Kundgebung gegen Judenhass:In Schweigen vereint

Lesezeit: 2 Min.

Jüdische und muslimische Organisationen in Deutschland warnen einträchtig vor islamistischem Terror. Doch von Harmonie kann keine Rede sein. Muslime sind pikiert, dass sie bei der Berliner Kundgebung gegen Judenhass nicht zu Wort kamen.

Von Thorsten Schmitz, Berlin

Zwei Tage nach der vom Zentralrat der Juden in Deutschland veranstalteten Kundgebung gegen Judenhass in Berlin herrscht Unmut darüber, dass dort kein Vertreter der Muslime gesprochen hat. "Das wäre ein gutes Signal gewesen", sagte der Repräsentant einer muslimischen Organisation, der anonym bleiben möchte, der S üddeutschen Zeitung. Aiman Mazyek vom Zentralrat der Muslime in Deutschland sagte, darauf angesprochen: "Das müssen Sie den Veranstalter fragen, weshalb nur Kirchenvertreter und die Bundeskanzlerin geredet haben. Hätte man mich gebeten, hätte ich selbstverständlich eine Rede gehalten."

Der Präsident des Zentralrats der Juden, Dieter Graumann, betonte auf Anfrage: "Ich fände es schade, wenn man jetzt die Kundgebung im Nachhinein schlechtredet. Wir haben mit viel Einsatz in sehr kurzer Zeit ein wichtiges Zeichen gesetzt, das uns am Herzen liegt." Die Zeit für die Veranstaltung sei zeitlich begrenzt gewesen, "und bei den verschiedenen muslimischen Verbänden hätten wir mehrere Redner zu Wort kommen lassen müssen". Vertreter muslimischer Verbände seien jedoch als "Ehrengäste im Gäste-Bereich" eingeladen gewesen.

Einigkeit herrschte hingegen am Dienstag in Berlin beim Koordinationsrat der Muslime in Deutschland und dem jüdischen Simon-Wiesenthal-Zentrum in der Sorge darüber, dass sich immer mehr muslimische Jugendliche von extremistisch-islamistischen Gruppen anwerben ließen.

US-Rabbiner regt Antisemitismus-Beauftragten in Deutschland an

Rabbiner Abraham Cooper aus Los Angeles, der auf Einladung des Mideast Freedom Forums nach Berlin gekommen war und am Montag auch ein Gespräch mit Justizminister Heiko Maas (SPD) über zunehmende Tendenzen von Antisemitismus und Anti-Israelismus in Deutschland geführt hatte, sagte auf einer Pressekonferenz : "Es ist cool geworden für viele muslimische Jugendliche, keinen Job zu suchen und Geld zu verdienen, sondern sich den IS-Terroristen in Syrien und Irak anzuschließen." Er sei "geschockt gewesen" darüber, dass der in Dänemark lebende Scheich Abu Bilal Ismail im Juli in einer Moschee in Berlin-Neukölln eine Predigt habe halten können, in der er zur Tötung von Juden aufgerufen hatte. "Der Justizminister wusste nichts von dem Vorfall", sagte Cooper, merklich verwundert. Die US-Regierung verfüge über einen Antisemitismus-Beauftragten. Er regte an, dass auch die Bundesregierung eine solche Stelle einrichte.

Ein solcher Beauftragter sei vor allem auch deshalb wichtig, weil Terrororganisationen wie der Islamische Staat (IS) soziale Medien wie Twitter und Facebook zur Anwerbung von Kämpfern missbrauchten. Zur Illustration zeigte der Rabbiner das Twitter-Konto von Saifullah Al Almani, eines Deutsch schreibenden, bewaffneten muslimischen Mannes, der auf Twitter jugendliche Muslime in Deutschland auffordert, nach Syrien und in den Irak zu kommen.

"Diese Extremisten fühlen sich in unseren Moscheen gar nicht wohl"

Auf einer Pressekonferenz der Islam-Verbände begrüßte Aiman Mazyek vom Zentralrat der Muslime das Verbot der Terrorgruppe IS in Deutschland: "Das hätte schon früher kommen sollen." Zekeriya Altuğ, der den Landesverband Hamburg der Türkisch-Islamischen Union (Ditib) leitet, sagte: "Wir sind sehr besorgt über radikalisierte muslimische Jugendliche." Die Islam-Verbände hätten keinen Kontakt zu diesen Jugendlichen. "Diese Extremisten fühlen sich in unseren Moscheen und Gemeinden gar nicht wohl."

Die Islam-Verbände in Deutschland wollen am Freitag in bundesweit 2000 Moscheen einen Aktionstag gegen Rassismus und Fanatismus abhalten. Hintergrund sind die jüngsten Anschläge auf Moscheen in Deutschland, aber auch Verbrechen islamistischer Terrorgruppen im Irak und in Syrien. "Wir wollen nicht schweigen", sagte Mazyek, "wenn der Islam gekidnappt wird von Terroristen und Verbrechern".

Dieter Graumann übrigens wird am Freitag eine Moschee in Frankfurt am Main besuchen - er ist von den Islam-Verbänden dazu eingeladen worden.

© SZ vom 17.09.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: