Kameraleute und Fotografen dürften ihn nicht zu Gesicht bekommen, wenn er in den abhörsicheren Sitzungssaal im Präsidentenflügel des Reichstags geführt wird. Die meisten Abgeordneten hatten gar nicht damit gerechnet, dass er kommen würde. Doch Bundeswehr-Oberst Georg Klein hat angekündigt, er werde an diesem Mittwoch als Zeuge vor dem Kundus-Untersuchungsausschuss des Bundestags erscheinen.
Klein ist die zentrale Figur, sofern es um die Ereignisse in der Nacht zum 4. September vorigen Jahres geht. Damals gab Klein den Befehl, zwei von Taliban entführte Tanklaster auf einer Sandbank im Kundus-Fluss in Nordafghanistan zu bombardieren. Bis zu 140 Menschen wurden getötet. Wie die militärische Führung mit dem Fall umgegangen ist und wer politische Verantwortung trägt, will der Ausschuss später erörtern.
Am Dienstag rätselten die Mitglieder des Ausschusses noch, was sie von Klein zu hören bekommen werden. Würde er nur zu Protokoll geben, dass er von seinem Recht Gebrauch machen will, die Aussage zu verweigern? Das könnte er, um sich in möglichen späteren Straf- und Disziplinarverfahren nicht zu belasten.
Würde er die Bedrohungslage schildern, der er und seine Soldaten sich in Afghanistan ausgesetzt sahen, zum konkreten Geschehen aber schweigen? Oder würde er sich zur Sache äußern? Am Abend hieß es dann aus Kreisen des Ausschusses, Klein wolle eine Erklärung abgeben.
In den internen Untersuchungen hat Klein stets versichert, er habe nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt. Davon dürfte er auch den Ausschuss überzeugen wollen. Allerdings kommen sowohl die Nato als auch die deutsche Militärpolizei zu dem Ergebnis, dass Klein Einsatzregeln der Nato missachtet und Befehlswege nicht eingehalten habe.
Eine Schlüsselfrage ist, ob Klein tatsächlich die Entscheidung zum Bombardement allein getroffen hat, wie bislang alle Seiten behaupten. Es gibt viele Merkwürdigkeiten in seinem Verhalten - nach derzeitigem Stand hat Klein keinen seiner Vorgesetzten eingeschaltet, zu einem afghanischen Informanten am Flussufer hatte er nur indirekt Kontakt über einen Dolmetscher und einen Geheimdienstoffizier.
Zweifel an der offiziellen Version
Vor allem aber wegen der Tragweite seines Befehls zweifeln manche Abgeordnete an der offiziellen Version. Einen Beweis für die These, es habe einen zweiten inoffiziellen Befehlsstrang gegeben, auf dem Klein sich in Deutschland Rückendeckung geholt habe, hat allerdings noch niemand vorgelegt.
Die Zweifler verweisen auf die Anwesenheit der sogenannten Task Force 47 in Kundus. Sie besteht aus etwa 120 Elitesoldaten, deren Geheimauftrag im Wesentlichen lautet, Taliban-Führer aufzuspüren. Auch vier führende Aufständische, die sich in jener Nacht bei den Tankwagen aufhielten, standen auf der Fahndungsliste der Task Force. Klein operierte aus dem Gefechtsstand der Task Force, offiziell deshalb, weil sie über die bessere technische Ausstattung verfügte und weil der afghanische Informant für die Task Force im Einsatz war.
Es liegt nahe, dass der Nachrichtenoffizier der Task Force Klein darauf hingewiesen hat, dass man gesuchte Taliban vor sich habe. Möglicherweise hat sich Klein durch diesen Umstand zusätzlich unter Druck gefühlt, den Befehl zur Bombardierung zu geben.