizei zusammen und enthält kritische Anmerkungen zu dem Luftschlag, die von Schneiderhan und Wichert im Ausschuss aber als unqualifiziert bezeichnet wurden.

Am Nachmittag des 25. November gegen 14.20 Uhr zitierte Guttenberg den Generalinspekteur und den Staatssekretär zu sich und fragte sie nach der Existenz weiterer Berichte. Wichert sagte, seines Wissens habe der Minister den Feldjägerbericht bei diesem Gespräch nicht gekannt. Er habe jedoch den Eindruck gehabt, dass Guttenberg den Bericht für "ganz furchtbar" gehalten habe.

Zwei Stunden später eröffnete Guttenberg den beiden in Einzelgesprächen, dass er kein Vertrauen mehr zu ihnen habe. Sie hätten zu verantworten, dass ihm wichtige Dokumente vorenthalten worden seien, so seine Begründung. Den inoffiziell geäußerten Vorwurf, die beiden hätten dies in böswilliger Absicht getan, nahm Guttenberg in der vorigen Woche zurück.

Schneiderhan und Wichert hatten diesen Verdacht als ehrenrührig empfunden, akzeptierten aber im Ausschuss die Erklärung des Ministers.

Zweifel an Redlichkeit und Verstand

Nicht ausgeräumt sehen Schneiderhan und Wichert allerdings die von der Umgebung des Ministers verbreitete "ehrabschneidende" Darstellung, er und Wichert hätten am 25. November die Existenz weiterer Berichte "geleugnet".

Damit würden Zweifel an ihrer Redlichkeit, aber auch an ihrem Verstand genährt, sagten Schneiderhan und Wichert fast wortgleich. Wie könne man die Existenz von Berichten leugnen, deren Vorhandensein längst einem großen Kreis bekannt gewesen seien, fragten beide. Schneiderhan räumte allerdings ein, dass die Situation zu Beginn des Gesprächs missverständlich gewesen sei.

In einer gut anderthalbstündigen Eingangserklärung schilderte Schneiderhan ausführlich die angespannte Lage, in der der deutsche Kommandeur in Kundus, Oberst Georg Klein, den Luftschlag angeordnet habe. Schneiderhan führte aus, wie schwer es gewesen sei, schnell konkrete Angaben über die Zahl der Opfer zu erhalten, machte jedoch deutlich, dass von Anfang an die Möglichkeit ziviler Opfer stets angesprochen worden sei.

Wichert bestätigte im Ausschuss die Existenz einer "Gruppe 85" im Verteidigungsministerium. Er habe diese Gruppe eingesetzt, um die Nato-Untersuchung zu begleiten und sicherzustellen, dass der Bericht nicht einseitig ausfalle und auch Elemente, die Oberst Klein entlasten könnten, berücksichtigt würden. Die Darstellung von Spiegel Online, diese Gruppe habe die Ermittlungen zum Luftschlag behindern und vertuschen sollen, bezeichnete Wichert als "blanken Unsinn".

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SZ vom 19.03.2010/dmo
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