Süddeutsche Zeitung

Kundus-Affäre:Gutsherr Guttenberg feuert zurück

Tumultartige Szenen im Bundestag: Minister Guttenberg hält der Opposition einen aktuell verwundeten Soldaten vor. Der CSU-Aufsteiger verteidigt sich mit steigender Lautstärke und im Gutsherrenstil gegen Vorwürfe, er habe in der Kundus-Affäre versagt.

Thorsten Denkler, Berlin

Das Lächeln breit, der Gang federnd. Auch die Krawatte sitzt. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg betritt das Plenum des Deutschen Bundestages. Er drückt noch schnell einem Militär die Hand, bevor er sich auf seinen Platz in der zweiten Reihe auf der Regierungsbank begibt.

Der Verteidigungsminister wird gleich reden. Seit einiger Zeit mal wieder im Bundestag - und nicht in einer Talkshow.

Das wird kein leichter Gang. Zwei Stunden haben die Abgeordneten der Opposition in der Fragestunde vergeblich versucht, aus Guttenbergs Staatsekretär Christian Schmidt (CSU) irgendeine verwertbare Information herauszupressen.

Warum hat Guttenberg in Kenntnis der wesentlichen Berichte zum Bombenangriff auf zwei Tanklaster nahe Kundus zunächst gesagt, der Angriff sei "angemessen"? Warum hat er später Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan und Staatsekretär Peter Wichert entlassen, obwohl die nach eigenen Angaben nicht vorsätzlich Informationen zurückgehalten haben?

Wer, was, wann, warum? Lauter Fragen, keine Antworten.

Sekretär Schmidt redet viel, sagt nichts. Irgendwann reicht es dem Parlamentarischen Geschäftsführer der SPD, Thomas Oppermann. Er verlangt, Minister Guttenberg in die Fragestunde zu zitieren. Auch das erfolglos.

Erste Tumulte

Es hatte sich also einiges aufgestaut, bis zur Aktuellen Stunde zu den Vorgängen rund um den Bombenangriff und das Krisenmanagement des Verteidigungsministers. Als Unions-Fraktionsvize Andreas Schockenhoff erklärt, die CDU habe die Aktuelle Stunde beantragt, um zu zeigen, mit welchen "Täuschungsmanövern" die Opposition versuche ihre Verantwortung für den Afghanistan-Einsatz abzulehnen, brechen erste Tumulte los.

Als später die FDP-Abgeordnete Elke Hoff den an diesem Mittwoch in Afghanistan verletzten deutschen Soldaten anführt, um die Debatte ins Lächerliche zu ziehen, brüllt Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin ihr ein "Ungeheuerlich!" entgegen. Der Ex-Umweltminister spricht in seinem Redebeitrag von einem "ganz miesen Stil" Guttenbergs, weil der lieber durch Talkshows tingele, als dem Parlament Rede und Antwort zu stehen.

SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier heizt die Stimmung noch an. Der einstige Außenminister - und in dieser Funktion weiß Gott viel mit Afghanistan betraut - vermutet, Guttenberg habe nur deshalb zunächst von einem angemessenen Einsatz gesprochen, weil er "der Truppe gefallen" wollte. CSU-Aufsteiger Guttenberg, Liebling seiner Partei und der Truppe.

Er habe "nachdrückliche" Zweifel, so Steinmeier, dass es "nachträgliche" und bis dahin "vorenthaltene" Informationen gewesen seien, die Guttenberg Anfang Dezember zu einer Neubewertung des Luftschlages von Anfang September veranlassten. "Sie wussten am 6. November, dass es Fehler gegeben hat, dass es zivile Opfer gegeben hat", sagt der Ministerkollege von einst.

Der Angegriffene steht schon zum Reden bereit - doch er muss etwas warten, bevor ihn Parlamentspräsidentin Gerda Hasselfeldt (CSU) ans Pult bittet.

Der gut erzogene Freiherr beginnt leise. "Mieser Stil also", sagt er und lächelt süffisant - so, als hätte er gerade eine echt gute Pointe im Gepäck. Dann aber macht er das, wofür schon FDP-Frau Elke Hoff die Wut der Parlamentarier zu spüren bekommen hat. Der Minister verweist auf den verwundeten Soldaten und dessen Kameraden im Einsatz. "Und sie feuern hier innenpolitische Gefechte ab!", brüllt nun auch Guttenberg. "Meine Herren!", setzt er hinterher und haut aufs Pult. Der Gutsherr hat gesprochen.

SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold wird sich nach dieser Rede "fassungslos" zeigen. Der Minister instrumentalisiere das Schicksal des verwundeten Soldaten für die Auseinandersetzung im Bundestag.

All die Fragen, die derzeit gestellt werden, der für Verteidigung zuständige Guttenberg spricht sie kaum an. Die Soldaten würden sich lieber eine Debatte über ihre Rechtssicherheit im Einsatz wünschen, sagt er. Wieder braust Stimmengewirr auf, als hätte er gerade in ein riesiges Wespennest gestochen. Guttenberg reagiert angefasst: "Wenn sie in diesem Hohen Hause in derart wüstes Geschrei ausbrechen, werden sie ihrer Verantwortung nicht gerecht", schmettert es zurück. Alles "Klamauk" schiebt er später noch dazwischen.

Zu dem gefeuerten Generalinspekteur Schneiderhan immerhin sagt er etwas. Muss er wohl auch. Der Mann hat ihn der Lüge bezichtigt. Schneiderhan hatte der Zeit ein Interview gegeben, in dem er Guttenberg vorwirft, die Unwahrheit in Bezug auf die Umstände seiner Entlassung gesagt zu haben. Guttenberg hatte suggeriert, Schneiderhan habe vorsätzlich Dokumente zurückgehalten, wogegen sich Schneiderhan verwahrt ("ehrenrührig").

Der CSU-Politiker hält dagegen, es könne nicht sein, dass ein Minister erst fragen müsse, bevor ihm wesentliche Dokumente ausgehändigt werden: "Wo kämen wir denn dahin!" Und: "Für die Trennung bedarf es keiner weiteren Gründe." Der FDP-Abgeordnete Rainer Stinner und CDU-Politiker Philip Mißfelder springen ihm bei: Sie werfen der SPD vor, sich mit der Behauptung eines Strategiewechsels in Afghanistan allmählich aus der Verantwortung für den Einsatz stehlen zu wollen.

SPD-Mann Arnold dagegen findet es "schäbig", dass Guttenberg die Verantwortung für seine erste Fehleinschätzung auf den Generalinspekteur abgeschoben habe. "Wir haben die Sorge", sagt Arnold, "dass Sie diesem Amt nicht wirklich gewachsen sind." Und weiter: "Wir haben hier nicht den Verteidigungsminister gehört, sondern den Minister der Selbstverteidigung."

Da ruft der Fraktionsvize der Linken dem umstrittenen Guttenberg zu: "Herr zu Guttenberg: Sie haben keine Lizenz zum Töten!"

Die will er vielleicht haben.

Im Video: Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg hat Vorwürfe im Umgang mit dem entlassenen Generalinspekteur Wolfgang Scheiderhan abgeblockt.

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