Kundus-Affäre:Im Namen der Wahrheit

Wer sagte wann was? Nach den sehr präzisen Aussagen der geschassten Beamten Wichert und Schneiderhan steht Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg unter großem Druck.

Peter Blechschmidt

Für Wolfgang Schneiderhan und Peter Wichert ist es eine Frage der Ehre. Der eine war Generalinspekteur der Bundeswehr und damit Erster unter 250.000 Soldaten. Der andere war beamteter Staatssekretär und musste das Verteidigungsministerium mit mehr als 100.000 zivilen Bediensteten am Laufen halten.

Am 25. November vorigen Jahres wurden sie von dem gerade mal vier Wochen amtierenden jungen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg in den Ruhestand geschickt. Beide Männer haben sich um die Bundeswehr Verdienste erworben, der Rauswurf hat sie geschmerzt.

Aber beide sind loyale Staatsdiener genug, um das Recht des Ministers anzuerkennen, sich von engen hochrangigen Mitarbeitern zu trennen. Was Schneiderhan und Wichert bis heute umtreibt, sind die Umstände ihrer Entlassung und die Begründungen, die dafür in die Welt gesetzt wurden.

Für Karl-Theodor zu Guttenberg ist es eine Frage der Glaubwürdigkeit. Er hatte die Entlassung der beiden Spitzenleute damit begründet, dass ihm wichtige Dokumente zum Luftschlag von Kundus am 4. September vorigen Jahres nicht vorgelegt worden seien - Dokumente, die, nachdem er sie dann kannte, ihn bewogen haben, sein ursprüngliches Urteil zu revidieren, der Luftschlag sei nicht nur militärisch angemessen, sondern sogar unvermeidlich gewesen. Aus den "nicht vorgelegten" Dokumenten wurden in Talkshow-Auftritten und Hintergrundgesprächen des Ministers "vorenthaltene" und sogar "unterschlagene" Papiere.

Gegen den in Begriffen wie Vorenthalten und Unterschlagen mitschwingenden Verdacht der vorsätzlichen Täuschung wehrten sich Schneiderhan und Wichert in Briefen an Guttenberg - mit spätem Erfolg. In der vorigen Woche versicherte Guttenberg erstmals öffentlich, er habe den beiden nie böse Absicht unterstellen wollen.

Aber es steht noch ein anderer Vorwurf im Raum, den Schneiderhan und Wichert als mindestens ebenso "ehrenrührig" empfinden. Am 30. November beschreibt der Spiegel in der üblichen Manier des Dabeigewesenen das Gespräch zwischen Guttenberg und seinen beiden Untergebenen am 25. November, das zur Entlassung der beiden nur knapp drei Stunden später führte. Guttenberg habe gefragt, ob es neben dem längst vorliegenden offiziellen Untersuchungsbericht der Nato zu Kundus weitere interne Berichte gebe. Schneiderhan und Wichert hätten dies verneint. Guttenberg habe noch zweimal nachgefragt. "Als beide wieder leugnen, entlässt er sie. So berichtet es sein Umfeld", schreibt der Spiegel.

Noch am selben Tag verlangt Wichert auch im Namen von Schneiderhan in einem Brief an Guttenberg ein "glasklares Dementi". Das Verteidigungsministerium solle richtigstellen, dass Meldungen, Wichert und Schneiderhan hätten die Existenz weiterer Berichte bestritten, nicht zuträfen.

Das Dementi bleibt aus. Stattdessen schreibt Guttenberg mit Datum vom 2. Dezember handschriftlich an den "sehr geehrten, lieben Herrn Dr. Wichert": "Offenbar gibt es interessierte Kreise, die mit Setzen von vermeintlichen Zitaten und gezielten Unwahrheiten Unfrieden, ja Zwietracht säen wollen."Der 14 Zeilen lange Brief schließt mit den Worten: "Diese Zeilen machen Artikel nicht ungeschehen, mir war es gleichwohl ein Bedürfnis, Ihnen diesbezüglich zu schreiben."

Briefwechsel zwischen Wichert und Guttenberg

Das Wort vom Leugnen ist damit nicht aus der Welt, andere Medien transportieren es fort. Deshalb wendet sich Wichert am 11. Dezember erneut an Guttenberg und schreibt mit Verweis auf den Spiegel-Artikel: "Bitte nehmen Sie zu der Frage Stellung, inwieweit Sie diese Aussagen des Artikels unterstützen oder sich hiervon distanzieren. Ich werde die Veröffentlichung nicht hinnehmen."

Guttenberg antwortet am 18. Dezember, diesmal mit einem maschinegeschriebenen Brief. Er bedauert, dass Wichert sich durch die Medien ungerechtfertigt angegriffen fühlt und findet es "verständlich", dass Wichert sich dagegen wehren will. Damit er das tun kann, entbindet ihn der Minister von seiner Schweigepflicht. Er, Guttenberg, werde aber weiter die vereinbarte Vertraulichkeit über das Gespräch vom 25. November wahren. Allerdings behalte er sich vor, "meine Wahrnehmung des Gesprächs darzustellen, sollte dies erforderlich werden".

Vor dem Kundus-Untersuchungsausschuss des Bundestags schilderte Wichert am Donnerstag ausführlich seine Bemühungen um ein klärendes Wort des Ministers. "Rätselhaft" sei für ihn bis heute Guttenbergs Hinweis auf die "interessierten Kreise", die mit gezielten Unwahrheiten Zwietracht säen wollten. "Da an dem Gespräch am 25.11. nach meiner Erinnerung nur vier Personen beteiligt waren und General Schneiderhan und ich wohl als Informanten des Spiegel ausscheiden, lässt sich die Frage, wer mit wem geredet hat, leicht eingrenzen", sagte Wichert im Ausschuss.

Er berichtete, zunächst habe ihn eine Korrespondentin und danach ein Chefredakteur des Spiegel angerufen und nach seiner Sicht des Gesprächs gefragt. Er habe sich auf seine Schweigepflicht berufen. "Natürlich sagte der Chefredakteur nicht, mit wem er zuvor gesprochen hatte und woher seine Information stammte", erklärte Wichert. "Und ich weiß auch nicht, auf welcher Ebene der Chefredakteur des Spiegel Gespräche führt. Aber, wie gesagt, der Kreis der möglichen Informanten, auf die die Verbreitung der ehrenrührigen Unwahrheiten zurückzuführen ist, ist ja sehr begrenzt."

Guttenberg wird nach derzeitiger Planung am 22. April Gelegenheit haben, vor dem Ausschuss seine "Wahrnehmung" darzulegen. Dabei wird auch wieder die Frage gestellt werden, wie viele Personen am 25. November im Ministerbüro saßen. Schneiderhan und Wichert bekräftigten am Donnerstag, außer ihnen seien nur der Minister und seine Büroleiterin anwesend gewesen. Guttenbergs Sprecher bestätigte am Freitag noch einmal, der Minister habe für den Verlauf des Gesprächs zwei Zeugen.

Ein CDU-Abgeordneter wollte am Donnerstag Wichert partout dazu bringen, dies zu bestätigen. "Sie können also nicht ausschließen, dass eine fünfte Person im Raum war?" fragte der Parlamentarier. Voller Sarkasmus entgegnete Wichert: "Ich kann nicht mal ausschließen, Herr Abgeordneter, dass hier ein nordkoreanischer Spion im Saal ist."

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